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Keine Feuilletons mehr fur das Kunstgewerbe...

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Oesterreichs Kunstgewerbe hatte seine große Zeit vor 30, 40 Jahren. Damals war es ein Begriff, ein Standard, und galt weit über die Grenzen unseres Landes hinaus als vorbildlich. Die Villa Stockt, das Haus eines belgischen Bankiers, wurde von den Möbeln bis zum Besteck nur mit Gegenständen österreichischer Provenienz ausgestattet. Hofmann und Klimt waren daran vorzüglich beteiligt. Wo sind die Zeiten der fruchtbaren Gegnerschaft Hofmann— Loos? Gewiß, Jose! Hofmann lebt noch, aber er hat längst keine Gegner mehr, alle sind einer Meinung und erzeugen brauchbare und unbrauchbare Dinge, aber wen interessiert das noch? Längst schreibt kein Hermann Bahr mehr Feuilletons über die Form eines neuen Sessels. Dafür finden bei uns immer wieder Ausstellungen ausländischen Kunstgewerbes statt, und unsere Kunstgewerbe erhalten Tips von aller Welt. Ein gut Teil der Schuld daran trifft das Museum für angewandte Kunst, das statutenmäßig verpflichtet ist, zur „Hebung des Geschmacks“ beizutragen. Bis heute ist es ihm nicht gelungen, eine Modellsammlung formschöner und zweckmäßiger Gegenstände des täglichen Lebens zusammenzubringen, die als Beispiel gelten könnten. Es soll ja nicht bloß Archiv sein, sondern — wieder nach den Statuten — „Propaganda“ treiben. Nun hat das Museum, gemeinsam mit dem Oesterreichischen Werkbund, einer ideellen Vereinigung, die der „Vergeistigung der gewerblichen Arbeit“ dienen soll, eine aufschlußreiche Ausstellung zusammengetragen. In der Hauptsache besteht sie aus den Arbeiten, die Oesterreich bei der X. Kunst-gewerbe-Triennale, die 1954 in Mailand stattfand, vertraten. Diese Stücke sind noch durch eine kleine Auswahl neuen österreichischen' Kunsthandwerks ergänzt worden.

Wir begegnen auf dieser Ausstellung den : bekannten Namen: J. T. Kalmar ist vorbildlich und unerreicht in der“ Herstellung moderner Lampen. Lobmeyr erzeugt die schönsten Gläser (auch heute sind noch Entwürfe von Hofmann führend!). Karl Auböck ist das universellste Talent. Dem, was aus seinen Werkstätten kommt; darf “man vertrauen. Ob es nun Tische sind oder Leuchter, er hat immer eine material- und verwendungsgerechte Form für sie gefunden. Aber es fällt schwer, weitere Namen zu nennen. Man denkt noch an Rainer, Niedermoser, Schwanzer, die sich mit Innenarchitektur beschäftigt haben. Aber weiter7

Von Maria Bilger stehen einige Keramiken da. Sie sehen schön aus, wirken aber — durch ihren ganz anderen Stil und Charakter — fremd in der Ausstellung. Sie haben große ästhetische Reize, aber ob sie sehr praktisch sind, weiß ich nicht. Auf jeden Fall passen sie nicht in diese Schau. Ueberhaupt wirkt manches in der Ausstellung ein wenig ausgefallen, gewollt. Viele Dinge sind nicht die, die man täglich braucht, sondern nur für Luxusansprüche gedacht. Daneben stehen völlig mißlungene Entwürfe, wie etwa die Lampen von Nikoll. Was soll denn das? Hat denn überhaupt keine Jury getagt, die das ausscheiden konnte? Auch das, was die Oesterreichischen Werkstätten erzeugen, scheint nicht immer das Praktischste. So ist der Eindruck, den die Schau hinterläßt, sehr uneinheitlich. Man erinnert sich voll Freude an den einen oder anderen Gegenstand, den man gerne besitzen möchte, aber man versteht, daß in Mailand keine großen Preise gewonnen wurden, wenn auch etwa Auböck sehr gut verkaufen konnte. — Erwähnt seien schließlich noch die Bronzetiere von Elisabeth Turolt, die aber wohl nur in der Wohnung reicher Leute stehen können.

Interessante Vergleichsmöglichkeiten bietet eine kleine Ausstellung ungarischen Kunstgewerbes in der Kärntner Straße Wir sehen einfache Keramiken mit schönen, ursprünglichen Formen, die eine reiche Tradition haben. Alle Stücke, die der Welt der Bauern angehören, stammen aber von einigen wenigen, heute wirkenden prominenten Künstlern. Die Ornamente sind nicht bloße Verzierungen, sondern Symbole: Vögel und Weinranken, Geist und Leben. Ob die . Künstler noch die Bedeutung der alten christlichen Zeichen kennen? Krüge, Teller, Vasen sind mit diesen Mustern versehen. Bei den Keramiken ist jeder Schmuck Ausdruck der Funktion. Einige kleine Figuren, Frauen mit Krügen, wirken schlicht und gar nicht kitschig. Die Gegenstände künstlerischer Metallbearbeitung dagegen, denen die Tradition und Erdverwurzelung der Keramiken fehlt, sind schwächer und können nicht überzeugen. Dergleichen machen wir in Oesterreich besser.

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