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„Wirpushen nicht”

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Karlheinz Essl über das Kunstsammeln als Lebensform: „Kunst ist etwas sehr Schönes und man kann viel Kraft daraus schöpfen.”

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Karlheinz Essl über das Kunstsammeln als Lebensform: „Kunst ist etwas sehr Schönes und man kann viel Kraft daraus schöpfen.”

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DIEFIJRCHE: Sie sind der bedeutendste Kunstsammler österreichischer Kunst nach 1945 und zugleich mit der Firma Schömer - dazu gehört bauMax - einer der wichtigsten Handelsunternehmer. Sehen Sie sich als Kunst-Mäzen? KaruieinzEssi.: Ich glaube mit „Mäzen” kann man das heute nicht mehr umschreiben. Das war vielleicht im Mittelalter noch adäquat. Natürlich, dadurch, daß wir sammeln, schaffen wir für die Künstler auch eine finanzielle Lebensgrundlage. Aber ich glaube, es geht hier um einen Dialog - um ein Geben und Nehmen, wobei der Künstler immer der ist, der mehr gibt. Geld ist ja immer etwas Abstraktes, aber das Kunstwerk ist etwas, das man gar nicht kaufen kann - etwas, das über dem materiellen Wert steht.

DIEFURCHE: Sehen Sie Ihre Sammlertätigkeit als eine Art Auftrag? ESSL: Ich glaube, daß die Wirtschaftsunternehmen, wie es ja auch in Amerika und im angelsächsischen Raum der Fall ist, mehr und mehr auch Verantwortung für die Öffentlichkeit übernehmen sollen und auch im kulturellen Rereich sich engagieren sollen. Wir haben uns hier zwei außerbetriebliche Aufgaben gesetzt: Das eine ist ein Humanprogramm, wo wir Patenschaften für Behindertenheime übernehmen. Das zweite ist die Kunst, weil meine Frau und ich glauben, daß die Kunst etwas ganz Wichtiges im Leben eines Menschen ist und man sollte alles tun, um möglichst viele Menschen mit der Kunst in Berührung zu bringen.

DIEFURCHE: Wenn man sich hier im Schömer-Haus umsieht, so ist Kunst überall präsent Gibt es einen Dialog zwischen der Sammlung Essl und den Mitarbeitern des Unternehmens? essl: Ja, wir geben unseren Mitarbeitern die Möglichkeit, sich intensiv mit der Kunst auseinanderzusetzen. Sie können sich in ihren Räumen selbst Bilder aussuchen. Sie bekommen je nach Interesse auch umfangreiche Informationen. Wir machen Künstlergespräche und Führungen. Wir geben ihnen die Möglichkeit, an Ausstellungen teilzunehmen. Und das wird sehr häufig angenommen.

DiEFüRCHE: Wie wirkt sich die Auseinandersetzung mit Kunst auf das Unternehmen und die Mitarbeiter aus? essl: Die Mitarbeiter nehmen das erstaunlich gut an. Wir haben unlängst eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, wo herausgekommen ist, daß mehr als 90 Prozent der Leute sich wirklich aktiv mit der Sache auseinandersetzen und sich vor allem auch damit identifizieren. Diese Verbindung von Kunst und Arbeit, das ist etwas, was ich in der Weise noch nie gesehen habe. Dafür gab es auch kein Vorbild. Ein wesentlicher Punkt ist, daß die Kunst zur Kreativität anregt. Die kreative Umgebung wirkt sich auch auf die geschäftliche Kreativität aus. Das ist eine vielschichtige Wechselwirkung.

DIEFURCHE: Die Kunstsammlung ist für das Unternehmen aber doch auch eine Imagepflege und eignet sich her-—. vorragend als Werbung... ESSE: Aber nicht vordergründig. Das ist eher ein Abfallprodukt, aber ein überraschend intensives und sicher auch wichtiges. Ich möchte das gar nicht leugnen.

DIEFURCHE: In Ihrer Sammlung sind fast alle wichtigen zeitgenössischen österreichischen Künstler wie Brus, Lassnig und Rainer mit ganzen Zyklen vertreten. Nach welchen Kriterien sammeln sie? essl: Es ist so, daß wir bemüht sind, von einem Künstler eine möglichst umfangreiche Schau des künstlerischen Werkes zu dokumentieren. Ich versuche nicht einzelne Bilder, sondern Werkgruppen zu erwerben. Wir verfolgen mehr oder weniger ein Mu-seumskonzept. Daher sollten die Künstler repräsentativ vertreten sein.

DIEFURCHE: Nehmen Sie alle etablierten, österreichischen Künstler in Ihrer Sammlung auf essl: Nein. Die Sammlung hat auch nicht den Anspruch einer Vollständigkeit. Aber die verschiedenen Kunstrichtungen sollten alle hier vertreten sein.

DIEFURCHE: Sammeln sie auch junge, unbekannte Künstler, die sie gut finden, um sie berühmt zu machen' essl: Nein, das wollen wir nicht. AVir sehen es nicht als unsere Aufgabe, einen Künstler zu „pushen”. Das Spekulative ist in unserer Kunst nicht vertreten. Deswegen fangen wir auch nicht zu früh mit der Sammlung eines Künstlers an. es muß zuerst ein gewisses Qiuvre da sein, damit wir einmal beurteilen können, ob das für unsere Sammlung sinnvoll ist. dieFurche: Seit wann sammeln Sie konsequent österreichische Kunst? essl: Zuerst haben wir für den privaten Bereich gesammelt. 1975 habe ich dann das Unternehmen meines Schwiegervaters übernommen und bewußt einen Teil des Ertrages aus dem Unternehmen in die Kunst investiert. 1987, als wir das Schömer-Haus errichtet haben, konnte ich dann die Sammlung entsprechend präsentieren. 1995 wurde dann auch eine Kunststiftung ins Leben gerufen, die diese Sammlung über die Generationen hinaus weiterführen soll.

DIKFi KCHK: Die Sammlung Essl sollte ja auch einen Platz im Wiener Museumsquartierfinden Stimmt das? essl: Ja, ich habe damals die Idee gehabt, den geplanten „Leseturm” für die österreichische Kunst zu nützen, weil es ein sichtbares Zeichen gewesen wäre - das Bekenntnis der Republik für die Kunst unserer Zeit. Und da hätte diese

Sammlung untergebracht werdenkönnen. Aber das wollte man nicht haben. Dann eben nicht

DIEFURCHE: Worin sehen Sie die Besonderheit der österreichischen Kunst?

E.SSL: Ich glaube, man muß sich langsam von dieser sogenannten österreichischen Kunst lösen, weil wir im geeinten FLuropa sind. Aber es gibt schon einen Ansatzpunkt: Der Konstruktivismus war in Österreich nie besonders vertreten. Die österreichische Art ist mehr im Expressionismus verhaftet. Ich glaube, daß das Psychologische in der Malerei, das von Freud hergekommen ist, in Österreich eine größere Wirkung hat, als woanders.

DIEFURCHE: Sie sind ja ein Sammlerpaar. Welche Rolle hat Ihre Frau? Esst,: Sie war eigentlich diejenige, die den Keim gelegt hat. Als wir uns 1959 in Amerika kennengelernt haben, war sie in einer modernen Galerie beschäftigt. Und von dort her ist das Interesse an der modernen Kunst entstanden. Wir haben die meisten Bilder gemeinsam ausgesucht.

DIEFURCHE: Welchen Platz hat die Kunst in Ihrem Leben?

F.sse: Die Kunst ist ein Teil unseres Lebens. Es ist etwas sehr Schönes, weil man dadurch rausgehoben wird aus dem üblichen, stressigen Alltag und in eine andere Dimension flüchten kann. Aus der Kunst und dem Umgang mit Kunst kann man viel Kraft schöpfen. Das ist etwas, was ins Gemüt, ins Herz, in die Seele geht. Die Kombination des harten AVirt-schaftens und die Beschäftigung mit der Kunst, das ist ein wichtiger Ausgleich; so wie es ja die rechte und die linke Gehirnhälfte gibt, und die eine ist rational und die andere emotional. Und das macht ja eigentlich den ganzen Menschen aus.

Das Gespräch führte

Johanna Schwanberg.

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