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Ausstellung Werner Scholz in Innsbruck
Werner Scholz, dessen 60. Geburtstag das Innsbrucker Ferdinandeum — wie auch Museen in Essen, Berlin und München — mit einer Ausstellung feiert, hat den deutschen Expressionismus mitgestaltet und die große Tradition dieser Bewegung bis in unsere Tage hinübergerettet. Eifersüchtig schien ihn zweimal das Schicksal an dieser bedeutsamen Rolle zu hindern. Einmal, als der 1898 in Berlin als Sohn eines Architekten geborene und an der dortigen Kunsthochschule ausgebildete Künstler im ersten Weltkrieg, 1917, eine Hand verlor; und zum zweitenmal, als ihn, den Maler sozialer und auch satirischer Bilder in der Linie von Käthe Kollwitz oder Otto Dix, 193 5 das Malverbot des Dritten Reiches als einen „Entarteten” traf, worauf alsbald auch seine Bilder aus allen Galerien entfernt und zum Großteil vernichtet wurden. 1940 zog sich Scholz, seelisch zutiefst verwundet, in die Einsamkeit zurück, flüchtete in das stille Alpbachtal nach Tirol. Hier ist er geblieben, hat sich ein altersbraunes, kleines Bauernhaus gekauft und unser Land immer mehr liebgewonnen. 1945 lernte ich ihn kennen, und es schien mir über seinem Wesen wie über vielen seiner Bilder eine scheue Melancholie aus leidvollen Erlebnissen heraus zu liegen, die heute, auf der Höhe seines Schaffens und seiner Anerkennung, einem ruhigen Emst gewichen ist.
Die Reihe der Bilder beginnt mit der „Tiergartenbrücke” von 1933, eine von ferne noch an August Macke erinnernde Bildschöpfung. Auch die „Nonne”, nur auf Dreieckformen hin gesehen, und ein dornengekröntes „Christushaupt” in schmerzhaft-grünlichem Kolorit stammen aus dieser Zeit. Es folgt 1943 das Bild „Reliquie”, 1947 „Vogelschlingen”, ein farbig ganz köstliches Stück, welches die seelischen Erlebnisse des Malers, der sich in den Maschen der Intoleranz verstrickt hat wie diese gefangenen Vögelchen, widerspiegelt. Die Unschuld, aber auch das Triebhafte der Tiere und ihr absoluter gegenseitiger Vemichtungswille sind dem Maler Gleichnis, wenn er etwa in der „Wasserwelt” (1954) das rhythmisch- heitere Dahinziehen blauer und rosa Fische malt oder in kostbaren Tönen das Spiel von Schmetterlingen und Kolibris (1955) oder den unheimlichen Kampf der Heuschrecken (1957).
In der Ruhe der Alpbacher Jahre beschäftigte sich der Künstler auch viel mit religiösen Fragen. Aus dem Alten Testament hat Scholz in Innsbruck unter anderem „König David”, „König Salomon” und „Judith und Holofernes” zur Ausstellung gegeben. Die Spannungen innerhalb der Bildfläche sind so stark, daß die Gestalten über den jeweils sehr einfachen und schlichten Rahmen hinauszuwachsen scheinen. In der psychologischen Durchdringung und im Willen zum Visionären steht Scholz in der Nähe von Nolde.
Aus inneren Spannungen und Erschütterungen entstanden auch Bilder zum griechischen Mythos. — Von den Landschaften beeindruckt besonders eine Alpbacher „Mondlandschaft” im Winter, „Salurn” mit der kühnen Haderburg und eine hochrechteckige, schmale Tafel „Alpbach”, ein Blick vom Stubenfenster des Malers, das karge und ernste Wesen von Nordtirol einmalig bündig eingefangen hat. — Wenn wir noch ein farbig gesättigtes Blumenbild und sechs zarte Kohle- und Pastellzeichnungen erwähnen, so ist der weite Umfang der bedeutenden Ausstellung dieses letzten deutschen Expressionisten, der in Tirol heimisch wurde, ungefähr umschrieben. Ein trotz harter Rückschläge imponierendes’Lebensmosaik, dem der 60jährige Werner Scholz noch viele kostbare Steine hinzufügen möge!
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