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Kauft in Österreich aus Österreich

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Die unselige Fremdenseligkeit und Fremdenhörigkeit des Vorkriegsösterreichers ist auch heute noch nicht überwunden. Das gilt nicht zuletzt für den Bereich der Wirtschaftsgüter. Ebenso wie man gar zu leicht geneigt ist, von der guten alten „Friedenszeit“ zu sprechen, um auf diese Weise die Gegenwart und die Leistungen der Lebenden zu entwerten, ist man gewillt, vorweg und ohne Prüfung des Tatbestandes die einheimischen Waren zu disqualifizieren und tytöftr, ftbaSh Grundaagabe, ,j ausländische“ Güter' vorzuziehen.

Wenn wir nun wieder inmitten einer intensiven Werbung für österreichische Erzeugnisse stehen, sollte das Anlaß zu einem leidenschaftslosen und sachlichen Ueberlegen und nicht etwa zu einer sinnlosen Verabsolutierung des Wertes der eigenen Erzeugnisse sein, die da und dort Mängel aufweisen, die sie auf den internationalen Märkten einfach nicht konkurrenzfähig machen.

Worum es uns jedoch gehen sollte, ist die Organisierung eines Widerspruches gegen die merkbare grundsätzliche Bevorzugung fremder Waren, auch dann, wenn ein einheimisches und qualitätsmäßig wie preislich zumindest ebenbürtiges Erzeugnis vorliegt. Wenn wir von den auf Grund ihrer charakterlichen Mängel stets Uebelwollenden absehen, für die Oesterreich ein Land ist, von dem sie leben, für das sie aber nicht leben, liegt darin der Fehlschluß : W e i 1 etwas aus dem Ausland kommt, deswegen allein ist eine Ware noch nicht besser. Jedenfalls offenbart sich in einer solchen Haltung eine Art Spätinfantilismus, weil auch Kinder die Gewohnheit haben, Dinge, die sie am Eßtisch daheim verschmähen, anderswo mit großem Vergnügen und Wiedergabe von Lauten des Wohlbehagens zu konsumieren.

Es geht daher in erster Linie bei der Aktion „Denkt österreichisch bei jedem Einkauf“ nicht um die Verbesserung unserer Handelsbilanz, es geht nicht um den Wert des Schillings, der sich mit einer zeitweilig über die 100-Prozent-Grenze hinausreichenden Dek-kung unter die Nobelwährungen eingereiht hat. Worum es zuvorderst geht, das ist der Kampf lfm die VeYnaderung unseres Landes durch „Landsleute“ selbst, eine Vernaderung, die auch vor dem wirtschaftlichen Hochverrat nicht haltzumachen in der Lage ist.

Nicht nur in den Ergebnissen der Dienstleistungsbilanz (Fremdenverkehrseinnahmen etwa), sondern in der Warenhandelsbilanz sehen wir die Hochschätzung, welche das Ausland für unsere Waren empfindet. Niemand wird wohl glauben, daß Waren aus Oesterreich nur deswegen vom Ausland erworben werden, weil wir so „liebe“ Leute sind. Im Geschäftsleben wird alle Sympathie und Antipathie beiseitegeschoben. Wir haben tatsächlich Grund, auf die Erzeugnisse einheimischen Gewerbefleißes stolz zu sein. Sicher sind unter den Erzeugnissen unseres Landes Ramschwaren und werden Güter als „österreichisch“ und als „Qualitätsware“ angepriesen, die unserem Land keine Ehre machen. Wenn wir nun solche verunglückte Erzeugnisse von Nichtkönnern mit den importierten ausländischen Waren vergleichen, dürfen wir nicht vergessen, daß auch das Ausland nur das Beste aus dem Katalog seiner Erzeugnisse anbietet und daß wir die Produkte des „Gewerbefleißes“ der Nieten unter den ausländischen Herstellern im allgemeinen auch nicht zu Gesicht bekommen.

Freilich, wenn schon für österreichische Waren geworben wird, darf das nicht in der Weise geschehen, wie es manche Unternehmer tun, die da meinen, die ganze Werbeaktion betreffe ausschließlich ihre eigenen Waren. Wenn sie verkaufen, soll ihre Ware, weil österreichisch, deswegen allein schon gekauft werden. Da, wo sie aber als Käufer auftreten, betonen sie ihre „Objektivität“, mit der sie dann die Bevorzugung ausländischer Waren zu begründen suchen. Wie oft erleben wir es (man frage die Herren von der Maschinenkommission im Handelsministerium), daß Unternehmer, die nachdrückliche öffentliche Förderung genießen, nur Wert auf den Import ausländischer Produkte legen, auch wenn gleichwertige inländische Konkurrenzanbote da sind.

Wir Oesterreicher zeichnen uns durch keine Art von Chauvinismus aus. Auch nicht auf dem Wirtschaftssektor. Daher sollten wir alles vermeiden, was einer Diskriminierung ausländischer Erzeugnisse gleichgesetzt werden könnte. Nur die Diskriminierung der eigenen Erzeugnisse soll beseitigt werden. Niemand denkt daran, aus dem Kauf österreichischer Erzeugnisse eine Art Spendenaktion für unfähige einheimische Erzeuger zu machen. Wo tatsächlich das ausländische Produkt aus Gründen der Preisanstellung oder der Qualität den Vorzug verdient, soll es auch den Vorzug beim Einkauf erhalten.

Noch zwei Dinge seien bedacht:

Erstens widerspricht — wie das manche meinen — die Aktion „Kauft österreichisch“ keineswegs dem Gedanken, der in den Europäischen Gemeinschaften bereits organisatorische Form angenommen hat. Die Bildung übernationaler Märkte hat in Oesterreich stets eifrige Befürworter gefunden, war doch das alte Oesterreich in seiner Wirtschaftsorganisation der erste „supranationale“ Markt der Welt. Nun darf aber der Wille zur Einordnung in eine Großraumwirtschaft nicht als Kapitulation verstanden werden. Ob wir nun Teil der Freihandelszone werden, keine der Institutionen hat etwas davon, wenn unser Land als schwacher Partner den Vertragswerken beitritt. Im Gegenteil. Je stärker unser Land ist, um so mehr Gewinn hat die Wirtschaft Europas.

Zweitens sollten vor allem die Arbeitnehmer wohl bedenken, daß die Bemühungen, die Bevölkerung zu einem österreichischen Denken auch in der Situation des Einkaufens zu bringen, nicht allein eine Sache der Unternehmer ist, sondern gleichzeitig ihre Arbeitsplätze sichern hilft. Schließlich heißt Waren aus Oesterreich kaufen, nach Arbeitskraft österreichischer Arbeitnehmer nachfragen. Gerade in den letzten Monaten hat sich wieder erwiesen, daß die Ansätze zu einer Krise, für deren Ausweitung es keine Landesgrenzen gibt, nicht zuerst durch den Export, sondern vor allem durch den Absatz im Inland beseitigt werden können.

Alle „Kampagnen“ dieser oder jener Art um die Aktivierung der österreichischen Wirtschaft wären sinnlos, wollte man alle Aufmerksamkeit lediglich dem Erzeugen widmen. Ebenso tut not, daß wir einmal das Erzeugte verkaufen und auch kaufen lernen.

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