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Weltmarkt der „Kleinen“

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Die Verdreifachung des österreichischen Exports gegenüber der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg auf derzeit etwa 30 Milliarden Schilling jährlich kann als treffender Beweis gelten, daß österreichische Erzeugnisse auf der ganzen Welt geschätzt werden und daß unsere Erzeugungsbetriebe es verstanden haben, sich auf den Weltmärkten durchzusetzen und zu behaupten.

Für unsere Wirtschaft ist es sehr erfreulich, daß nicht nur der Export von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Erzeugnissen der Großindustrie anstieg, sondern daß es möglich war, eine große Zahl von Klein- und Mittelbetrieben, die sich bisher nur mit der Belieferung des Binnenmarktes befaßten, mit hochwertigen Fertigfabrikaten in den Export einzuschalten. Die große Bedeutung dieser Tatsache kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, daß in Österreich die Klein- und Mittelbetriebe in allen Sparten der Erzeugung weitaus überwiegen.

Von insgesamt 119.325 Produktionsbetrieben in Industrie und Gewerbe entfallen 119.117 oder 99.83 Prozent auf Betriebe unter 500 Beschäftigte. In diesen: 119.117 Betrieben arbeiten etwa 800.000 Arbeitnehmer, das sind 82 Prozent der insgesamt in Produktionsbetrieben beschäftigten Österreicher. Die Zahl der in Klein- und Mittelbetrieben tätigen Österreicher ist aber insoferne noch weitaus größer, als in einer die wirkliche Bedeutung dieser Betriebe beleuchtenden Aufstellung auch die Betriebsinhaber mitgezählt werden müßten. Eine nicht geringe Anzahl von Erzeugungsbetrieben arbeitet ja ohne Angestellte bzw. nur mit mitarbeitenden Familienmitgliedern, und die Leistung des Betriebsinhabers ist auf jeden Fall in den Klein- und Mittelbetrieben von entscheidender Bedeutung. Bei Berücksichtigung der Betriebsinhaber erhöht sich die Zahl der in kleineren und mittleren Erzeugungsbetrieben tätigen Österreicher auf mehr als 900.000.

Die Erzeugnisse der Klein- und Mittelbetriebe sind äußerst mannigfaltig. Sie reichen von kunstgewerblichen und modischen Bijouteriewaren und hochwertigen Textil-, Leder- und Sporterzeugnissen aller Art bis zu den höchstentwickelten Spezialerzeugnissen auf dem technischen Sektor, wie etwa elektrische und elektronische Geräte, medizinische Geräte, Meßinstrumente, Motoren, Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen für alle Fertigungssparten und vieles andere. Diese Klein- und Mittelbetriebe sind wegen ihrer Führung durch hochqualifizierte Fachleute und wegen der großen Zahl ihrer bestens ausgebildeten Mitarbeiter äußerst anpassungsfähig und bilden eine Stütze der österreichischen Wirtschaft.

Obwohl die Klein- und Mittelbetriebe nach den enormen Schäden und Zerstörungen, die der Weltkrieg und die nachfolgende Besetzung mit allen Unsicherheiten brachten, früher als die Großindustrie ihre Arbeit wiederaufnehmen konnten, ist die Umstellung, die sie derzeit zwangsläufig durchführen müssen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit ihren Bestand aufrechtzuerhalten, für sie mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Österreich ist leider ein sehr kleines Land. Der Bedarf des Binnenmarktes ist daher mit dem Binnenbedarf der bevölkerungsmäßig weitaus größeren Nachbarländer nicht zu vergleichen. Durch die vor dem Weltkrieg allerorts betriebene Autarkiepolitik, welche die Exportmöglichkeiten weitgehend be- eiqträchtigte, mußten Sich : die Betriebe seit Jahren vorwiegend auf den kleinen Inlandsbedarf einstellen und konnten die fertigüngS- mäßigen Vorteile der Erzeugung größerer Stückzahlen nicht ausnützen. Die zwangsläufig gegebene Folgerung waren höhere Herstellungskosten, die es wieder verhinderten, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig aufzutreten und dort jene Aufträge zu erhalten, die eine Erhöhung der Produktion und damit eine Senkung der Herstellungskosten gebracht hätten. Die rasante Entwicklung der Technik auf allen Sektoren und insbesondere die Entwicklung auf dem Gebiete der Fertigungstechnik, die sieb besonders bei der Erzeugung größerer Stückzahlen dahingehend auswirkt, daß mit geringerem Aufwand und daher billiger erzeugt werden kann, brachten es mit sich, daß die hochindustrialisierten Nachbarländer ihre Erzeugnisse laufend verbilligten und durch den Einsatz neuer Werkstoffe in vielen Fällen sogar qualitativ verbessern konnten. Neue gefällige und moderne Formen erschienen auf dem Markt und verdrängten ältere Konstruktionen, Mit der Konsolidierung des großen europäischen Marktes und der damit verbundenen Liberalisierung des

Warenaustausches und des Zollabbaues werden auch auf dem inländischen Markt ausländische Waren in zunehmendem Ausmaße angeboten werden und die inländischen Erzeugnisse konkurrenzieren. Die Anpassung der Erzeugnisse unserer Klein- und Mittelbetriebe hinsichtlich Preis, Form und Qualität an jene, die auf dem Weltmarkt erfolgreich sind, ist daher nicht nur deshalb unbedingt notwendig, um Aufträge aus dem Ausland zu erhalten, sondern auch deshalb, um dem wachsenden Einfluß der ausländischen Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu begegnen.

Die vorerwähnten Schwierigkeiten der Umstellung liegen nun darin, daß die Betriebe vielfach neue Werkstoffe und gänzlich neue Erzeugungsmethoden einführen müssen. Sie müssen neue Werkzeuge und Fertigungseinrichtungen anschaffen und in vielen Fällen sogar ihre Modelle und Konstruktionen ändern. Auch der Führungs- und Vertriebsapparat ist vielfach zu klein und den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Es ist leicht einzusehen, daß bei der gegebenen hohen Besteuerung, die eine Kapitalbildung unmöglich macht, und bei der äußerst schwierigen und mit hohen Kosten verbundenen Kreditbeschaffung sowie bei dem bestehenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt es vielen Betrieben fast unmöglich scheint, die notwendigen Maßnahmen auch wirklich durchzuführen.

Wenn es nun trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten einer Reihe von Betrieben bereits gelang, auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen und sich erfolgreich in den Export einzuschalten, so zeigt diese Tatsache, daß ihre Betriebsführer die Situation, in der sich die österreichische Wirtschaft und damit sie selbst sich befinden, erkannt haben und daß sie ihre ganze Tatkraft dafür einsetzten, ihre Erzeugnisse in jeder Weise wettbewerbsfähig zu gestalten. Ihre Interessenvertretungen, insbesondere die Wirtschaftsförderungsinstitute und die Fachorganisationen der Wirtschaftskammer, haben an den bisherigen Erfolgen einen besonderen Anteil.

Sie wardri seit Jahren bemüht, durch eine Reihe von Aktionen dert Betrieben die bevorstehenden Notwendigkeiten und Schwierigkeiten eindringlich vor Augen zu führen, und boten in jeder Weise eine Hilfestellung, die es den Betrieben vielfach erst ermöglichte, ihre eigenen Maßnahmen durchzuführen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die unzähligen Aufsätze technischer und wirtschaftlicher Natur in den verschiedenen Fachzeitschriften und an die vielen aktuellen Broschüren, an die vielen Kongresse, Vorträge und Seminare, die abgehalten wurden, an die umfangreichen, mit großen Mitteln betriebenen Rationalisierungsaktionen und Betriebsberatungen, an die Kreditbeschaffungsaktionen, an die für die Klein- und Mittelbetriebe äußerst wichtigen Arbeiten des Handwerkstechnischen Instituts und des Gewerbeforschungsinstituts an der Hochschule für Welthandel, ferner an die Gemeinschaftsfahrten zu ausländischen Fachmessen, die den Erzeugern die Produkte des gesamten Weltmarktes und die neuesten Fertigungsmethoden vermittelten, und schließlich an die umfangreichen Maßnahmen zur direkten Förderung des Exports. Gerade die letztgenannten Maßnahmen, die den

Klein- und Mittelbetrieben die hohe finanzielle Beanspruchung und damit das Risiko einer Auslandsmessebeteiligung im wesentlichen ab- nahmen, hatten zur Folge, daß viele Betriebe es erstmals wagten, mit ihren Erzeugnissen Auslandsmessen, insbesondere Fachmessen, aufzusuchen und damit das Fundament für Handelsbeziehungen mit ausländischen Interessenten und Handelsfirmen schaffen konnten. Die Betriebe erhalten im Rahmen der Exportförderung nicht nur einen namhaften Beitrag für die Platzmiete der Auslandsmesse, sondern auch wesentliche Beiträge zur Ausgestaltung des Messestandes und bei Überseemessen sogar einen Fahrtkostenbeitrag für die Reise eines Firmenvertreters zum Messeort. Schließlich sei noch erwähnt, daß bei Gemeinschaftsausstellungen vom Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundeskammer Kosten in noch weitgehenderem Ausmaß übernommen werden. Auch zu den Kosten der Übersetzung fremdsprachiger Werbeprospekte wird bei fehlerfreier Übersetzung und guter Gestaltung ein Zuschuß geleistet. Österreich-Wochen im Ausland und Repräsentationsschauen, die das Wirtschaftsförderungsinstitut veranstaltet, tragen ebenfalls wesentlich dazu bei, österreichische Erzeugnisse im Ausland bekannt zu machen und damit die Fertigerzeugnisse der Klein- und Mittelbetriebe zu fördern.

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigten, wurde in Österreich bereits sehr viel unternommen, um trotz der weltweiten Rationalisierung der Fertigung in allen Sparten der Wirtschaft und trotz der in zunehmendem Aüsmaß spürbaren Auswirkungen der Liberalisierung des Handelsverkehrs und des mit der Konsolidierung des Gemeinsamen Marktes verbundenen Abbaues der Zölle die höchst lohnintensiven Erzeugnisse der Klein- und Mittelbetriebe wettbewerbsfähig zu erhalten. Wenn auch beachtliche Erfolge erzielt werden konnten, die sich durch den hohen Stand unserer Exportzahlen und durch die hohe Beschäftigtenzahl repräsentieren, so sind sich die verantwortlichen Stellen dessen wohl bewußt, daß es sich bloß um Anfangserfolge handelt und daß große Aufgaben noch bevorstehen. Die Aktionen müssen in verstärktem Ausmaß weitergeführt werden, und es wird schließlich den gemeinsamen Anstrengungen der Standesvertretung und der Betriebsführer gelingen, die Klein- und Mittelbetriebe wettbewerbsfähig in den großen europäischen Markt einzureihen.

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