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Ein wahrer Magier des Lichtes und der Farben

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Wie bedeutend ein Maler wirklich ist, zeigt sich oft erst am Aufsehen, wenn eines seiner Gemälde gestohlen wird. Vorige Woche wurde bekannt, daß ein Werk des Engländers Joseph Mallord William Turner (1775-1851), „Königliche Barkasse in stürmischer See”, in Sydney gestohlen wurde. Schätzwert: 48 Millionen Schilling. Mit einem Wort: Was derzeit im Rahmen der ersten Turner-Ausstellung in Osterreich (Vorbericht in furche 9/1997) im Bank-Austria-Kunstfo-rum in Wien hängt, ist unbezahlbar.

Insgesamt sind von William Turner 42 Gemälde und 73 Arbeiten auf Papier zu sehen, die einerseits einen Überblick über alle seine Schaffensperioden bieten, anderseits aber vor allem seine Rolle als Wegbereiter der Moderne unterstreichen, keineswegs jene als topographischer Zeichner, mit der Turner zu Lebzeiten das meiste Geld verdiente. Nicholas Serota, Direktor der Londoner Täte Gallery, die in einem Zubau, der Clore Gallery, den Turner-Nachlaß beherbergt und für Wien die meisten Bilder zur Verfügung stellte, betonte bei der Eröffnung Turners Bedeutung als Europäer: Seine Kunst schloß an die europäische Tradition an, entwickelte sich auf vielen Reisen durch Europa und wirkte auf die spätere Malerei in Europa entscheidend ein.

Turner blieb nicht wie so mancher Künstler einer einmal erfolgreichen und einträglichen „Masche” treu, die Wiener Schau macht seine faszinierende ständige Weiterentwicklung deutlich, die seinem Spätwerk herbe Kritik eintrug. In den ersten Räumen dominieren noch seine eher konventionellen Frühwerke, wo aber schon gelegentlich, im wahrsten Sinn des Wortes „am Horizont”, nämlich in der Darstellung des Himmels und des Wetters, sein später immer freierer Umgang mit Farben und Licht aufblitzt. Die Ölgemälde „Frostiger Morgen” (1813) und „Rom vom Vatikan aus. Raffael bereitet in Regleitung der ,Fornarina' seine Bilder für die Dekoration der Loggia vor.” (1820) verdienen hier besonderes Interesse.

Drei nebeneinander hängende Gemälde aus dem Bereich der Marinemalerei neben Landschaften und

Historien Turners bevorzugte Thematik - zeigen seinen Weg vom Epigonen niederländischer Malerei zu eigenständiger Kunst: „Fischer auf See” (1796), „Van Tromps Rückkehr nach der Schlacht von der Dogger Rank” (1833), „Ein auf Grund gelaufenes Schiff” (1828).

Daß die Ausstellung keiner strengen Chronologie folgt, ergibt in manchen Räumen reizvolle Kontraste zwischen dem frühen und dem späten Turner. Prunkstück - und nicht zufällig Vorlage für das Plakat - der Ausstellung ist das Ölbild „Friede -Bestattung zur See” (1842), das Turner anläßlich der Beisetzung seines Malerfreundes Sir David Wilkie vor Gibraltar malte und auf dem er der Farbe Schwarz neue Kraft gab.

Der „moderne”, von vielen Zeitgenossen nicht verstandene Turner, der auf den Spätimpressionismus und das 20. Jahrhundert hinweist, kommt eindrucksvoll in Werken wie „Sonnenuntergang über einem See” (1840), „Schneesturm - Dampfschiff” (1842), in mehreren Venedig-Bildern oder in vielen Aquarellen aus halb Europa - etwa „Der rosafarbene Rigi” (1842) oder „Regenwolken” (1845) - zur Geltung. Gegenständliches verliert sich in Farbkompositionen, Rewegung in Spielen von Licht und Schatten, die subjektive Stimmungen ausdrücken und ebenso subjektive Empfindungen im Retrachter auslösen können. Indem die Ausstellung Turners Entwicklung verfolgt,

stellt sie nicht nur einen großen Maler vor, sie macht auch den Entstehungsprozeß moderner Kunst einsichtig wie selten zuvor.

Das Grandiose an Turner sei, daß seine Werke unabhängig von der Ril-dung der Retrachter, die mit Hannibal oder Odysseus vielleicht wenig anfangen können, „etwas zum Klingen” bringen, meinte Klaus Albrecht Schröder, Direktor des Kunstforums und Initiator der Ausstellung, im Radio. Schröder erwartet 150.000 bis 180.000 Resucher der Ausstellung. Sie würde noch mehr verdienen.

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