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Österreichischer Kunstbesitz in Stockholm

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Stockholm, Mitte Juni Schon dauert die Ausstellung „Kunstschätze aus Wien” seit Anfang Mai und noch immer bewahrt sie ihre Anziehungskraft auf immer neue Scharen von Besuchern. Bis August wird sie noch dauern. Österreich hätte nicht eindrucksvoller sich vorstellen, nicht liebenswürdiger um die Sympathie und Freundschaft des ‘schwedischen Volkes werben können als mit dieser Ausstellung, diesem geistigen Spiegel von dem, was Österreich war und ist.

Der Direktor des schwedischen Nationalmuseums und Vorsitzende des Arbeitskomitees, Erik Wettergrün, schrieb in seinem Vorwort zum Katalog, in dem er über das Zustandekommen der österreichischen Ausstellung und ihre küntlerische Bedeutung für Schweden berichtet:

„Der Krieg, den Winston Churchill ls ,den unnötigen bezeichnet hat, brachte uns allerdings auch eine positive Auswirkung. Die teilweise Evakuierung unseres Museums ermöglichte es, das Publikum mit der Kunst verschiedener Länder und verschiedener Zeiten bekanntzumachen. Bei keiner der bisherigen Gelegenheiten hat jedoch dieses Privilegium ein derartiges Ausmaß angenommen als diesmal, wo wir unsere Säle den Kunstschätzen öffnen durften, die Jahrhunderte hindurch gesammelt wurden als Ausdruck der Macht und der kulturellen Bedeutung der österreichischen Monarchie, der Kunstliebe eines Herrschergeschlechtes, das — wie es an anderer Stelle heißt— durch vier Jahrhunderte den vornehmsten Thron Europas innehatte. Gerade jetzt, da das allgemeine Interesse für künstlerische Werte immer weitere Kreise unseres Volkes umfaßt, sind dem Reiseverkehr schwere Hemmnisse erstanden. Da ergreift die österreichische Regierung ganz resolut den entgegengesetzten Ausweg. Sie läßt — während die Bombenschäden an den Musealgebäuden in Wien behoben werden — die weltberühmten Kunstsammlungen die Wege beschreiten, die dem Reisepublikum vorenthalten sind und erweist dadurch dem geistigen Wiederaufbau Europas einen unschätzbaren Dienst. Ein Volk, das durch die beiden Weltkriege so schwer zu leiden hatte, gibt hiemit ein Beispiel, welches auch die Bannerträger der Ideologien und des Machthungers zur Besinnung bringen sollte.

Die österreichischen Abstellungen, die in Zürich, Brüssel, Amsterdam, Paris und jetzt in Stockholm veranstaltet wurden, hatten —• wenn auch ihr Kern, die Gemälde, ziemlich konstant blieb — jede ihren eigenen Charakter. Als besondere Liebenswürdigkeit gegenüber unserem Lande, mit welchem Österreich während und nach den beiden Weltkriegen so lebendige Verbindung pflegte, wurde diese Ausstellung für Schweden inhaltsvoller gestaltet als für irgendein anderes Land. Insbesondere wurden Kunstgegenstände beigefügt, welche mit Schwedens Geschichte und der älteren schwedischen Sammlertätigkeit im Zusammenhang stehen, außerdem noch eine blendende Sammlung von Bildteppichen und Kleinodien aus der Schatzkammer.

Gewiß sind auch wir mit Recht stolz auf unsere französischen, holländischen und flämischen Kunstwerke, allein für ein Museum, das nicht ein einziges Werk von Tizian, Velazquez, Giorgione besitzt und nur wenige von Veronese, Tinto- retto, Rubens und v a p Dyck, bedeutet es ein unschätzbares Glück, Arbeiten dieser Meister zeigen zu können, von denen nur ihre Ursprungsländer Gleichwertiges aufzuweisen haben. Mit ähnlichen Gedanken steht man vor weltberühmten Gemälden eines Jan van Eyck, Albrecht Dürer, Gerard David, Peter Brueghel d. Ä., Vermeer van Delft oder vor einer Auswahl aus den über 900 aus den kaiserlichen Sammlungen stammenden Bildteppichen oder von den uns den Glanz verfeinerter Hofkultur veranschaulichenden Riesenprunkstücken aus Bergkristall, den farbenreichen Arbeiten in Lapislazuli, Heliotrop und anderen Halbedelsteinen, den edelsteingezierten Kleinodien, welche uns mit ihrer Pracht schier betäuben, oder den fein geschnittenen Kameen, den herrlich ziselierten Bronzen, den reich illuminierten Handschriften (aus der Nationalbibliothek), den kostbaren Handzeichnungen (aus der Albertina, der größten derartigen Sammlung der Erde) oder schließlich den historischen Prunkstücken aus der Waffensammlung. Alles das öffnet uns eine neue Welt von Schönheit, ein für die meisten von uns bisher verschlossenes Buch.”

Die Organisation dieser Ausstellung erforderte Vorarbeiten, über deren Umfang und Verantwortung sich der Laie keine Vorstellung machen kann. Sie wurden den österreichischen Museumsvertretern erleichtert durch die kollegiale Zusammenarbeit ihrer schwedischen Fachgenossen, von denen das Vorwort des Katalogs rühmt, daß sie mit wahrem Enthusiasmus und überwältigender Liebenswürdigkeit ans Werk gingen. Die Überführung des Ausstellungsmaterials, deren unermeßliche Werte von keiner Ver-sicherungsgsellschaft hätten gedeckt werden können, gestaltete sich ziemlich kompliziert, da ein Teil ans Paris, der andere aus Wien heranzuschaffen war. Die möglichst gesicherte Durchführung dieser Transporte setzte das internationale Zusammenwirken verschiedener diplomatischer, ministerieller, zoll- und verkehrstechnischer sowie polizeilicher Stellen voraus, ein erfreulicher Beweis dafür, daß die westliche Kultur über willige Kräfte für die Zusammenarbeit zwischen den Völkern verfügt.

Zu der Freude über den großen Erfolg der Ausstellung gesellt sich für jeden Österreicher die Genugtuung, daß unser Land mit dieser Darbietung an das gastliche Schweden wenigstens einen Teil unserer Dankesschuld gegenüber dem schwedischen Volk abtragen konnte für die unzähligen und großartigen Beweise warmer Menschlichkeit und tätiger Nächstenliebe, die Österreich in den schweren Zeiten nach zwei Weltkriegen empfangen hat.

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