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Salzburger Museumssorgen

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„Museen sind notwendige Übel.“ „Museen sind prunkvolle Obdachlosenasyle.“ Beide Sätze sind Aussprüche bedeutender Kunstforsdier. Mit dem ersten Satz hat Geheimrat Dr. Georg Hager in München einen seiner berühmten Museumskurse eröffnet, der zweite Satz steht in Hans Sedl-mayrs bekanntem Buch „Verlust der Mitte“. Beide Sätze sind nicht die volle Wahrheit, aber beide enthalten Wahrheiten.

Übel und Obdachlosenasyle sind die Museen deshalb, weil es ja viel schöner und erfreulicher wäre, wenn die „obdachlosen“ Kulturschätze noch mitten im Leben stünden. Und notwendig sind sie, weil ohne sie das gesamte, in ihnen geborgene Kulturgut überhaupt verloren wäre oder im Altwarenhandel verschwände.

Man kann aber immerhin manches tun, daß der Eindruck des Obdachlosenasyls zurückgedrängt werde. Hager hat für diese Absicht den „Raumgeist“ beschworen. Er sagte: „Weil die im Museum aufgestellten Stücke hier ja doch nur ein Scheinleben führen, muß Pietät und liebevolle Ehrfurcht dieses Scheinleben wenigstens in eine Umwelt setzen, deren Raumgeist etwas vom Leben der einstigen wirklichen Welt jener Kulturgüter atmet.“ Solchen Raumgeist wird man am ehesten in schönen alten Bauwerken waltend finden. Hager lehrte uns daher, Museen möglichst in Burgen, verlassenen Klöstern oder Patrizierhäusern, in kleineren Orten, auch in guten, alten Bürgerhäusern oder Tortürmen aufzustellen. Die Hagersche Auffassung hat sich seither in weitem Ausmaße und mit Erfolg durchgesetzt. Und mir will scheinen, daß diese bewährte Lehre des verewigten bedeutenden Museumsfachmanns, der noch Schüler und Mitarbeiter W. H. Riehls gewesen ist, auch die wichtigste Richtung zur Lösung der Salzburger Museumssorgen andeuten könnte.

Das Salzburger Städtisdie Museum war bis 1944 in einem nicht sehr glücklichen Neubau auf dem Franz-Josefs-Kai aufgestellt. Das Gebäude ist im Spätherbst 1944 durch zwei Bombentreffer völlig zerstört worden. Glücklicherweise waren die sehr kostbaren Bestände diese Museums rechtzeitig an verschiedenen Orten geborgen worden, so daß sie zum größten Teil gerettet sind. Es fällt daher auf, daß die internationale Fremden- und Festspielstadt Salzburg, soweit wir sehen als die einzige von allen österreichischen Bundesstädten, ihr Museum noch nicht einem Wiederaufbau zugeführt hat. Man weiß ja doch, daß die Stücke durch eine allzulange Deponierung schwer leiden können.

Weil mir das Salzburger Museum seit Kinderzeiten sehr am Herzen liegt und weil ich die Ehre hatte, die nichtstaatlichen Museen Österreichs in der UNESCO vertreten zu dürfen, habe ich mich an verschiedene Salzburger Freunde mit der Bitte um Nachrichten gewendet. Aus diesen entnehme ich nun, daß die Sache vor allem an den Kosten eines entsprechenden Neubaus scheitert, die mindestens zwölf Millionen Schilling betragen würden; ganz abgesehen davon, daß dafür überhaupt kein geeigneter Platz zur Verfügung stünde. Mir war diese Antwort nur recht, denn ich konnte nun um so kräftiger für den anderen, schon seit Jahren ausgesprochenen Vorschlag eintreten, das Museum eben nicht in einem Neubau und nicht in der Stadt, sondern in der Hohen-Salzburg neu aufzustellen. Aber ich erfuhr, daß man auch dagegen allerlei Einwände, wie Feuersgefahr, Beförderungsschwierigkeiten, Stillegung während des Winters usw., geltend mache. Aber ich erfuhr außerdem auch sichere Nachrichten, daß sich alle diese Bedenken beheben ließen, ja daß sogar bereits ein bis in alle Einzelheiten ausgearbeiteter Plan eines heimischen Architekten für die Aufstellung auf der Festung vorliege und die B i 11 i g'u n g des Bundesdenkmal amts gefunden habe. Warum also zögert man mit der Ausführung dieser Lösung, um die uns iede Stadt beneiden muß? Wenn ich alltj meine Antwortbriefe zusammenhalte, so glaube ich, auch wenn es in keinem ausdrücklich ausgesprochen ist, ihnen dodi entnehmen zu müssen, daß gar nicht nur sadi-liche Bedenken, sondern auch persönliche und parteipolitische Streitereien imd Eifersüchteleien dabei keine geringe Rolle spielen.

Und deswegen wende ich mich hiemit an die Öffentlichkeit: Das Salzburger Museum ist keine bloße Lokal-, sondern es ist eine gesamtösterreichische, ja darüber hinaus eine europäische Kulturangelegenheit.

Wer etwa das Museum in Burghausen oder das vorbildlich aufgestellte L i e n z e r Ortsmuseum auf der Burg Bruck kennt, dem muß es klar sein, was es bedeuten würde, wenn die sehr wertvollen und reichen musealen Sammlungen der Stadt Salzburg auf der Festung aufgestellt würden. Ein herrlicher Rahmen und ein kraftvollerer „Raumgeist“ ist für ein Museum nicht denkbar...

Man schreibt mir unter anderem, daß heute manche Besucher der Hohensalzburg enttäuscht würden, weil sie in diesem herrlichsten Burgenbau so viele öd- und leerstehende Räume fänden. Welch gewaltigen, ja einmaligen Eindruck aber müßte jeder Besucher mit heimbringen, wenn er zu dem berückenden Ausblick aus den Fenstern dieser unvergleichlichen Festung auch noch durch die Schätze des Museums einen ebenso gewaltigen Tiefblick in die altehrwürdige Vergangenheit dieser Stadt empfangen würde! Ohne Zagen wage ich 2u prophezeien, daß dieses Museum auf der Hohensalzburg — gute und richtige Aufstellung vorausgesetzt — eines der eindrucksvollsten in ganz Mitteleuropa werden könnte. Es erübrigt sich, zu sagen, welchen Zuzug heimischer und fremder Besucher das zur Folge hätte. Er würde nicht nur alle Kosten reichlich verzinsen, sondern er würde auch Tausenden unschätzbare Bildungswerte vermitteln.

Alles in allem: ein Kulturwerk würde da entstehen, das alle Bedenken und Eifersüchteleien verstummen lassen müßte, weil es Österreichs würdig wäre.

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