6706867-1964_03_11.jpg
Digital In Arbeit

Verklärung des Schwarz - Weiß

Werbung
Werbung
Werbung

Das erste Verzeichnis der Radierungen Rembrandts verdanken wir Gersaint; es wurde aber erst nach dessen Tod von anderen veröffentlicht (1751). Sie fügten seinem Verzeichnis, das auf der authentischen Sammlung des Bürgermeisters Six beruhte, eigenmächtig 41 Blatt hinzu. Als Adam Bartsch 1797 ein neues Verzeichnis aufstellte, umfaßte es 375 Platten. Seit dieser Zeit sind noch mindestens 22 andere Radierungen Rembrandt zugeschrieben worden. Den ersten Anstoß zu einer kritischen Sichtung gab Sir F. Sey-mour Haden, der 1877 vorschlug, eine Ausstellung der Radierungen des Meisters zu veranstalten, um bei dieser Gelegenheit das Echte vom Wertlosen zu trennen. Das Ergebnis war bestürzend. Mindestens 150 Blatt wurden endgültig verworfen, als die Kenner historische und künstlerische Kritik betrieben. Ja Alphonse Legros ging so weit, daß er Rembrandt nur 71 eigenhändige Arbeiten zubilligte und weitere 42 in den Bereich der Wahrscheinlichkeit aufnahm. Der hier nun vorliegende Band, ein hervorragend ausgestattetes und gedrucktes Werk, huldigt nicht einer derart kritischen, vielleicht in manchem bestechenden Sichtung. Er hält einen neuzeitlich gesicherten, vernünftigen Standpunkt ein, der — eine Tat — auch die erotisch gewagten Blätter Rembrandts einbezieht.

Viel schon, fast zuviel, ist über das Ingenium dieses Meisters der Radierung geschrieben worden, dessen zeichnerische Vollkommenheit sich mit der Fähigkeit der Vision, einer unerschöpflichen (Ein-) Bildungskraft verband und daraus bewegende Gleichnisse menschlicher Existenz, menschlicher Schuld und seelischer Verklärung schuf. Vielleicht ist es aber doch von Nutzen, darauf hinzuweisen, daß all dies — im Grunde ein Wunder — in engstem Bezug auf die Wirklichkeit und in größter Freiheit zu ihr und mit ihr geschah, mit einer Disziplin, die dem Künstler die letzte Präzision abforderte, mit der Form Raum, Hell und Dunkel zu gestalten. Rembrandt hat in seinen Radierungen all das erfüllt und noch mehr. Von liebevollster Beobachtung der Realität ausgehend, gelangte er zu ihrer magischen Verwandlung, zum Gleichnis der Bibel und der Geschichte, zur Nacktheit und zu der Würde des Menschen. Sein Weg war einer der Läuterung. Den irdischen Staub und Kot abschüttelnd, klomm er irrend, reuig und liebend in die reinen Gefilde der Sternstunden der Menschheit. Dies mitzuerleben ist ein bewegendes Ereignis. Der ausgezeichnete Band des Schroll-Verlages, dessen Einführung mit Takt, Aufrichtigkeit und Liebe geschrieben wurde, gibt dazu eine unabschätz-bare Möglichkeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung