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Museum — allzu museal

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Nicht nur bei den Erwachsenen, sondern vor allem bei der Jugend herrscht heute reges Interesse allen technischen Dingen gegenüber. Daher erfreuen sich die Technischen Museen in der ganzen Welt eines regen Zuspruchs, denn auch die Entwicklungsgeschichte der technischen Geräte, die für den modernen Menschen ein unentbehrlicher Teil des täglichen Lebens geworden sind, wird heute bereits entsprechend gewürdigt.

Nicht ganz verständlich ist es da, wenn es gerade das weitberühmte Technische Museum in Wien heute da und dort daran fehlen läßt, dieses technische Interesse durch entsprechende Ausstellung und sorgfältige Behandlung der Sammlungen zu pflegen und zu erhalten. Mit welcher Liebe sind andere Museen bemüht, die Schaustücke dem Betrachter nahezubringenl Beim Technischen Museum aber scheint es mitunter am Geist der Zeit zu fehlen. Gerade das aber dürfte bei einer technischen Schaustellung nicht eintreten, denn sie soll ja eine Entwicklungsgeschichte vor Augen führen, die in atemraubendem Tempo fortschreitet. Man könnte sich vielleicht damit zufriedengeben, wenn die vielfach einmaligen Ausstellungsstücke dieses Museums in entsprechender Weise und nach modernen Gesichtspunkten dargeboten würden, also wirklich in würdiger Form in das Blickfeld des Beschauers gerückt wären. Damit wäre schon viel gewonnen. Die offensichtliche Nivellierung aller Ausstellungsstücke erschwert es aber dem Besucher ungemein, die Spreu vom Weizen zu trennen. Gerade für die Jugend wäre eine solche sachgerechte Auswahl wichtig. So aber ist es meist nur dem Fachmann möglich, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen;

Daß eine Reihe von Ausstellungen im Technischen Museum überhaupt gesperrt sind, ist bedauerlich und .nicht bei allen verständlich. Nichte eüizusehemdst ätscht mdäß maa? esisettehls’ des Museums scheinbar übersieht, die modernste Entwicklung, wie sie sich etwa in der Raketentechnik, in den technischen Hilfsmitteln der Atomphysik usw. dartut, dem Publikum in leichtverständlicher Darstellung nahezubringen. Wir sind der Meinung, daß es ohne großen finanziellen Aufwand möglich sein müßte, zumindest entsprechende Leihgaben aus dem Ausland zu erhalten. Im letzten Sommer wurde beispielsweise unter den Arkaden des Markusplatzes in Venedig eine, wenn auch improvisierte, so doch sehr instruktive Ausstellung über die Entwicklung des Flugwesens bis zur modernen Mondrakete gratis gezeigt. Wenn man schon solche Ansprüche nicht stellen will, so müßte es doch wenigstens möglich sein, das vorhandene, wirklich wertvolle Material effektvoller zu bringen. Das Museum verfügt, wie wir wissen, über eigene Werkstätten und über ein erstklassiges Personal, so daß ein Großteil aller notwendigen Arbeiten in Eigenregie durchgeführt werden könnte.

Warum zum Beispiel hat man bis heute keine Automobilabteilung geschaffen, die den bahnbrechenden Leistungen Oesterreichs auf diesem Gebiet ein Denkmal setzt? Derzeit ist man wohl dabei, gewisse Umgruppierungen durchzuführen. Gerade dies aber förderte die betrübliche Tatsache ans Tageslicht, daß im Keller des Museums seit vielen Jahren wertvollste Schaustücke frühester Automobilkonstruktionen rasten und — rosten. Daß sich diese „Garderobe“ auf den Zustand der — zum Teil — Unikate, um die uns andere Museen beneiden, übel auswirkte, ist klar. Nunmehr werden diese Sehenswürdigkeiten in unrenoviertem Zustand dem Publikum in deT in Umbau befindlichen Automobilabteilung zugänglich gemacht. Wenn schon der Oesterreicher dabei die Nase rümpft — wie muß eine solche Ausstellung erst auf den Ausländer wirken!

Aber nicht nur diese Fahrzeuge sind in einem wenig erfreulichen Zustand. Der auf der Welt einmalige zweite Markus-Wagen, das erste Automobil, das sich so nennen darf, ist auf seinen häufigen Auslandsreisen stark verrostet. Der Wert dieses Fahrzeuges für Oesterreich läßt sich in Zahlen gar nicht ausdrücken. Bei solchen Ausstellungsstücken wäre äußerst pflegliche Behandlung eigentlich selbstverständlich. Trotz der zahlreichen Reisen — zuletzt befand sich der

Wagen in Brüssel — könnte er sich in einem besseren Zustand befinden, denn jede Automobilfabrik, die Fahrzeuge per Bahn, per Schiff oder per Achse transportiert, macht sich die Mühe, diese vor allen Witterungseinflüssen durch entsprechende Behandlung zu schützen. Dabei handelt es sich bei letzteren meist nur um Werte zwischen 20.000 und 100.000 Schilling. Beim Markus-Wagen aber geht es um weit mehr. Man müßte also dieses Fahrzeug — wenn es schon transportiert werden muß — einer ganz besonderen Transportbehandlung unterziehen. Schließlich ist dieses Unikat keine Rummelplatzsensation, sondern versinnbildlicht den effektiven Beginn der Weltmotorisierung. Damit ist auch die Pflicht gegeben, dieses Fahrzeug seiner Kostbarkeit entsprechend zu hüten, richtig auszustellen und würdig zur Geltung zu bringen.

Sicherlich wird sich das Technische Museum in Wien, das ja nicht nur einen Anziehungspunkt für Oesterreicher, sondern auch für Ausländer darstellt, unseren aus ehrlicher Sorge wohlmeinend vorgebrachten Ueberlegungen und Vorschlägen nicht verschließen und, wo es nötig ist, Abhilfe schaffen.

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