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Keine Formgebung ohne Planung!

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Jede Produktentwicklung und insbesondere die Produktform entsteht aus dem Zusammenspiel von Produktidee, Technologie und Marktbedingung. Die Vielfalt, Undurchsichtigkeit und Veränderlichkeit dieser Bedingungęp braucht nicht näher erörtert zu werden. Einer falschen Deutung des Begriffs „Formgebung“ sei jedoch entgegengetreten, weil die Auffassungen darüber in vielen Betrieben noch weit auseinander gehen. Formgebung ist nicht Abschluß einer Entwicklungsaufgabe im Sinne einer letzten schönheitskosmetischen Korrektur. Sie ist auch kein Mittel, um technischen Geräten und Maschinen ein modisches Aussehen zu verleihen. Einfach ausgedrückt versteht man unter Formgebung die zweckmäßige und ästhetische Gestaltung eines Erzeugnisses aus seinen funktionellen. technologischen und marktwirtschaftlichen Erfordernissen.

PRODUKTPLANUNG ALS ORGANISATORISCH SELBSTÄNDIGE AUFGABE

Jede Entwicklungsaufgabe im Betrieb bedarf einer gründlichen Vorbereitung, und kein Industrieprodukt kommt auf den Markt, ohne daß es für Produktion und Vertrieb vorher in irgendeiner Weise geplant worden wäre. Insofern bringt die „Produktionsplanung“ nichts Neues. Jedoch erhebt sich die Frage, ob die eingefahrenen Wege von gestern in der Planung für morgen noch ausreichen, marktreife Produktformen zu entwickeln. Diese Frage gewinnt an Bedeutung in der Erkenntnis, daß sich die Qualitätsanforderungen der Käufer ständig erhöhen, die Märkte sich rapid ändern und die

Fertigungsverfahren und Absatzmethoden ständig überholt werden.

Produktplanung als neuer Begriff soll nicht zum Mittelpunkt einer neuen Wissenschaft erhoben werden. Im wesentlichen ist sie eine Neuordnung aller im Betriebsablauf ineinandergreifenden Tätigkeiten für die Entwicklung neuer Produktformen. In sinnvoller Integration und Koordination müssen heute mehr denn je alle Arbeiten von der Idee für ein Produkt über die Auswertung bezüglich der wirtschaftlichen Brauchbarkeit bis zur Entwicklung und Markteinführung zusammengefaßt und zentral überwacht werden. Und dies ist wesentlich: unabhängig und organisatorisch getrennt von der laufenden Produktion!

Zur Orientierung beginnt die Produktplanung im Markt und Verbrauch, wo sie sich die Methoden der Marktforschung zunutze macht. Ihrem Wesen nach gehört sie in die Vertriebssphäre. einer Unternehmung und ist nur aus der Absatz- bzw. Vertriebspolitik eines Betriebes zu verstehen. Für die Neuentwicklung einer Produktform werden demnach marktwirtschaftliche Erkenntnisse mit betriebswirtschaftlichen und betriebstechnischen Erfordernissen aus einer umfassenden Uebersicht heraus integriert.

Die entstehende Produktform ist im „Design“ an funktionale, technologische und marktwirtschaftliche Bedingungen gebunden, wie eingangs gezeigt wurde. Die durch Produktplanung zusammengefaßten und ausgewerteten Ergebnisse werden dem Designer als feststehende Daten für den beginnenden Entwicklungsprozeß vorgegeben. Gleichzeitig dienen sie als Abgrenzung für die sogenannte „freie künstlerische“ Entfaltung des Designers. In diesem Punkt unterscheiden sich nämlich Formgestalter der Industrie von Künstlern der „freien“ Kunst, was nicht ausschließt, daß „freie“ Künstler auch gute Formgestalter sein können. Grundbedingung für die Tätigkeit eines Formgestalters in der Industrie ist jedoch stets die Unterordnung unter die rationale, wirtschaftliche Denkweise eines Industriebetriebs.

Ein Formgestalter wird zwar vor der Entwicklungsarbeit eine intuitive Vorstellung von der endgültigen Produktform haben müssen, jedoch gehört die Spezifizierung seiner Aufgabe in die Produktplanung, ohne die keine ökonomische Produktgestaltung denkbar ist.

10 TIPS FÜR PLANUNG, ENTWICKLUNG UND GESTALTUNG EINER PRODUKTIONSFORM

Es versteht sich von selbst, daß bei der Vielfalt der marktwirtschaftlichen Interessen aller Betriebe kein allgemeingültiges Rezept für Produktplanung aufgestellt werden kann. Jedoch gibt es grundsätzliche Erfordernisse im Marketing für eine Vorgehensweise bei Planung und Entwicklung einer neuen Produktform. Für den deutschen bzw. europäischen Markt liegen noch wenig Erfahrungen vor. Doch lassen sich aus den Erfahrungen amerikanischer Produktionsfirmen wertvolle Anregungen für europäische Verhältnisse ableiten. Die folgenden zehn Tips für Planung, Entwicklung und Gestaltung einer Produktform wurden in Anlehnung an amerikanische Erfahrungen aufgestellt:

•1. Idee und Auswertung. Jede Idee ist wert, erfaßt und untersucht zu werden! Ideenquellen: außerbetrieblich, innerbetrieblich.

2. Einordnung in das Produktionsprogramm. Paßt das neue Erzeugnis in das Firmenprogramm? Prüfe nach Art, Fertigung und Vertrieb. Können vorhandene Einzelteile verwendet werden?

3. Verbrauchs- (Gebrauchs-) Analyse. Analysiere die Verbraucherbedürfnisse und Verbrauchergewohnheiten. Fasse die Ergebnisse nach Möglichkeit exakt zusammen.

4. Spezifizierung des Erzeugnisses. Welche besonderen Produktmerkmale verlangt der Markt nach Funktion und Form?

5. Produktgestaltung. Die „Form" des Produkts ist ein Qualitätsmerkmal, daher kein „Design" ohne Planung! Fasse einen konkreten Entwicklungsvorschlag ab! Sichere die laufende Zusammenarbeit und Abstimmung während der Entwicklungsphase zwischen Geschäftsleitung, Verkauf, Konstrukteur und Formgestalter.

6. Erzeugnisbewertung. Vergleiche die Konkurrenzfabrikate mit den eigenen nach Preis, Form, Leistung, Qualität der Ausführung und Einfachheit der Bedienung. Beurteile vom Standpunkt des Kunden aus.

7. ,.Produktkalender“ (Zeit- und Kostenplan für Produktentwicklung). Beginne keine Entwicklung ohne Zeit- und Kostenplan. Ein Rücklagenkonto „Neues Produkt“ ist notwendig. Wähle den günstigsten Zeitpunkt für die Einführung des neuen Produkts auf dem Markt.

8. Preisfestsetzung. Gehe vom „Optimalpreis“ des Kunden aus.

9. Information über die neue Produktform.

Arbeite rechtzeitig informative Unterlagen für Händler und Verbraucher aus. Uebersetze die „technische Sprache" in eine „Verbraucher“-Sprache.

10. Kontrolle des gesamten Erzeugnisprogramms. Ueberprüfe Typenvielfalt nach Wirtschaftlichkeit. Vermeide Eigenkonkurrenz im Sortiment. Nütze die „Form“ als absatzwirtschaftliches Faktum.

(Auszug aus „Rationalisierung“, München, 10. Jahrg. 1959)

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