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Das Leopold Museum zeigt deutschen Expressionismus mit Österreich-Bezug.

Eine Frau mit orangefarbenen Haaren, ein Mann mit einer knallgrünen Jacke, ein leuchtend blauer Hintergrund. Die kräftigen Farben verstärken die Intensität der dargestellten Berührung zwischen zwei Liebenden. Zugleich wirkt das Paar durch die nicht naturgetreue Farbgebung entrückt wie in einer Traumwelt. Emil Noldes Aquarell Junges Paar (1931-1935) entspricht ganz den Vorstellungen der expressionistischen Kunst. Franz Marc, August Macke oder Ernst Ludwig Kirchner ging es nicht um die Darstellung der äußeren Erscheinung der Wirklichkeit, sondern um den impulsiven, ungeschönten Ausdruck innerer Regungen.

Sammler-Leidenschaft

Gefühl war auch im Spiel, als Heinrich Thyssen-Bornemisza Kunst zu sammeln begann. "Ich kaufe Gemälde aus Liebe, Leidenschaft, Interesse und Begeisterung", erklärte Francesca Habsburgs Vater, der seine Sammlertätigkeit ohne jegliches kommerzielle Interesse gesehen haben wollte. Zwar hatte er von seinem Vater Heinrich Thyssen, einem berühmten Sammler "Alter Meister", eingeimpft bekommen, dass alle nach 1900 entstandene Kunst wertlos sei, begann aber dennoch oder gerade deswegen moderne Malerei zu sammeln. Dabei spielten auch historisch-politische Motive eine Rolle. Dass die Expressionisten von den Nationalsozialisten als "entartet" verfolgt wurden, bildete für den Sammler einen zusätzlichen Anreiz, sie zu erwerben.

Mit Noldes Jungem Paar setzte Thyssen-Bornemisza 1961 den Grundstein für seine hochkarätige Sammlung deutscher Expressionisten. Francesca Habsburg verbindet mit den farbenfrohen Bildern Kindheitserinnerungen. So hing Emil Noldes dynamische, beinahe schon abstrakte Landschaftsdarstellung Sommerwolken (1913) über der hauseigenen Bar, erinnert sie sich: "Mein Vater scherzte oft, wenn er ein paar Mal zur Bar gegangen war um Drinks zu holen, er würde wirklich sehen, wie die Wellen im Nolde in Bewegung geraten."

Zu sehen sind Noldes Sommerwolken und sein Junges Paar derzeit im Wiener Leopold Museum. Kern der 130 Werke umfassenden Ausstellung über den deutschen Expressionismus bilden rund 30 Ölgemälde aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza, darunter ein Hauptwerk des "Brücke"-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner. Fränzi vor geschnitztem Stuhl (1910) erregte bereits bei der ersten Brücke-Ausstellung am Cover des Katalogs Aufmerksamkeit und avancierte aufgrund der antinaturalistischen Farbgebung, des schnellen Pinselduktus und der Bezugnahme auf außereuropäische Kunst bald zur Ikone des deutschen Expressionismus. Heute ist Fränzi einer der Publikumsmagneten des Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid.

Ikone des Expressionismus

Dass das Leopold Museum zum fünfjährigen Bestehen die deutschen Expressionisten zeigt, liegt auf der Hand, zählt doch der österreichische Expressionismus zu den Sammlungsschwerpunkten des Hauses. Diesen in einem größeren Kontext zu zeigen, sei schon länger ein Anliegen gewe sen - und als Francesca Habsburg mit dem Angebot an das Museum herantrat, die Sammlung der Familie Thyssen-Bornemisza nach Wien zu bringen, war man gleich begeistert. "Die Beziehung zwischen Deutschland und Österreich war stets gegeben: Egon Schiele hat bereits in den 1910er Jahren in Deutschland ausgestellt, Oskar Kokoschka war eng verbunden mit den Künstlern des ,Blauen Reiter' und auch Alfred Kubin kommt im Blauen-Reiter-Almanach zu Wort", so Rudolf Leopolds Co-Kurator Michael Fuhr. Ganz bewusst zeige man die Ausstellung, die zusätzlich zu den Thyssen-Bornemisza-Bildern mit hauseigenen Exponaten sowie Leihgaben aus europäischen Museen bestückt ist, auch in räumlicher Nähe zu den Österreichern.

Überraschende Exponate

An sich ist der Expressionismus in Ausstellungen der letzten Jahrzehnte so ausgeschlachtet worden, dass man wenig erwartungsvoll in diese Schau geht. Vor allem wenn man die herausragende Expressionismusausstellung im Palazzo Grassi in Venedig aus dem Jahr 1997 noch lebhaft in Erinnerung hat. Beim Rundgang durch das erste Obergeschoß des Leopold Museums wird man dennoch überrascht. Da finden sich charakteristische und zum Teil nur selten gezeigte bedeutende Exponate wie Erich Heckels Haus in Dangast (1908), das durch die kurzen breiten Pinselstriche und den skizzenartigen Charakter schon Kunsttendenzen der 1950er und 60er Jahre vorwegnimmt. Überzeugend auch George Grosz' sozialkritisches Bild Straßenszene/Kurfürstendamm (1925). Es erinnert daran, dass der Expressionismus nicht nur aufgrund der Malweise provokant war, sondern auch wegen seiner gesellschaftspolitisch brisanten Ansätze und der antibürgerlichen Lebenshaltung. So treffen auf das Großstadtbild von Grosz ein bettelnder Kriegsinvalide, ein wohlgenährter Kapitalist mit dicker Zigarre im Mund und eine mondäne Dame im Pelzmantel an einer Straßenecke Berlins aufeinander - einsam und beziehungslos.

Hervorragend gestaltet

Die Ausstellung fasst den Expressionismusbegriff weiter als üblich, indem sie Vorläufer und Frühexpressionisten wie Edvard Munch und Paula Modersohn-Becker genauso einbezieht wie Ausläufer dieser Bewegung. Der expressive Realismus Max Beckmanns und sein Bild Vor dem Kostümfest (1945) bilden den konsequenten Abschluss des abwechslungsreichen Parcours. Durch die Unterteilung in thematische Blöcke wie Brücke, Blauer Reiter, Landschaft, Primitivismus oder Metropolis besitzt die Zusammenstellung durchaus didaktische Qualitäten, bringt sie einem doch die Grundanliegen und die wichtigsten Gruppierungen dieser Kunstrichtung näher - auch wenn nicht alle Künstler mit Hauptwerken vertreten sind.

Wohltuend die zurückhaltende Ausstellungsgestaltung von Lorenz Estermann und die in verschiedenen Grautönen gestrichenen Wände. Vor allem, weil somit die in den 90er Jahren häufig vertretene Ansicht, expressionistische Kunst müsse in guter Expressionismus-Tradition auch auf bunten Wänden präsentiert werden, erfolgreich widerlegt wurde.

Deutsche Expressionisten Mit Meisterwerken aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza

Leopold Museum

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.leopoldmuseum.at

Bis 10. 1. 07 Mi-Mo 10-19, Do 10-21 Uhr

Katalog im Eigenverlag, e 29,50

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