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WIR MÜSSEN DAS FEUER GUT HÜTEN”

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Über 20.000 Menschen nahmen am 26. Juni in Graz am ökumenisch gestalteten „Tag der Steiermark” teil, einem Ereignis, das weit über die veranstaltenden Kirchen und die Steiermark hinausstrahlte.

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Über 20.000 Menschen nahmen am 26. Juni in Graz am ökumenisch gestalteten „Tag der Steiermark” teil, einem Ereignis, das weit über die veranstaltenden Kirchen und die Steiermark hinausstrahlte.

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FURCHE: Herr Bischof, hat der „Tag der Steiermark” Ihre Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen?

DIÖZESANBISCHOF JOHANN WEBER: Es ist schwer zu sagen, ob Erwartungen erfüllt sind. Ich habe gar keine konkreten, umschriebenen Erwartungen gehabt, sondern es ist uns immer deutlicher geworden, daß wir diesen Weg gehen sollten. Er war sehr intensiv vorbereitet, nicht nur organisatorisch, sondern schon durch zweieinhalb Jahre auch geistig. Und da haben wir schon gespürt: Das wird ein guter Tag werden.

Allerdings, das stimmt, es war dann eine solche quantitative Teilnahme, Intensität und Dichte - das haben wir nicht zu hoffen gewagt. Es ist so, daß sehr, sehr viele Leute, ganz einfache wie hochstehende bis zum Herrn Bundespräsidenten hin, ein gutes, ein dankbares Echo hervorgebracht haben. „Wir haben mit Freude unsere Kirche erlebt” - das war irgendwie der Tenor bei diesen Antworten.

FURCHE: Welche Reaktionen haben Sie persönlich am meisten gefreut?

WEBER: Daß einen auf der Straße viele Leute anreden - ob ich sie kenne oder nicht - und sich bedanken. Und daß die Medien auch eine sehr positive Darstellung gegeben haben. Ich glaube, daß - bei aller Kritik, die immer laut wird an den Medien - dort letzten Endes Leute sind, die ein Gespür haben für etwas, was wichtig ist.

FURCHE: Was waren am Tag selbst und vielleicht auch in der Vorbereitungsphasefür Sie die bewegendsten Momente?

WEBER: Die Annahme von Leuten, die nicht direkt in der katholischen Kirche sind, die ökumenische Dimension, wobei ja auch die es gar nicht so einfach gehabt haben, es hat auch auf ihrer Seite, etwa in der evangelischen Kirche, Bedenken gegeben.

Die Gesprächsbereitschaft und das wachsende Interesse von Parteien, von Kammern und auch sonst.

Und ganz wichtig, und das möchte ich fast vorn hinstellen: daß der Funke der Bereitschaft zum respektvollen Dialog zu ebener Erde immer mehr gezündet hat. Also: in Pfarren, in der Nachbarschaft, bei Arbeitskollegen. Ich weiß, daß das Wort Dialog nicht alle Probleme löst, aber es wurde immer mehr zu einer Verpflichtung. Am Anfang war es ja sperrig: Was heißt eigentlich Dialog? Was ist gemeint, und warum wird immer geredet davon? Aber ich glaube, der Funke hat gezündet, und jetzt müssen wir das Feuer gut hüten - das muß jetzt weitergehen.

Bewegt hat mich die freudige und intensive Mithilfe von so viel Leuten, ich nenne da ganz besonders die Jugend, die jungen Leute: Die letzten Tage vor dem „Tag der Steiermark” war es wie in einem Bienenstock hier im Ordinariat, die haben da also viel hineingegeben, völlig unbezahlt natürlich. Und dann die vielen, vielen Pfarren, die Gastfreundschaft geleistet haben. Es war einfach eine Stimmung dafür, eine Freude.

FURCHE: War am Tag selbst das Bewegendste, in einer evangelischen Kirche zu predigen oder war es die große Schlußveranstaltung?

WEBER: Alles. Der steirische Intendant Ziesel hat im Fernsehen gesagt: Die Stadt war wie verzaubert, positiv verzaubert. Und das war sie. Also dieses Bewegen von Menschen, groß und klein, dieses Aufeinanderzugehen ohne einen Mißton, das Interesse, das Hinströmen zu Veranstaltungen, wo man gar nicht mehr hin konnte, aber auch die Geduld, im sehr kleinen Kreis beisammenzusein. Besonders hervorheben möchte ich das „Manifest des Lebens”.

Ich möche auch noch einmal diese Gastfreundschaft nennen, diese vielen Stände aus verschiedensten Pfarren, die oft nur um die Gestehungskosten irgendetwas hergegeben haben. Man hat etwas gespürt von dieser Gemeinsamkeit des Evangeliums, ohne Leute, die sich nicht zum Evangelium bekennen, in irgendeiner Weise auszuschließen, sondern ihnen ein Stück Heimat dabei zu geben, ohne daß wir sie vereinnahmen wollen. Darum war das Grußwort des Präsidenten der jüdischen Gemeinde und des Oberhauptes der islamischen Gemeinde von Graz ganz wichtig. tert, daß ein „Dissident” wie Eugen Drewermann dabei war?

WEBER: Wir haben von vornherein die Linie gehabt: Wir geben für den „Tag der Steiermark” das Dach, und es können auch andere, die nicht zur offiziellen Kirche gehören, etwa private Vereine, Veranstaltungen machen - auf eigenes Risiko, auf eigene Kosten. Drewermann ist von einem privaten Verein eingeladen worden. Wir wollten ein Signal geben, daß eben Fragen da sind, und unsere dritte Dialogregel heißt ja: Ich will dich aufmerksam anhören, auch wenn ich deine Meinung nicht teilen kann. Und dieser Atem der Freiheit war bei uns spürbar.

FURCHE: Macht es einen katholischen Bischof nicht nachdenklich, wenn jemand wie Drewermann, der doch ziemlich unverblümt Kritik äußert, so regen Zuspruch findet?

WEBER: Ja, freilich. Ich selber habe meine sehr deutlichen Reserven gegen seine Aussagen, aber ich weiß eben, daß er vieles artikuliert, Fragen, Hoffnungen, Kritik. Das muß man, gerade durch den Beweis, daß so viele Leute dorthin strömen - und sicher nicht alle bloß, um eine Sensation zu erleben -, das müssen wir sehr nachdenklich ernst nehmen. gangenen Jahrzehnt mit dem steiri-schen Katholikentag Vorreiter für den gesamtösterreichischen Katholikentag. Können Sie sich vorstellen, daß nun dieser „ Tag der Steiermark ” zum Modell für andere Diözesen werden könnte?

WEBER: Wir haben den „Tag der Steiermark” zunächst gegen niemanden gemacht und wollten auch niemanden belehren. Heute können wir sagen: Wirhaben's probiert, und wenn es andere probieren, freut es uns nur.

FURCHE: Sie haben vorher den „ Tag der Steiermark ”als,, Zwischenstation” bezeichnet. Ist schon eine weitere Station in Sicht, und wie könnte die ausschauen?

WEBER: Es hat sich auch bei diesem „Tag der Steiermark” erwiesen, daß man solche Dinge gar nicht am Reißbrett zeichnen kann. Für uns soll über diesem Jahrzehnt drüberstehen: Jahrzehnt eines erneuerten Dialogs, im Sinne von Paul VI. und seiner Enzyklika „Ecclesiam suam” und im Sinn des Konzils. Wir haben jetzt betont: Das ist nicht der Schlußpunkt, sondern da bündelt sich dieses Zugehen aufeinander, dieses Hören aufeinander. Wie die Idee gekommen ist, war noch gar nicht klar, wie das ausschaut, wir haben halt einmal angefangen, undjetzt, momentan, möchten wir schauen, daß diese Kraft, dieser Enthusiasmus und diese Dankbarkeit Früchte bringen.

Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, und das werden wir im Herbst bei den Pfarrerwochen besprechen: Nehmen wir uns vor, daß jede Pfarre jedes Jahr irgendein Zeichen des Dialogs macht, zum Beispiel, was sich schon vielerorts sehr bewährt hat, aber das möchte ich wirklich dann mit den Pfarrern bereden, das ist noch kein Auftrag: eine gemeinsame Sitzung Pfarrgemeinderat und politischer Gemeinderat, um einfach die tieferen Probleme zu bereden, oder ein besonderes Zeichen Richtung Flüchtlinge oder sehr Benachteiligte.

Solche Großveranstaltungen kann man sicher nur in einem größeren Abstand machen. Vielleicht müßte man daran denken, wie wir bei der Jahrtausendwende in sieben Jahren, die ja sehr hohe Emotionen auslösen wird, irgendwas an hilfreicher Botschaft in irgendeiner Form sichtbar machen. Aber es gibt noch gar keine Ideen und keine Vorarbeiten.

Wichtig ist, daß dieser Funke des Dialogs, so wie ihn das Evangelium meint - „Das Wort ist Fleisch geworden” -, daß dieser Funke sich weiter ausbreitet.

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