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Wieder Weltgeltung

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In der Ausstellung „Wiener Geschmack — Wiener Form“ wurden 1964 Keramiken, Stoffe, Leder- und Galanteriewaren, Schmuck, modische Accessoires usw. ausgestellt. Diese Objekte erforderten eine architektonisch ein-. heitliche Zusammenfassung, die in einem Stützensystem aus verleimten Holzlamellen gefunden wurde, für das verschieden dimensionierte und kombinierbare Plexiglaswannen und -Vitrinen entwickelt wurden, die man ebenso wie Paneelplatten nach einem Baukastensystem einhängt. Eine mit dem Stützensystem verbundene Lichtrasterdecke sorgte für eine blendungsfreie genügende Beleuchtung und bewirkte, daß in dem hohen Barockraum der für diese Ausstellung gemieteten „Winterreitschule“ im Wiener Messepalast der „Ausstellungsbau“ wie ein eigener niedriger, liegender Körper aussieht.

Dieses System hat sich im Vorjahr bewährt und wurde daher auch heuer (übrigens dazwischen auch für eine andere Ausstellung) in andersartiger Zusammensetzung und so den

neuen Umständen angepaßt wieder verwendet.

Mit der heurigen Ausstellung, die gleichfalls während der Wiener Festwochen in der Zeit vom 26. Mai bis 20. Juni gezeigt wird, verfolgt das Win Wien seine Absicht weiter. Diese Exposition steht unter dem Titel „Wiener Form 65“ und in ihr werden vornehmlich Dinge gezeigt, die der Mensch für die Gestaltung seiner Freizeit gerne hat: Sportgeräte, Spielzeug, Schmuck, Musikinstrumente, Gläser, Bestecke, festliche modische Accessoires. Denn schließlich ermöglicht ja gerade die Freizeit die Muße, um die gute Form der Geräte und Gegenstände wahrzunehmen, sich an ihr zu erfreuen, sie zu wünschen und zu vermissen, wenn sie fehlt.

In der Hauptsache hat der Veranstalter sich für die heurige Ausstellung folgende drei Aufgaben gestellt:

Es soll wiederum der Versuch unternommen werden, den in- und ausländischen Fest-

wochenbesuchern einen informativen Uberblick über jene Produkte des Wiener Gewerbes und Handels aus den aufgezählten Gruppen zu bieten, die aus gutem Material hergestellt und meisterhaft gearbeitet sind, darüber hinaus aber auch vom Standpunkt der Formgebung jeden internationalen Vergleich bestehen können.

Die konzentrierte Schau soll die österreichischen, vornehmlich aber die Wiener Erzeuger ermuntern, zur Auseinandersetzung mit dem Gezeigten herausfordern, zu Vergleichen mit ihren eigenen Produkten veranlassen, sie vielleicht auch für ihre weitere Arbeit befruchten.

Die Ausstellung — mit einem Flächenausmaß von zirka 1700 Quadratmetern und einigen hundert Exponaten — strebt schließlich nicht darnach, nur eine Darbietung jener Artikel zu sein, die sich augenblicklich durch große Verkaufserfolge auszeichnen. Vielmehr ist es ein Bemühen der Veranstalter, den Unternehmer, aber auch den Entwerfer davon zu überzeugen, daß sich auch jene Produkte zufriedenstellend absetzen lassen, die in jeder Beziehung erstklassig sind und daher dem Käufer bleibende Freude bereiten.

Die Darbietung von Erzeugnissen in der Ausstellung „Wiener Form 65“ soll den beteiligten Firmen Ansporn sein, in ihrem Bemühen um die Herstellung materialgerecht be- und verarbeiteter, formal befriedigender Erzeugnisse fortzufahren. Um die in Frage kommenden Wiener Betriebe noch stärker zu ermutigen, werden heuer Staats- und Kammerpreise für die besten Leistungen verliehen. Die Staatspreise stiftet das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau. Eine aus österreichischen Fachleuten bestehende Jury beurteilt die Exponate.

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien widmet ihre Preise jenen Erzeugnissen, die von einem aus namhaften ausländischen Experten zusammengesetzten Kollegium prämiiert werden. In die Jury für die Kammerpreise wurden demnach Fachleute aus Finnland, Spanien, BRD, Niederlande, Frankreich und der Schweiz eingeladen, deren Ruf über die Grenzen ihres Landes hinausreicht. Die Juroren besitzen alle einen internationalen Überblick und gewährleisten damit die erwünschte Objektivität und erforderliche Unvoreingenommenheit für ihre

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Wenn man bei der heurigen Ausstellung um einen Schritt weitergeht und eine aus internationalen Fachkräften zusammengesetzte Jury die Güte und den Rang österreichischer Erzeugnisse beurteilt und bewertet, so ist das gewiß ein Novum und wird ebensoviel Empörung wie Zustimmung auslösen. Selbstverständlich gibt es für diesen Entschluß eine Begründung. Wir befinden uns gegenwärtig auf einem Höhepunkt der industriellen Entwicklung, von dem aus die nächste Stufe, die Automation mit ihren Begleitumständen und Folgen, sich ziemlich deutlich erkennen läßt. Automation bedeutet nicht zuletzt Steigerung des Sozialproduktes, mehr Geld und mehr Freizeit für den einzelnen. Die technische Perfektion der Maschinen und Geräte wird kaum mehr überboten, ein Unterschied kann in erster Linie nur in der Form und der Farbgebung, also in der Gestaltung gefunden werden.

Österreich hat eine Tradition der guten Form, die die Erzeugnisse der Vorgründerzeit und der Jahrhundertwende begründeten. Und für ein kleines Land, das sich großangelegte

automatisierte Anlagen weniger leisten kann als gute Gewerbebetriebe, liegt der Schwerpunkt des Exportes sicher auf dem Sektor geschmacklicher Ausstattung und Formgebung der erzeugten Artikel. Wir erhoffen uns von einer solchen Jury ein Urteil sine ira et studio, das überzeugt und unseren Handwerksbetrieben Ansatzpunkte dafür gibt, wie die Erzeugnisse wienerischer Provenienz sein sollen, um international geschätzt und begehrt zu werden. Da eine solide Basis für den Export ein gesunder Binnenabsatz ist, brauchen wir ein kritisches, qualitätsbewußtes inländisches Käuferpublikum, das — in Wechselwirkung — eine ideelle und materielle Aufwertung des Gewerbes bewirkt. Um auf die Bestrebungen zur Erreichung der guten Form aufmerksam zu machen und die Besucher darüber zu informieren, wurde für die Ausstellungsdauer ein“ Vortragsprogramm mit besten in- und ausländischen Fachleuten als Referenten ausgearbeitet. Folgende Themen wurden und werden behandelt: Am 31. Mal 1965 Architekt Jakob Zweifel: „Probleme und Möglichkeiten einer thematischen Ausstellung,

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