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Gäste im Reichtum
Mit der Ausstellung der „Englischen Aquarellisten des 18. Jahrhunderts“ schenkt die Albertina ihren Besuchern eine bedeutende Überraschung. Die englischen Landschaftsmaler dieser Epoche orientierten sich in besonderem Maß an der holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts und an der bedeutenden Tradition Van Dycks, Canalettos und Lorrains, deren Werk größte Verbreitung und Würdigung erfuhr. Unter dem allerdings nicht geringen Wust der Ausstellung an Unbedeutendem das nur den Zeitgeschmack vertritt, entdeckt man in England in der Zeit zwischen Spätbarock und Romantik drei große Persönlichkeiten, die in ihrer künstlerischen Äußerung über das Wesen leerer technischer Übung und purer Imitation weit hinausgehen. Die erste und überraschende große Offenbarung ist Alexander Cozens, dessen über die akademische Überlieferung hinauswachsende alle Fessel sprengende Improvisationen nach der Natur in den Landschaftsskizzen, Wolkenstudien und „Blots“ sowohl den Geist Lorrains wie Poussins bewahren, wie sie auch überraschend die kosmische Einfachheit chinesischer Landschaftsmalerei atmen, allerdings unter dem Verlust räumlicher und tonaler Qualitäten. In dieser Ausstellung wirkt Cozens als kühner Neuerer, dessen Erkenntnisse ihre Schatten weit voraus werfen und bei dem das Regionale und
Provinzielle durch die Vorahnung gewisser Probleme der Impressionisten und des 19. Jahrhunderts überwunden wird. Als zweite — wenn auch nicht so bedeutende — Persönlichkeit entdeckt man Thomas Gir-kin, dessen farbige manchmal sehr subtile Landschaften zarte Poesie und die Weit der Bilder des zeitgenössischen Vorkämpfers John Con-stable besitzen, während schließlich Joseph M. W. Turner als der krönende Schlußpunkt einer Entwicklung erscheint, aus der er in der — in der Ausstellung im weitesten Sinn zu verstehenden — Technik der Wasserfarbenmalerei den größten Reichtum an farbiger Nuancierung und atmosphärischer Dichte holt. Turner wirkt in dieser Ausstellung nicht als der weit über das 19. Jahrhundert einflußreiche Maler, als der er sich etwa in der Gate Gallery in London offenbart, weil die wenigen Blätter die ihn hier repräsentieren nur einen reduzierten Eindruck seiner Potenz geben. Von dem unerhörten Reichtum der graphischen Sammlungen Albertina liefert die gleichzeitige Ausstellung „Hundert Meisterwerke der Albertina“ einen aufschlußreichen Eindruck, da sie neben lieben alten Bekannten wieder eine große Anzahl nie oder selten gesehener Blätter allererste Qualität zur Schau stellt. Besonders van Dyck, Raffael, Michelangelo, Rubens und Rem-brandt werden in ihr auf das Eindringlichste repräsentiert.
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