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Wo spielt denn Österreich mit?

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Wien hat schon wieder eine Ausstellungssensation im Künstlerhaus eine der imponierendsten Revuen: „Kunst um 1970 - die Sammlung Ludwig aus Aachen”. Eine Privatsamm- lung der Superlative, die, mit 40 Millionen Schilling versichert, im Marktwert heute ein Vielfaches darstellt. Aber trotz dieser einzigartigen Möglichkeiten, sich jetzt in Sachen „moderne Kunst” zu informieren, steht Wiens Publikum nicht Schlange. Wie dies etwa gerade in Paris der Fall ist, wo 650.000 Menschen innerhalb weniger Wochen den neuen Kulturpalast „Pompidou” stürmten, und jetzt verstehe ich erst, warum so viele international prominente Kunsthändler vor kurzem von der „K 45” enttäuscht abzogen und fanden, daß sie noch nie ein derart desinteressiertes Publikum erlebt hätten…

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Wien hat schon wieder eine Ausstellungssensation im Künstlerhaus eine der imponierendsten Revuen: „Kunst um 1970 - die Sammlung Ludwig aus Aachen”. Eine Privatsamm- lung der Superlative, die, mit 40 Millionen Schilling versichert, im Marktwert heute ein Vielfaches darstellt. Aber trotz dieser einzigartigen Möglichkeiten, sich jetzt in Sachen „moderne Kunst” zu informieren, steht Wiens Publikum nicht Schlange. Wie dies etwa gerade in Paris der Fall ist, wo 650.000 Menschen innerhalb weniger Wochen den neuen Kulturpalast „Pompidou” stürmten, und jetzt verstehe ich erst, warum so viele international prominente Kunsthändler vor kurzem von der „K 45” enttäuscht abzogen und fanden, daß sie noch nie ein derart desinteressiertes Publikum erlebt hätten…

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Kunst um 1970 - Schätze des wichtigsten deutschen Sammlers DDr.h.c. Peter Ludwig, 52, eines Schokoladefabrikanten, der selbst in der Elite internationaler Sammler einer der Führenden ist. Denn neben seinen legendären Schätzen, etwa an Popkunst, Realismus, Photorealismus, hat er auch Sammlungen antiker, mittelalterlicher und präkolumbischer Kunst zusammengetragen, die sich mehr als bloß sehen lassen können.

Peter Ludwig, „der Ludwig”, wie er in Fachkreisen allgemein heißt, hat allerdings nicht als milliardenschwerer Krösus zu sammeln begonnen. Im Gegenteil, er, der selbst Kunstgeschichte studiert hat, war stets ein Mann mit einem besonderen Riecher für Kunst, der zum Beispiel Pop-Art in ihrer Kraft, amerikanisches Leben, die US-Welt zu spiegeln, als einer der ersten erkannt und sie deshalb als einer der ersten gekauft hat. Unbeirrt, oft sogar zum Staunen der Künstler und unter dem herzhaften Lachen der Fachwelt. Daß dieser leidenschaftliche Sammler zu zivilen Preisen so in den Besitz von Hauptwerken kam, ist fast selbstverständlich. Und selbst prominente US-Museen und Privatsammlungen sahen viel zu spät, was da an Werken in diese deutsche Kollektion abgewandert war. Denn damals wollte im eigenen US-Heimat- land es npch niemand wahrhaben, daß ein Wesselmann, ein Sidney Tillim, Robert Smithson, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Paul Sarkisian, Robert Rauschenberg oder George Segal Kunstgeschichte gemacht hatten.

Doch damit nicht genug. Der ruhe- und rastlose Kunstfan Ludwig hat sich auch nie dafür begeistern können, seine Wunderwerke in Tresors und unzugänglichen Kammern zu horten. Ganz im Gegenteil: Ludwig spricht in seinen theoretischen Arbeiten über das Museum als „Informationszentrum für alle Fragen der Kunst”, vom „demokratischenMuseum”, das nur in Beständen und Führungsstil stets der Zeit angepaßt werden muß. Und dementsprechend hat er nun ari die 400 Bilder, also einen Gutteil seiner berühmten Sammlung, der Stadt Aachen geschenkt, die ihm bis 1985 um runde dreieinhalb Milliarden Schilling ein

Museum dafür baut. Ein weiterer Teil wird später in den Besitz Aachens übergehen.

Aus diesen Beständen rekrutiert sich nun die Wiener Ausstellung. Doch da Ludwig die Wiener Lehrpräsenta- tion in einigen Bereichen unkomplett und lückenhaft schien, kaufte er kurzerhand für Wien noch rasch ein paar Kunstwerke um runde sieben Millionen Schilling, damit Wien wirklich sieht, was er sich unter „Kunst um 1970” vorstellt.

Kein Wunder, daß Kenner, Sammler, Kunstinteressierte allein schon vor dieser Wiener Sammlung staunen: Sie ist eigentlich in vielen Werken genau das, was im Museum des 20. Jahrhunderts zu finden sein müßte. Also eine Schau, die zeigt, wo der Staat im Grunde als Sammler seine Aufgaben völlig vergessen hat. (Denn insofern übt er heute nicht mehr die Rolle der großen Mäzene aus, ja nicht einmal die der aus historischen und didaktischen Gründen internationale Kunst Sammelnden im vorigen Jahrhundert.) Gerade um richtige Informationen über Kunst liefern zu können, müßten Österreichs wenige Museen moderner Kunst Hauptwerke der jeweiligen Periode besitzen. Hauptwerke, wie sie hier von einem Indiana, Allein Jones, Jasper Johns, Warhol, Wessel mann, Rauschenberg vorhanden sind. Werke, die belegen, was sich seit Beginn der „sechziger” in der amerikanischen und westeuropäischen Kunst wirklich abgespielt hat und die endlich einmal Österreichs provinziellem „mir san mir”-Standpunkt etwas entgegenstellen. Erschütternd nur, daß Österreich natürlich in dieser „Wiener Sammlung” gar nicht vertreten ist. Und auch sonst in der Sammlung Ludwig eher sparsamst. Was alles in allem aber auch beweist, wie sehr wir doch am Rand der Kunstwelt liegen.

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