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„Thematische Ausstellungen, Kritik an uns selber

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FURCHE: Wie wir hören, empfinden Sie den Galeriebetrieb, wie er derzeit läuft, als überholt. Warum?

OBERHUBER: Ich halte den gesamten Kulturbetrieb, seien es Theater, Konzerte, oder eben Galerien für überholt. — Galerien fungieren als Übermittler, als Stelle, die Kunst an den Mann zu bringen. Sie sind aus Freundschaften mit Künstlern hervorgegangen, aus der persönlichen Betreuung, wie etwa Kahnweiler oder auch Mauer. Ich glaube aber nicht, daß die Künstler das heute brauchen. Der etablierte Künstler wendet sich gern an anonyme Verkaufsgalerien, die haben mit „idealistischen“ Galerien, wie diese hier, nichts zu tun. Junge Kräfte haben materielle Schwierigkeiten. Um einen Jungen durchzuboxen, braucht man einen guten finanziellen Rückhalt. Wir können die Künstler auch nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt halten. Natürlich wollen wir dabeibleiben, junge, neue Leute vorzustellen. Wir müssen aber viele abweisen.

FURCHE: Sie waren kürzlich in Deutschland, haben Sie sich dort neue Ideen geholt, ein Vorbild gefunden?

OBERHUBER: Nein, es gibt keine neue Bewegung. Sehr viele Galerien, die so wie wir arbeiten, zeigen starke Ermüdungserscheinungen.

FURCHE: Aber hier wachsen doch die Galerien wie Schwammerln aus dem Boden.OBERHUBER: Immer, wenn etwas überbetont wird, kündigt sich ein Niedergang an. Sie wollen alle etwas anbieten und haben dann kein Gesicht mehr. Auch ist es unrealistisch, im eigenen Brei zu wirtschaften. Man muß nicht von jedem, der malt, gleich ein Blatt zeigen. Die Leute sollten erst warten, bis sie eine Linie haben. Mondrian hat erst zwei Jahre vor seinem Tod seine erste Ausstellung gemacht, zu einem Zeitpunkt, da sein ganzes Oevre bereits vorhanden war. — Je schlechter die Qualität ist, desto leichter verkauft sich ein Werk. Realisten, die hat es zu jeder Zeit gegeben, die sind so schnell abzusetzen, noch bevor sie in eine Galerie kommen. — Die Galerie nächst St. Stephan hat sich immer mit Extremen beschäftigt, mit Dingen, die nicht leicht absetzbar sind. Die neuen Trends werden weiterhin eine wesentliche Funktion der Galerie bilden. — Eine Ermüdungszeit ist notwendig, damit sich etwas Neues aufbauen kann. Ich sehe heute noch nicht, wo das zu finden ist. Es gibt viele Dinge im Reiche der konstruktiven Kunst, wo sich Neues ergeben kann, etwa aus der Concept- oder Minimumart, in Richtung Levitt etwa.

FURCHE: Haben Sie schon eine Idee, was Sie in der Galerie nächst St. Stephan machen wollen, um fruchtbringend zu arbeiten?

OBERHUBER: Ja, ich habe eine Menge vor. Ich möchte mich vor allem mit den gesellschaftspolitischen Trends beschäftigen, die die Zeit prägen. Ich werde mit meinen Studenten Untersuchungen anstellen, die mit unserer Gesellschaft im Zusammenhang stehen, Dinge, die uns alle beschäftigen. Wir werden Kunstkritik und Kunstinformation untersuchen, wieweit wir richtig informiert werden, was im Ausland geschieht, und wie gering die Tätigkeit der bildenden Kunst als Antwort darauf ist. 60 Galerien tun in dieser Hinsicht einfach nichts, die Zeitungen informieren nicht richtig. Ich will beweisen, daß nichts geschieht und will gleichzeitig die jungen Leute in der Kritik schulen.

— Der zweite Gedanke, der mich beschäftigt, ist: Wieso ist die konstruktive Richtung in Österreich nie beachtet worden, und warum wurde sie stets abgelehnt? Immer wenn ich in der Galerie jemanden vorstellte, der nicht kulinarisch, sondern rein intellektuelle Äußerungen machte, der wurde unter den Tisch gefegt. Man kann dies sowohl bei der Kritik, wie beim Publikumsbesuch feststellen. — Ich strebe thematische Ausstellungen an, ich will Kritik an uns selbst, an unserer Umgebung, an den Kritikern, die sie reflektieren.

— Die Galerie kann nicht nur eine Klein-Kinder-Bewegung sein. Wenn sich jedoch so etwas wie die utopische Architektur zeigt, wenn etwas Spezifisches hervorbricht, werden wir da sein. Auch wenn sich eine starke Persönlichkeit manifestiert, werden wir den Künstler vorstellen.

— Die Galerie feiert im Herbst ihren zwanzigjährigen Bestand. Aus diesem Anlaß werden wir drei Retrospektiven, drei weltbekannte Österreicher, die man hier nur wenig kennt, ausstellen. Sie haben allesamt das Kunstgeschehen mit neuen Ideen grundlegend beeinflußt.

Das Gespräch für die FURCHE führte Linda de Elias Blanco.

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