"In die Tiefe sammeln"

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35 Jahre Sammlung Essl: österreichische Kunst der Nachkriegszeit, internationale Stars und Nachwuchskünstler aus Südosteuropa.

Was Sammeln seinem Wesen nach ist, zeigt sich nicht am Anfang, sondern am Ende, nicht am ökonomischen gathering von Nahrungsmitteln, die wir zum Leben brauchen, sondern im ästhetischen collecting von Kunstwerken, die wir betrachten wollen. Wie diese die Anschauungs-, Ausstellungs- und Sammlungsgegenstände schlechthin sind, so ist der Kunstsammler das Urbild des Sammlers, der Prototyp des homo collector. Kunstsammeln ist Sammeln in seiner reinsten und höchsten Form: Sammeln par excellence." So resümiert der Philosoph Manfred Sommer seine Überlegungen über das Sammeln, und vieles davon lässt sich auch anhand der mittlerweile 35-jährigen Geschichte der Sammlung Essl nachvollziehen.

Gerade die Unterscheidung zwischen dem ökonomischen und dem ästhetischen Sammeln zeigt sich am Sammlerehepaar Agnes und Karlheinz Essl exemplarisch. Beide stammen aus Kaufmannsfamilien und haben gemeinsam eine der florierendsten Baumarktketten aufgebaut. Der ökonomische Part spielt also eine große Rolle, aber ihm haftet eine Tendenz der Vernichtung und des Verschwindens an: man sammelt zum Beispiel Pilze, um sie beim anschließenden Verzehr von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Dem ästhetischen Sammeln hingegen geht es um das Bewahren zwecks verlängerter Möglichkeiten der Anschauung: ein Pilz mit einer außergewöhnlichen Form wird nicht sogleich einverleibt, sondern der Umgebung als etwas Besonderes präsentiert.

Insofern ist die Anschauung und mit ihr die ästhetische Sammlung etwas zutiefst unökonomisches, weil die Anschauung Zeit, viel Zeit braucht. Es ist ein entscheidendes Merkmal der Sammlung Essl, dass sie diesen Spagat schafft. Hier ist ein Sammlerehepaar am Werk, dass sich nicht um die ökonomische Wertsteigerung seiner Kollektion kümmert, sondern all die außergewöhnlichen Formen, die ihm in Ateliers, Galerien und Museen begegnet sind, vielen anderen Menschen als Anschauungsmaterial zur Verfügung stellen möchte.

Von Anfängen in New York …

Begonnen hatte alles im Jahr 1959 in New York, als die beiden in diesem Schmelztiegel und dieser aufkeimenden Kunstmetropole sich fern der Heimat kennen lernten - zu einem großen Teil, indem sie sich gemeinsam zeitgenössische Kunst anschauten. Wieder zurück in Österreich dauerte es einige Zeit, bis das anstrengende Jungfamilienleben und der Aufbau der Handelskette ausreichend Ressourcen für den Aufbau einer Sammlung freigaben.

Als man dann bei der österreichischen Kunst der Nachkriegsgeneration anfing, bedeutete das auch nicht sogleich einen warmherzigen Empfang, wie Karlheinz Essl von seiner ersten Begegnung mit Arnulf Rainer zu berichten weiß: "Ich wartete und plötzlich ging die Tür auf. Rainer fragte unwirsch:, Was wollen S'?' Ich war verwirrt. Als ich meine Fassung wieder gefunden hatte, antwortete ich:, Ich möchte gerne mit Ihnen sprechen.', Worüber wollen S' reden?', Naja, über Ihre Kunst!', Was, über meine Kunst wollen S' reden? Kaufen Sie sich ein paar Kataloge und dann kommen S' wieder!' Und schwupp, war die Tür wieder zu. Also das war eine meiner ersten Begegnungen mit Künstlern." Inzwischen gibt es in der Sammlung Essl gut hundert Arbeiten aus allen Schaffensperioden von Arnulf Rainer und einen eigenen Katalog dazu.

Als 1985 die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes für das Unternehmen anstand, plante dieses Heinz Tesar mit einer großen Halle im Zentrum, die nicht nur als Präsentation für die angewachsene Sammlung, sondern auch für Veranstaltungen bespielbar ist. Die Mitarbeiter/innen sollten die Möglichkeit am Mitgenießen der Sammlung haben, nicht nur in den Ausstellungen in den allgemeinen Räumlichkeiten, sondern auch in den Büros. Aber auch diese Bleibe stellte sich bald als zu klein heraus, schließlich hatte man der Sammlung längst einen internationalen Anspruch verpasst.

Alle Bemühungen, im entstehenden Museumsquartier in Wien unterzukommen, scheiterten am mangelnden politischen Willen. So baute man wieder mit Heinz Tesar als Planer ein eigenes Museum in Klosterneuburg. Ein bescheidener Bau, der nirgendwo architektonisch protzt und gerade deswegen großartige Museumsarchitektur darstellt, weil die perfekte Funktionalität des Baus nie zu Banalität verflacht. Auch hier gilt die alte Künstlerweisheit, dass die Einfachheit zu den schwierigsten Aufgaben gehört.

… zum eigenen Museum

Nach welchen Regeln stellt man sich eine Sammlung zusammen? Für das Ehepaar Essl lautet die Maxime "in die Tiefe sammeln": ganze Werkblöcke von Künstlern geben Auskunft über die Entwicklung. Und neben den großen Namen investiert die Sammlung Essl auch in die Nachwuchskunst, besonders in jene unserer östlichen und südöstlichen Nachbarländer.

Hinter allem steht aber ein spezifisches Lebensmotto: "Unsere Vision ist es, Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und viele Menschen davon zu begeistern. Spiritualität und Kunst sind Fundamente, auf denen man ein Leben aufbauen kann. Unsere Vision ist es, viele Menschen für die Kunst zu begeistern und sie für eine neue Sicht der Welt zu sensibilisieren. Kunst verbindet über alle ethischen, politischen und religiösen Grenzen hinweg." Diese Vision setzt das Ehepaar Essl in einer doppelten Treue um: einmal zu den Künstlern der Sammlung, mit denen es in intensiven Kontakt bleibt, und dann zum Publikum, mit dem es seinen eigenen Kunstgenuss ehrlich teilt.

Passion for Art

Essl Museum und Schömer-Haus

An der Donau-Au 1 u. Aufeldstr. 17-23, 3400 Klosterneuburg

Bis 26.8. Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr

Katalog: Edition Sammlung Essl (Hg.), Klosterneuburg/Wien 2007,

Drei Bände, 563 Seiten, € 49,-

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