Genie mit dem Bleistift

19451960198020002020

Ausstellung "Francesco Borromini (1599-1667) und das barocke Universum" - jetzt in Rom, demnächst in Wien

19451960198020002020

Ausstellung "Francesco Borromini (1599-1667) und das barocke Universum" - jetzt in Rom, demnächst in Wien

Werbung
Werbung
Werbung

Baukunst als Ausstellungsgegenstand publikumswirksam zu präsentieren, ist keine leichte Aufgabe. Zur 400. Wiederkehr des Geburtstages von Francesco Borromini, dem wohl bedeutendsten Barock-Architekten, der nach 1600 als Steinmetz aus dem Tessin nach Rom zuwanderte und anfangs im Dienste des Carlo Maderno, des Leiters des Baus der Peterskirche und des Palazzo Barberini stand, wurde nun so ein Ausstellungsprojekt absolut erfolgreich realisiert.

"Es ist zweifellos die größte Schau, die Österreich je in Italien gemacht hat, erklärt Richard Boesel, jetzt Leiter des Historischen Institutes beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom. Als Kustos der Architekturabteilung an der Albertina, wo der zeichnerische Nachlaß Borrominis liegt, organisierte er mit Chistoph L. Frommel, Direktor der Bibliotheca Hertziana, einer der wichtigsten kulturellen Institutionen der Stadt Rom, diese repräsentative Schau von 600 Exponaten, von denen 250 aus Wien kommen. Es handelt sich um originale Entwurfszeichnungen, direkte Quellen eines Schöpfungsaktes, den das Genie Borromini mit Bleistift auf dem Papier entwickelte, ergänzt durch wichtige Blätter aus Rom, Berlin, Windsor und Stockholm.

Man sieht auch eine Unzahl von Kuriositäten, a la " Wunderkammer", Gegenstände von großem visuellem Reiz wie Elfenbeindrechslereien, Medaillen, naturwissenschaftliche Instrumente, Veduten und Autographen, alles Dinge, die man nach dem Selbstmord des Architekten zusammen mit 1.000 Büchern, zum Teil illustriert und hier sichtbar, in seiner Wohnung vorfand. "Gesamtkunstwerke", wie Richard Boesel mit der Liebenswürdigkeit und Geduld eines großen Wissenschaftlers erklärt, indem er auf die wie eine Röntgenaufnahme wirkende Entwurfzeichnung zur besonders signifikanten Turmspirale von S. Ivo alla Sapienza weist, die von Descartes und der Kultur der Zeit beeinflußt ist.

Diese Universitätskirche, das Meisterwerk Borrominis, bildet als großes Gipsmodell das Zentrum der Ausstellung. Man sieht auch den Entwurf der Kirche und des Kollegs des Palazzo Propaganda Fide auf der Piazza di Spagna. Borromini durfte die Freude erleben, der Zerstörung des urspünglichen Projektes seines erbitterten Rivalen Gian Lorenzo Bernini beiwohnen zu dürfen. Die berühmte Polemik mit Bernini,dem Nachfolger Madernos konnte zeitlebens nicht geschlichtet werden. Der Besucher kann auch ein Modell der zauberhaften Kapelle von S. Carlino alle Quattro Fontane betreten, den kunstvoll aus Nußholz hergestellten Campanile von S. Andrea della Fratte bewundern, aber auch die Restaurierung der urchristlichen Fassade von S. Giovanni in Lateran verfolgen, die Innozenz X., der einzige ihm wohlgesinnte Papst, anläßlich des Heiligen Jahres 1650 Borromini anvertraute, ein Höhepunkt in seiner Schaffensperiode. Virtuelle Raumerlebnisse werden durch dreidimensonale Computerzeichnungen vermittelt: man wandert zum Beispiel in der nie realisierten Sakristei zu St. Peter in verschiedenen Stockwerken unter eindrucksvollen Gewölben, bis man das virtuelle Gebäude über einer Krypta beim Teutonischen Friedhof wieder verläßt. Diese Technik wird einem Raumplan von Adolf Loos verglichen.

Auch wirkliche Spaziergänge werden für die Dauer der Ausstellung auf den Spuren Borrominis veranstaltet, wobei man einige, dem Publikum sonst nicht zugängliche Orte, wie den Palazzo Pamphili auf der Piazza Navona, jetzt brasilianische Botschaft, die Palazzi Carpegna, Falconieri und Barberini, die Klosterkirche von S. Maria dei Sette Dolori und die Dreikönigskirche im Kolleg der Propaganda Fide sehen kann. Diese wertvollen Führungen werden den Besuchern der anschließend nach Wien übersiedelten Schau natürlich fehlen.

Obwohl Borrominis Kunst für manche gewagt oder irritierend wirkte, war er der Architekt der hauptsächlich dazu beitrug, daß Rom in jener Epoche die bedeutendste Barockstadt überhaupt wurde.

Palazzo della Esposizioni, Rom Bis 18. Februar 2000.

In Wien: 12. April bis 25. Oktober 2000.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung