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Der eine Zwilling ist mißraten

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Als unzertrennliche siamesische Kunstzwillinge waren sie aufgetreten, Galeriechef Gras und der Wiener Bauzentrummanager Jirasko, als sie 1976 erstmals für ihre Wiener Kunstmesse trommelten. Aus dem glatten Parkett des Palais Liechtenstein stampften sie damals einen Gemischtwarenladen. Dennoch lautete die erste Bilanz: 12.500 Besucher. Aber darüber, was in Hinkunft gezeigt werden sollte, zerstritten sich die Kunstzwillinge prompt: Wollte Gras, der sich übrigens sofort mit dem Wiener Künstlerhaus und dessen Präsidenten Hans Mayr verbündete, in Hinkunft dem Publikum progressive Avantgarde zeigen mit internationalen Stars, vor allem aber mit erster Qualität und allem, was man in Wien an Trends geflissentlich übersieht, so entschied man sich im Bauzentrum auch heuer wieder für eine - Kunstgreißlerei.

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Als unzertrennliche siamesische Kunstzwillinge waren sie aufgetreten, Galeriechef Gras und der Wiener Bauzentrummanager Jirasko, als sie 1976 erstmals für ihre Wiener Kunstmesse trommelten. Aus dem glatten Parkett des Palais Liechtenstein stampften sie damals einen Gemischtwarenladen. Dennoch lautete die erste Bilanz: 12.500 Besucher. Aber darüber, was in Hinkunft gezeigt werden sollte, zerstritten sich die Kunstzwillinge prompt: Wollte Gras, der sich übrigens sofort mit dem Wiener Künstlerhaus und dessen Präsidenten Hans Mayr verbündete, in Hinkunft dem Publikum progressive Avantgarde zeigen mit internationalen Stars, vor allem aber mit erster Qualität und allem, was man in Wien an Trends geflissentlich übersieht, so entschied man sich im Bauzentrum auch heuer wieder für eine - Kunstgreißlerei.

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Ein trauriges Kunterbunt und Durcheinander - das ist die Aufmachung, in der sich der eine Kunstmes- sezwill ing „Interkunst” nun im Palais Liechtenstein präsentiert; während der andere, die „K 45”, sich attraktiv gemausert hat.

Daß es bei der „K 45” nun so international zugeht, daß sogar Avantgardespezialisten wie Ingo Kümmels, der Mitbegründer der renommierten Düsseldorfer Kunstmesse, von einer Attraktion sprechen, haben die Veranstalter im Künstlerhaus allerdings nur mit konsequentem Ausräumen, mit .Ausmisten” unter den Ausstellern erzielt.

Der Zuschnitt der „K 45” ist intellektuell. Ein Konzept wird deutlich. Das Spektrum ist ungewöhnlich breit Natürlich posieren an der Spitze die internationalen Päpste der Moderne, die Stars und Superstars mit den fetten D-Mark- und Dollarpreisen, die Hockney, Christo, Beuys, Panamarenko, Cy Twombly. So viele erstklassige Arbeiten hat man in Wien auf einmal noch nie gesehen. Und ich denke, Sammler werden vor Neid erblassen, wenn sie etwa an Max Emsts kleinen Bronzekopf um eine halbe Million Schilling (das teuerste Objekt der „K 45” in der Koje der Düsseldorfer Gallery 44) denken oder an die von der Wiener Galerie Klewan ausgestellten Meisterstücke der Moderne: Mirö, Masson, Kurt Schwitters, Twombly.

Klewan ist übrigens nur eine von den österreichischen Galerien, die zum Teil sehr erlesene, in Österreich leider aber nur sehr schwer absetzbare Stücke anbieten. Hubert Winter etwa hat noch immer Man Ray, Marcel Duchamp, Delvaux, Christo und Leger anzubieten. Obwohl es leider aber auch kein Gerücht ist, daß die Wiener Galerien vorwiegend von Ankäufen im Ausland und Verkäufen ans Ausland leben.

Daneben haben übrigens auch die wichtigsten Österreicher ihren Platz: Rainer, Pichler, Attersee zum Beispiel, also wirklich nur die, die auch international, auf der Kunstszene New Yorks, Basels oder Düsseldorfs, gute Figur machen und Preise erzielen.

Man sieht schon - diese Schau wird für viele oberflächliche Betrachter der Wiener Szene Grund genug sein, umzudenken. Wegzudenken von der Wiener Inzucht in der Sammeltätigkeit, die sich noch immer nicht recht oder nur selten über den Kunststadtrand Wiens wagt, obwohl große Ausländer oft viel interessanter und auch in der Preisrelation günstig sind. Das hohe Informationsniveau dieser „K 45” wird hoffentlich da korrigierend beitragen; um so mehr, als sie nicht nur die Großen und die Außenseiter zeigt, sondern überhaupt mit sehr sicher gestalteten Überblicken aufwartet. Zum Thema Videokunst ebenso wie zum Avantgardefilm oder zur Geschichte künstlerischer Photographie (nur der Realismus bleibt da etwas „g’schamig” ausgeklammert).

Die kunterbunte Mustermesse im Palais Liechtenstein wirkt dagegen fragwürdig. An die drei Dutzend Galerien, in- und ausländischer Herkunft, haben zusammengetragen, was leider allzuoft weder gut noch interessant, noch dem Kenner teuer ist Für die Aussteller war einfach alles erlaubt Die Katastrophe folgte auf dem Fuß. Jugendstil ist da ebenso zu sehen wie billigster phantastischer Realismus, und auch davon wieder allzuviel Mittelmaß, über das auch ein paar attraktive Namen nicht hinwegtäuschen.

Inbegriff geistiger Traurigkeit und Verödung ist übrigens die Schau des

„Neo-Manierismus”, in dem zum Teil schon eine dritte Garnitur des phantastischen Realismus kommerziell angekurbelt wird. Und daß Gustav Renė Hocke, der wichtigste Theoretiker des Manierismus, diesen Alptraum zusammengestellt haben soll? Ich möchte am liebsten daran zweifeln. Denn im Grunde ist zwischen der miserablen Eissalonmalerei und diesen Bildern nur ein Unterschied: daß die „Neo-Manieristen” ihre billigen Bild metaphern surreal, also „pseudo-mo- dern” aufmascherln. Trostlos, beschämend.

Aber auch die Schau „Die moderne Zeichnung” läßt an Schludrigkeit nichts zu Wünschen übrig. Da war nicht Arbeit, sondern Zufälligkeit am Werk. Bleiben wirklich nur ein paar

Galerien, die durch freiwillig gewählte Konzentration auf wenige Künstler ein „Gesicht” zeigen: das Atelier Yp- pen etwa mit Alfred Hrdlickas schönen Zeichnungen, Brandstätter mit Pongratz und Herzig, „Spectrum” mit Heinwein, Gansert, Bremer und Baj.

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