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Die Form wird geehrt

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Es hat den Anschein, daß der Begriff der „Formgebung“ in den letzten Monaten nunmehr endgültig aus dem Schatten suspekter Geheimbündelei von Architekten und Ästheten herausgetreten ist und nun auch in Österreich mit sehr wichtigen kulturellen, aber vor allem auch wirtschaftlichen Tatsachen in Zusammenhang gebracht wird.

Daß dies mit der landesüblichen Verspätung geschah, soll hier nicht länger beklagt werden; noch ist es nicht zu spät, und die Hauptsache ist, daß sich an vielen Orten gleichzeitig Initiativen regen, die dem „Design“ die richtige Einschätzung in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft sichern. Wenn dabei manchmal über das Ziel hinausgeschossen wird oder Experimente nicht auf Anhieb gelingen, darf das kein Grund zur Entmutigung sein — im Gegenteil, es zeigt, daß auf diesem Gebiet noch viele Möglichkeiten auszuschöpfen sind. Der Jahresbericht des Österreichischen Institutes für Formgebung führt eine imposante Reihe von Aktionen an, die einerseits einen Leistungsnachweis über schon durchgeführte Projekte darstellen, anderseits eine Fülle von Anregungen zur Weiterarbeit bieten. Was aber vielleicht noch wichtiger ist: Es ist nicht mehr eine einzige Institution, die auf die Bedeutung der Formgebung hinweist, sondern eine Reihe öffentlicher und privater Stellen hat Ideen aufgegriffen, selbständige Projekte entwickelt und versucht so von vielen Punkten aus diejenigen, die es angeht, nämlich die produzierende Wirtschaft einerseits und den Konsumenten anderseits, zu erreichen.

Selbstverständlich tragen große internationale Veranstaltungen dazu bei, das Wettbewerbsbewußtsein und das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken. Die Triennale in Mailand ist ein solches Ereignis. Zwar hat die mit einjähriger Verspätung 1964 veranstaltete Exposition durch eine sehr schwierige und vielschichtige Thematik, nämlich „Freizeit“, die Zielsetzung der Triennale in den Augen vieler Kritiker in Frage gestellt. Als eine Ausstellung moderner Architektur, moderner angewandter Kunst und modernen Industrial Designs hat diese Veranstaltung eine Tradition, die durch eine überwuchernde Ausstellungstechnik gefährdet ist. Die österreichischen Veranstalter (Wirtschaftsförde-rungsinstitut der Bundeskammer, der Gewerblichen Wirt schaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesrrrrnisterium für HmdeT~un'a' -Wieder1-“ aufbau, dem Bundesministerium für Unterricht und der Stadt Wien — Regierungskommissär Generalkonsul DDr. Haslinger, Architekt Fritz Goffitzer) haben indessen in völlig eindeutiger Weise zu erkennen gegeben, daß man in Österreich an der grundsätzlichen Aufgabenstellung — nämlich eine Schau hervorragender Gebrauchsgegenstände zu zeigen — festhalten will. Trotz aller Schwierigkeiten konnte Österreich beachtliche Erfolge erzielen. Es wurden drei Goldmedaillen verliehen (für Raumgestaltung durch Architekt Fritz Goffitzer, Linz; der Firma Eumig, Wien; Firma C. Reichert, Wien) und fünf Silbermedaillen (Firma Anger OHG, Atelier Krausneker, Neuzeughammer Amboßwerk, Stadler/Goffit-zer, Werkgenossenschaft Stubai). Wichtiger aber noch als die Medaillen ist die Tatsache, daß in der österreichischen Abteilung laufend Anfragen von interessierten Käufern einliefen und daß die internationale Fachpresse einhellig die hervorragende Formqualität der österreichischen Exponate bestätigte.

Im Jahre 1964 fand auch ein Ausstellurigs-programm den Abschluß, das vom Wirt-schaftsförderungsinstitut der Bundeskammer gemeinsam mit dem Institut für Formgebung zusammengestellt worden war und unter dem Titel „Form und Funktion“ in verschiedenen Bundesländern gezeigt wurde. Das Wirt-schaftsförderungsinstitut der Kammer Wien wieder veranstaltete zur Festwochenzeit eine Ausstellung „Wiener Geschmack — Wiener Form“, die vor allem die lokale Leistung hervorzuheben bemüht war. Im Ausland sind Beteiligungen an der internationalen Ausstellung im Zentrum „Form“ in Stuttgart, an einer Designausstellung in Laibach, einer, kleineren Ausstellung preisgekrönter Objekte in Mailand zu erwähnen. Schon allein die Tatsache, daß an so vielen Orten Österreich vertreten und anerkannterweise gut vertreten ist, zeigt, daß hier zahlreiche Kräfte am Werk sind.

Staatliche Stellen fördern und unterstützen die Bemühungen um eine Qualitätsverbesserung auf dem Wege der Formgebung in aller erdenklichen Weise. So hat das Bunidesmini-sterium für Handel und Wiederaufbau anläßlich einer Ausstellung des Österreichischen Bauzentrums abermals einen Staatspreis für gute Form an die Firma Johann Svoboda, ■St. Pölten, verliehen. Ehrenpreise erhielten die Firmen Grabner und die österreichischen Werkstätten, und eine besondere Aberkennung wurde den Firmen Mossböck KG, Freistadt, Richard Stiendl, Graz, und Wohnkunst, Wien, ausgesprochen. Man darf sicher sein, daß diese Auszeichnungen, zusammen mit Vorträgen, Seminaren, Stipendienaktionen, ihre Wirkung auf die noch zögernden Produzenten nicht verfehlen werden.

Im laufenden Jahr ist eine weitere Intensivierung der Aktivität in Sachen Formgebung zu erwarten. Die Tatsache, daß das österreichische Institut für Formgebung im September 1965 den 4. Internationalen Kongreß der ICSID — der internationalen Formgebungsvereinigung — organisiert, hat eine ganze Kettenreaktion von Projekten ausgelöst. Gleichzeitig mit dem Kongreß wird im österreichischen Bauzentrum eine internationale Ausstellung gezeigt, die so wie auch der Kongreß unter dem Titel „Design und Öffentlichkeit“ stehen wird. Was aber für die Arbeit in Österreich von noch viel größerer Bedeutung ist: Die für die erwähnte Ausstellung im Bauzentrum errichtete Halle wird im Anschluß daran eine permanente Ausstellung gut gestalteter österreichischer Erzeugnisse aufnehmen. Nach dem Vorbild ähnlicher Institutionen im Ausland, wie etwa das „Design Centre“ in London, werden dort die von einer Jury ausgewählten Produkte zur Diskussion gestellt, sie werden dem Käufer wie auch dem Hersteller, aber auch dem ausländischen Besucher ständig einen Überblick über das Leistungsniveau der österreichischen Produktion bieten und diese Leistungen sicherlich stetig heben. Das Österreichische Institut für Formgebung wird für diese Ausstellung verantwortlich sein, das österreichische Bauzentrum wird die Organisation und die Verwaltung durchführen.

Ein paar Monate früher, wieder zur Festwochenzeit, veranstaltet das Wirtschaftsförde-rungsinstitut der Kammer Wien seine zweite Ausstellung „Wiener Form“, die, von ähnlichen Blickpunkten ausgehend, vor allem die Erzeugung im Bereich der Bundeshauptstadt repräsentieren will. Daneben ist eine ganze Reihe kleinerer Ausstellungen, Vortragsveran-staltungen und anderer Aktionen geplant, die alle demselben Ziel dienen: dem Begriff oder besser dem Faktor „Form“ in seiner ganzen Bedeutung für die Wirtschaft, aber ebensosehr auch für die Kultur, ja für die gesamte Lebensweise des modernen Menschen zum Durchbruch zu verhelfen.

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