Menschheitsdämmerung - Leopold Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger

"Menschheitsdämmerung": Parallelen zur Gegenwart

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Rudolf Wacker ist einer der elf Künstler, die in der Schau die Malerische Moderne Österreichs in der Zwischenkriegszeit repräsentieren. Wie die allgemeine Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit der 1920er-Jahre sich in der Kunst der Zeit niederschlug, zeigt die Schau „Menschheitsdämmerung“ im Leopold Museum.

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Rudolf Wacker ist einer der elf Künstler, die in der Schau die Malerische Moderne Österreichs in der Zwischenkriegszeit repräsentieren. Wie die allgemeine Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit der 1920er-Jahre sich in der Kunst der Zeit niederschlug, zeigt die Schau „Menschheitsdämmerung“ im Leopold Museum.

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Verlorene Strukturen, Verunsicherung, Hoffnungslosigkeit, Erstarrung, aber auch Sehnsucht nach Beständigkeit und Harmonie. Es waren Stimmungen wie diese, die nach dem Untergang der Monarchie und den traumatischen Ereignissen des Ersten Weltkrieges in den 1920er Jahren vorherrschten. Sie forderten die Künstler der Zeit heraus, neue Wege zu gehen. Die einen flüchteten sich in verspielte Darstellungen und zeitlose Stillleben, die anderen in eskapistisch anmutende Landschaften, wieder andere in eine gefühlsbetonte Bildsprache. Wenn Direktor Hans-Peter Wipplinger im Leopold Museum eine Ausstellung zu diesen Jahren des sozialen wie künstlerischen Umbruchs kreiert hat, will er durchaus Parallelen zur aktuellen Zeit herstellen, in der wieder eine Atmosphäre der Verunsicherung spürbar ist. „Menschheitsdämmerung“ nennt er die Schau in Anlehnung an einen Begriff, den Kurt Pinthus, Journalist und Dramaturg bei Max Reinhardt, prägte – und meint damit die vom Aufbruch geprägte Stimmung des Morgens ebenso wie jene des Abends, die ins Dunkle und Negative kippen kann.

Elf Künstlern hat Wipplinger in diesem Zusammenhang kleine Personalen gewidmet, die an die Dauerausstellung im Erdgeschoß anschließen. Gleich im ersten Raum sind die Spuren des Krieges in den Bildern von Albin Egger-Lienz spürbar, der einst sagte, er male keine Bauern, sondern Formen, der selbst im Schützengraben lag, mit dem „Protest der Toten“ ein starkes Statement hinterließ und im „Finale“ Leichen stapelte. Was man weniger mit ihm verbunden hätte, ist die flirrende Meereslandschaft „Cherso“. Daneben setzt Alfons Walde Skisportler auf tiefverschneiten Alpenkämmen unter blitzblauem Himmel dynamisch in Szene. Weiter geht es im Rundgang mit Anton Koligs Männerakten.

"Menschheitsdämmerung" meint die vom Aufbruch geprägte Stimmung des Morgens ebenso wie jene des Abends, die ins Dunkle kippen kann.

Das Plakatmotiv der Ausstellung, ein junges Mädchen vor dem Spiegel von Sergius Pauser, repräsentiert den Fokus, den die Menschen nun auf sich selbst und Innerliches legten. Es strahlt Melancholie aus und weist auf reflexives Denken vieler Menschen in dieser Zeit hin, die Heftiges zu verarbeiten hatten und sich neu orientierten. Was sich – so unterschiedlich die Herangehensweisen sind – durchzieht, ist ein Streben in die Natur und nach Ruhe sowie eine Anonymisierung der Porträtierten. Letztere fällt besonders in Herbert Boeckls Porträt von Josef von Wertheimstein auf, das geradezu magisch anzieht. Hier wurden Farbmassen in üppiger Pastosität aufgetürmt. Ob das eigentliche Motiv noch erkennbar ist, scheint nicht mehr wichtig.

Auch sehr kühl wirkende Landschaften des Künstlers wurden ausgesucht. „Wie Boeckl hier Farbe als Stimmungsmodulator einsetzt, fasziniert besonders und zeigt in den Abstraktionstendenzen die Auseinandersetzung mit Cézanne“, sagt Wipplinger.

Ein Suchen und Ausprobieren

Generell war Cézanne jemand, mit dessen Werk sich einige heimische Künstler beschäftigten, ohne seinen Stil zu kopieren. Auch von den französischen Fauves, dem Kubismus und dem Expressionismus schaute man sich ab, was passend erschien, ohne die Stile komplett zu rezipieren.

Es ging um ein Suchen und Ausprobieren nach dem Tod der Großen des Jugendstils. Manche arbeiteten just mit Gegenkonzepten zur Klimtschen Üppigkeit“, so Wipplinger. Dabei zeigt die Ausstellung gerade, dass, wer die elf Künstler einer Stilrichtung zuordnen möchte, an Grenzen stößt. Alfred Wickenburg war nicht nur Kubist, Rudolf Wacker und Sergius Pauser sind nicht nur unter Neue Sachlichkeit einzureihen. Man bediente sich kraftvoller Farbigkeit, expressionistischer Tendenzen, kubistischer Formen oder der Abstraktion, ohne sich ganz einer Richtung zu verschreiben.

Zwei Räume sind auch Zeichnungen gewidmet, wobei man hier nachvollziehen kann, wie unterschiedlich manche Künstler in der Malerei einerseits und auf Papier andererseits arbeiteten. „Boeckl war selten so abstrakt wie in den Papierarbeiten, Wacker nie so expressiv wie hier“, sagt Wipplinger. Bewusst habe er Zeichnungen ausgewählt, die noch nie zu sehen waren und die vom Inhaltlichen her erschreckend seien, da auch hier die Nachbearbeitung der Kriegs-Traumata eine wichtige Rolle spielte – ein sitzender Tod von Egger-Lienz mag hier als Pars pro Toto stehen. So geben die unterschiedlichsten Werke der elf Künstler für Wipplinger Auskunft über das Stimmungsgefüge der Zeit: „Während in den 1920er-Jahren in Deutschlang schon Überschwang und Lebenslust herrschten und sich in der Kunst niederschlugen, sieht man in den Bildern aus Österreich, wie man hierzulande länger gebraucht hat, um aus der Krise herauszukommen. Hoffnung ist da, aber die Lebenslust lässt noch auf sich warten.“

Menschheitsdämmerung - Rudolf Wacker: Menschheitsdämmerung - © © Leopold Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger
© © Leopold Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger
Ausstellung

Menschheitsdämmerung

Leopold Museum
bis 24. Mai
Mi bis So, 10 bis 18 Uhr
www.leopoldmuseum.org

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