Ungezügelte Leidenschaft

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Das Liechtensteinmuseum widmet sich der Ortsuche für ein Gemälde von Peter Paul Rubens.

Die Utopie ist schlichtweg der Nicht-Ort, und alles, was keine Bleibe hat, zieht weiter, vergeht. Im Umkehrschluss gilt dann, dass ein konkreter Ort und dessen Umgebung selbstverständlich einen Einfluss darauf haben, wie das, was eine Bleibe gefunden hat, auf uns wirkt. Das gilt natürlich auch für Kunstwerke. Der Geschichte einer ganz besonderen Ortsuche für ein Gemälde von Peter Paul Rubens nimmt sich derzeit das Liechtensteinmuseum in einer Sonderausstellung an.

Während der neuen Öffnungszeiten von Freitag bis Dienstag dreht sich dabei alles um Samson und Delilah. Der Antwerpener Bürgermeister Nicolaas Rockox gab beim gerade aus Italien zurückgekehrten Peter Paul Rubens eine Arbeit in Auftrag, die diesen alttestamentlichen Stoff ins Bild setzen sollte. Als Kaminbild sollte es im großen Saal seiner Patrizierwohnung am prominentesten Platz des Raumes die Blicke der Besucher auf sich ziehen. Rubens nahm die Herausforderung des konkreten Ortes auf und berücksichtigte in seiner Komposition sowohl das warme Licht der Flammen aus dem Kamin als auch das von links einfallende Tageslicht.

Doppelte Botschaft

Der biblische Stoff, der hier malerische Verarbeitung erfuhr, bot die Möglichkeit zu einer zumindest doppelten Botschaft. Einmal konnte der Bürgermeister damit seinen vornehmlich männlichen Besuchern das Resultat von ungezügelter Leidenschaft als moralische Belehrung vor Augen stellen. Samson, der unbezwingbare Kraftlackel, erliegt den Schmeicheleien der schönen Delilah. Auch wenn sie drei Anläufe braucht, um ihm das Geheimnis seiner Stärke zu entlocken, schließlich liefert sich Samson in der Blindheit der Verliebtheit den feindlichen Philistern aus: Delilah weiß nun, dass sie ihm die sieben Locken abschneiden muss.

Neben dem erhobenen Zeigefinger, bei dem einmal mehr die Frau als kluge Verführerin über einen liebevoll-beschränkten Mann herrscht, boten aber biblische Stoffe auch die Möglichkeit, den Blick auf Körperteile zu gewähren, den sonst die Religion verbot. Auch Rubens macht - wenngleich aus heutiger Sicht eher verhalten - von der Variante des verrutschten Kleides Gebrauch und präsentiert eine verführerische Delilah. Man kann wohl auch nicht die Religion mit der Religion austreiben, auch das erzählt die Geschichte von Rubens' Bild. Nachdem es nämlich um 1700 in den Besitz der Liechtenstein'schen Sammlung gekommen war, wurde es 1880 wieder veräußert. Einmal weil Unklarheit über die Echtheit bestand, vor allem aber aufgrund seiner Anstößigkeit. Nun ist es zumindest für eine Weile als Leihgabe zurückgekehrt und kann im Verbund mit einigen anderen Beispielen aus Rockox' Kunstkammer bewundert werden.

Samson und Delilah. Ein Rubens-Gemälde kehrt zurück

Liechtensteinmuseum

Fürstengasse 1, 1090 Wien

Bis 25.5. Fr-Di 10-17 Uhr (neu!)

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