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Gibt es eine „österreichische Note“?

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Als vor etwa einem Jahr die Vereinigung . österreichischer Möbelfabrikanten einen Wettbewerb für Möbelentwürfe ausschrieb, wurde die „österreichische Note“ ausdrücklich verlangt, weil man sich gerade davon einen besonderen Exporterfolg erwartete. Als Ernte des Wettbewerbes konnten zwar zahlreiche bedeutsame Entwürfe voll Geschmack und originellen Ideen eingebracht werden, „typisch österreichisch“ waren sie — nach allgemeiner Ansicht — freilich nicht. Gerade die besten Entwürfe hätten ebensogut aus irgendeinem anderen Land stammen können.

Fehlte ihnen tatsächlich das „gewisse Oester- reichische“? Man sollte da nicht zu voreilig antworten. Die Veranstalter des Wettbewerbs haben es — und das mit gutem Recht — vermieden, die „österreichische Note" näher zu definieren. Das „typisch Oesterreichische“ muß sich jede Zeit und jede Formgesinnung neu erarbeiten. Erzwingen läßt es sich nicht. Wenn wir heute vom „österreichischen“ Barock sprechen — an dessen Gestaltung übrigens zahlreiche Ausländer mitgewirkt haben —, so ist dies eine Erkenntnis, die wir erst aus einem zeitlichen Abstand gewonnen haben. Die Baumeister und Bildhauer dieser Epoche wollten Werke schaffen, die auf der Höhe der Zeit waren, sonst nichts. Daß die einheimischen und zugewanderten Künstler in Oesterreich gewisse Sonderformen ausgebildet haben — die zwar vorherrschen, aber keineswegs in jedem Fall angetroffen werden —, ist eine unbeabsichtigte Auswirkung der gewaltigen schöpferischen Potenz, die am Werke war und die den

Zeitgenossen gar nicht recht zum Bewußtsein kam.

Das gleiche gilt von der Wiener Werkstätte, die abermals eine international bewunderte „österreichische Note“ schuf und Ableger in der ganzen Welt hervorbrachte. Auch hier wurde das Zeitgemäße angestrebt. Im Zusammenwirken schöpferischer Persönlichkeiten, die sich als Kollegen oder Rivalen aneinander entzündeten, entstanden zahlreiche Lösungen von Formproblemen, die derselben Geisteshaltung entstammten und daher einen gemeinsamen Nenner hatten. Sie wurden im Nachhinein als typisch österreichisch angesehen.

Ob diese Lösungen tatsächlich nur auf österreichischem Boden möglich waren oder nicht, ist eine rein akademische Frage, deren Beantwortung wohl niemand erschöpfend gelingen wird. Feststeht wohl jedenfalls, daß die heute gerühmte skandinavische Formgebung weitgehend auf der Wiener Werkstätte fußt und einige Oesterreicher bei deren Entwicklung maßgeblich mitgewirkt haben. Ob die zweifellos vorhandene Weiterentwicklung der Gestaltung hauptsächlich der nordischen Atmosphäre oder dem Zeitgeist zu verdanken sei — wer möchte das entscheiden?

War deswegen das Vertrauen nach einer

„österreichischen Note" falsch? Keineswegs, wenn es richtig verstanden wird. Versteht man es als Versuch, den Architekten oder den industriellen Formgeber auf bestimmte Gestaltungstendenzen festzunageln, ihn zum „Stilnationalismus“ und zum „Formenchauvinismus“ zu zwingen, dann ist es abzulehnen. Ist es hingegen eine Aufforderung, sich nicht sklavisch an ausländische Vorbilder zu halten, sondern die modernen Ausdrucksmittel freizügig zu verwenden und selbständig weiterzuentwickeln, so daß man allmählich zu einer „Neudefinition" der österreichischen Note gelangt, dann kann man dieses Verlangen restlos bejahen.

Viele moderne Formgeber sind freilich der Ansicht, daß die zunehmende Industrialisierung und die mit den modernen Transportmethoden zusammenhängende gleichmäßige Verteilung des Rohmaterials die industrielle Produktion auf der ganzen Welt ziemlich uniform machen. Der Standard der einzelnen Länder variiere wohl, aber innerhalb des gleichen Standards seien die Produkte ziemlich ähnlich.

Natürlich ist die unberührte Nebeneinanderentwicklung so völlig verschiedener Formensprachen wie etwa der aztekischen und der europäischen, wie sie etwa im Mittelalter der Fall war, heute unmöglich. Die moderne Technik hat die Welt zu einer Einheit zusammengeschlossen. Die gegenseitige Beeinflussung ist selbst durch den Eisernen Vorhang höchstens zu hemmen, nicht aber aufzuhalten. Aber ebenso wie sich auch in den geschlossenen Kulturräumen in früherer Zeit Sonderformen ausbildeten, ist dies — im Sinne des früher Ausgeführten — auch noch heute durchaus möglich.

Mari kann ' dein1 englischen Designer1 Robert Gutmann zwar vollkommen beipflichten, wenn er erklärt, daß die künstlich „gemachten“ regionalen Sonderformen zwangsläufig im Kitsch enden. Die Behauptung aber, daß regionale Gestaltungstendenzen unmöglich seien, dürfte doch zu weit führen. Bei folkloristischen Einflüssen ist zweifellos Vorsicht am Platze, wobei sich ein „romantisches" Zeitalter wesentlich eher auf das Brauchtum einlassen kann als „aufklärerisches“

wie das unsrige.

Bei der Industrieform in engerem Sinne, also bei Maschinen und Apparaten, ist der formkünstlerischen „Phantasie" natürlich eine engere Grenze gezogen. Hier dominiert die funktionelle „Richtigkeit“ der Form noch mehr als bei Möbeln und sonstigen Gebrauchsgegenständen, bei denen sie aber auch keineswegs vernachlässigt werden darf. Die große Variationsbreite auch im Rahmen des Funktionellen gewährleistet aber dem Formgeber noch immer eine Fülle von Möglichkeiten.

Auf jeden Fall muß die funktionsgerechte Formgebung in Verbindung mit hoher Qualität des Materials und guter Ausführung stehen, ja sie muß geradezu ein Ausdruck dieser beiden anderen Faktoren sein. Nur wenn die „österreichische Note“ aus Form und Qualität besteht, wird sie international erfolgreich sein.

Wenn die Erzeuger nicht Extravaganzen suchen, sondern einfach die gute — weil richtige — Form, und vor allem dem Käufer im Inland nicht zumuten, schlechtere Dinge zu kaufen,

als für den Export vorgesehen sind, dann wird er nicht mehr schwedische oder finnische Produkte suchen, sondern ebenso gern die österreichischen nehmen. Eine zielgerichtete „nationale" Werbung'im In- und Ausland, vor allem aber die Werbung durch die Qualität der Ware selbst werden zum Erfolg dieser Bemühungen beitragen.

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