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WIRTSCHAFTSSTRUKTUR GIBT DEN TON AN

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Österreichisches Design ist geprägt von der besonderen Wirtschaftsstruktur. Klein- und Mittelbetriebe sind der Regelfall. Nicht industrielle Massenproduktion von Waren modebedingter Gestaltung steht im Vordergrund. Charakteristisch ist die Erzeugung unverwechselbarer Einzelprodukte von bleibender Designqualität.

Der in der Ausstellung „Design in Österreich 1955-1991" (Gestaltung Emst Beranek und Dietmar Valenti-nitsch) gezeigte Querschnitt durch die letzten vier Jahrzehnte gestalterischen Schaffens in Österreich zeigt diese Qualität auf. Die Ausstellung findet vom 3. Oktober bis Anfang November im Österreichischen Institut für Formgebung in 1070 Wien, St. Ulrichsplatz 4, statt. Entsprechend den ökonomischen und technischen Entwicklungen dieser vier Jahrzehnte wird dargestellt, wie sich Intentionen und Inhalte designbezogener Überlegungen gewandelt haben.

Waren es in den fünfziger Jahren vor allem Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs (Bestecke von Josef Hoffmann, Augarten Service, Gläser von Oswald Haerdtl), die ästhetischer Formgebung zugeführt wurden, so zeigen die folgenden Jahrzehnte eine Hinwendung zur Arbeits- und zur Freizeitwelt. Die Arbeit der Designer richtet sich in zunehmendem Maße auf Gestaltung hochtechnisierter Geräte (Goerz Plotter im Porsche-Design, Svoboda Computer-Arbeitsplatz) und - der zunehmenden Möglichkeit und dem gesteigerten Interesse Rechnung tragend - auf Produkte der Freizeitindustrie.

Stoßkraft des Jugendstils

Design in Österreich - seit 1955 dokumentiert - beweist, daß geschichtliche Erfahrung in Österreich mehr bedeutet als anderswo, daß die Stoßkraft des Jugendstils an Dynamik behält, daß die Trennung von Handwerk und industrieller Fertigung hierzulande keine deflatorischen Ergebnisse liefert, sondern vom Beschauer verlangt, sich mit der Produktionsweise jedes Einzelobjekts zu befassen und keine Querschnittsbeurteilungen zuläßt.

Dies hängt nicht nur mit der Nach-jugendstilgeneration zusammen, die in den fünfziger Jahren immer noch aktiv ist, und nicht nur mit der allgegenwärtigen Restauration dieser Jahrhundertwende-Epoche. Dies resultiert auch aus der ökonomischen Struktur des Landes, wo der Kleinbetrieb eher die Norm darstellt und die wenigen Großbetriebe Produkte erzeugen, deren Gestaltungskapazität im diffusen Licht der Anonymität stecken bleibt. Wahrscheinlich spielen auch Bewußtseinsdefizite eine Rolle, sowohl auf seiten der Industrie, die die Chance des kleinen, unverwechselbaren, mit dem Begriff Österreich verbundenen Produkts zu selten erkennt, als auch auf Seiten des Konsumenten, der im ersten Erfüllungshunger seiner Wünsche wahllos nach der Palette des internationalen Angebots greift und den aktuellen Neuigkeitswert der dauernden Gestaltungsqualität vorzieht.

Mit einzurechnen ist schließlich die Verspätung, mit der Österreich die Entwicklung des internationalen Designs nachvollzög, sowohl was die Anlehnung an die Errungenschaften der autonomen Kunst betrifft als auch was Fertigungstechniken, Marketing und Qualitätsauslese angeht. Daß aber von relativ wenigen Designern innerhalb der letzten vier Jahrzehnte Wichtiges, ja Modellhaftes geleistet wurde, natürlich entsprechend dem geistigen Wollen der Dekaden, ist aus der Präsentation unschwer abzusehen.

Mythos und Dynamik

Innovation ist kein mehr oder weniger zufällig erstandenes Ergebnis, sondern primär eine Haltung. Beweis für einen Formungswillen und ein Konkretisierungswollen, dessen Rentabilität nur riskiert werden kann und dessen Erfolg eher mittel- bis langfristig kontrollierbar ist. Diese Haltung deckt nämlich nicht primär die verkrampfte Entwicklung eines neuerlichen Konsumanreizes ab, sucht nicht in erster Linie nach Variationen des bereits vom Konsumenten Angenommenen, sondern resultiert letztlich aus der Reaktionauf Lebensumstände und Lebenszustände sowie seismographisch vorgefühlte Entwicklungspotenzen.

Dies betrifft ebenso die Funktionalität wie die Anpassung an neue Technologien, die Einbeziehung neuer oder neu kombinierter Materialien, die Integration eines allgemeinen Lebensgefühls in Form gestalterischer Zeichensprache, und damit die Interpretation des gestalteten Produkts im Sinne des Zeitgeistes. Daß dieser nicht nur von den ökonomischen und sozialen Bedingungen bestimmt wird, daß nicht nur Verführung und Manipulation - bis zu Zwängen - ihn prägen, daß auch Unwägbares, Tradiertes wie Determiniertes, Mythos wie Dynamik, individuelle Information und kollektive Identität eine wesentliche Rolle spielen, ist Ursache für das Risiko der gestalterischen Umsetzung, letztlich der Akzeptanz beim Konsumenten. Die Unterwasserkamera und der Grasschi, die Hammerzange, die Behindertenküche und der Systemrucksack stehen für diese Komplexität.

Für ein kleines Land, wie es Österreich nun einmal wirtschaftlich und politisch darstellt, ist die Innovationsbereitschaft als Haltung ein zentraler Teil jener Strategie, die es dem wirtschaftlichen und ökonomischen Potential ermöglichen könnte, im Wettbewerbskonzert der Welt einen entsprechenden Rang einzunehmen. Gestaltung, Design reduziert sich innovatorisch nicht nur auf neu zu entwickelnde Produkte, sondern auf alle geänderten Ausdrucksformen eines neuen Lebensgefühls, gleichgültig, ob materiell oder immateriell formuliert.

Der Autor ist Professor für Kultur- und Geistesgeschichte an der Hochschule für Angewandte Kunst.

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