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Topmanager gesucht! Einer, der fünfzig Jahre aufholt, die in Wien versäumt, verschlafen, ignoriert wurden, fünfzig Jahre in der Entwicklung der Kunst in aller Welt, die an Wien zum Teil spurlos vorübergegangen sind. Gesucht wird ein Wunder der Organisationskunst, des Managements, der Phantasie, Geld aufzutreiben, der Überredungskunst und Uberzeugungskraft, große Sammler anzuzapfen, damit sie Kunstwerke borgen oder schenken, der Diplomatie und der Geschicklichkeit, um aus - leeren! -Ministeriumkassen Geld herauszuquetschen, wenn es darum geht, wichtige Kunstwerke zu erwerben. Ein solcher Wundermann und Hobbyzauberer wird gesucht. Ab April oder Mai ist für ihn ein Sessel frei, in einem kleinen Sekretariat, vorerst noch im Museum im Schweizergarten.

Seit der deutsche Schokolademillionär Peter Ludwig mit seinen rund 150 bedeutenden Kunstwerken des Pop und des'Realismus in die Wiener Kunstszene eingebrochen ist, gelang es ihm und einem kleinen Kreis, für moderne Kunst Stimmung zu machen. Ein paar haben begriffen, daß es mit dem verwahrlosten Stiefkind .Moderne“ in Wien nicht so weitergehen könne. Und sie haben aus der Wiener Not das Beste, und wirklich nicht nur das Erstbeste, gemacht: das Palais Liechtenstein wird für rund 100 Millionen Schilling adaptiert und als Museum moderner Kunst eingerichtet. Die Sammlung Ludwig (Wert: rund 80 Millionen Schilling) wird wahrscheinlich noch heuer hier aufgestellt, die dazupassenden Wiener Bestände an internationaler Kunst, aus dem Museum des 20. Jahrhunderts und anderen Sammlungen, werden rundum gruppiert. Und der Museumspavillon des 20. Jahrhunderts wird endlich renoviert, um dann als Halle großer Wechsel- und Spezialausstellungen geführt zu werden. Schicksalhafte Fügung, daß zur gleichen Zeit auch der Direktor des Museums, Dr. Alfred Schmeller, aus gesundheitlichen Gründen um seine Frühpensionierung ansuchte?

Kaum war der Beschluß der Wissenschaftsministerin gefaßt, aus zwei eins zu machen, also „Zwanz-gerhaus“ und Liechtenstein einem Direktor anzuvertrauen, ging auch schon das Gezeter und Geschimpfe los: Ein Verein kämpft um einen Erweiterungsbau fürs Museum im Schweizergarten, andere, vor allem betroffene Museumsdirektoren, ärgern sich, daß das Palais Liechtenstein gemietet wurde und nun aus ihren Sammlungen die besten neuen Werke geholt werden sollen, um diese rund um Ludwigs Leihsammlung zu gruppieren. Und wieder andere geben sich gut wienerisch:„Neue Kunst — was brauch' ma dös?

Anderseits geisterte als Eintagsfliege das Projekt eines Museumsneubaues auf der Donauinsel durch den Blätterwald. Aber Kenner der österreichischen Budgetsituation können die auslösende Bemerkung der Ministerin höchstens als Stoßseufzer der Hoffnung, keineswegs aber auch nur als Schatten einer Absichtserklärung ernst nehmen. Es steht also so gut wie fest, daß Wien in absehbarer Zeit weder im Messepalast, der ideal wäre, aber dessen Adaption zuviel kostet, noch auf der Donauinsel, wo ein „Centre Pompi-dou an der Donau“ noch viel, viel teurer käme, ein neues Museum moderner Kunst erhoffen darf. Es bleibt vorerst sicher bei der schon von Napoleon als dauerhaftest erkannten Lösung: beim Provisorium. Beim Liechtensteinpalais. Aber diese Minimallösung ist nur dann akzeptabel, wenn wenigstens ein Teil der nicht in ein neues Haus investierten Millionen in Ankäufe gesteckt wird. Denn ein Museum moderner Kunst, das nicht in der Lage ist, moderne Kunstwerke zu erwerben, ist ein schlechter Witz!

Wenn die neue Museumsführung -sei es nun eine Teamkombination aus Manager und Kunstexperten, sei es ein einzelner Direktor - ihre Aufgabe ernst nimmt, wird da ein sehr Unbequemer seinen Mann stellen müssen. Denn er wird in dieser Sammlung zuerst einmal unendlich viele Lücken stopfen müssen, die in allen Stilen und Richtungen klaffen. Die Bestände des Museums des 20. Jahrhunderts in Ehren. Aber sie sind mit keiner der großen internationalen Sammlungen wirklich konkurrenzfähig. Während man in München, Berlin, Hamburg, ja fast in jeder deutschen Mittelstadt mit viel Geld und Eifer wichtige Werke des 20. Jahrhunderts zusammengetragen hat, hat Wien den besten Zeitpunkt versäumt. Schuld daran waren allerdings nicht Museumsdirektoren. Ich denke nur an Werner Hofmann, der hier wie ein Prediger in der Wüste wieder und wieder mehr Geld für wichtige Werke gefordert hat. Schuld war die totale Konzeptlosigkeit der Ministerien, die bestenfalls für das eine oder andere internationale Werk aufkamen, sonst aber am ehesten noch da und dort einen Österreicher zu kaufen bereit waren.

Spät kommt jetzt die Erkenntnis, wo es in den letzten Jahrzehnten „langgegangen“ ist in der Kunst und wo jetzt in unseren Museen alles fehlt. Der neue Museumschef wird wirklich Wunder wirken müssen. Vor allem aber braucht er ein Ankaufsbudget, das diesen Namen verdient. Denn ein Provinzmuseum der Moderne kann sich Wien nicht leisten.

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