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Aus der Belletristik

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Wie die Zeit, so die Bücher. Alle Register der Seele geben ihren Grundton dazu. Klarheit und innere Hairang, Verworrenheit und Verlorenheit, schärfste Gegensätze ringen gegeneinander. Da ist das Buch von Walther Schienerl, „Licht jm Strom” (Roman, Zwei-Berge- Verlag, Wien), ein Lebensbild des großen Humanisten und Kardinals Nikolaus von Kues, nicht eigentlich ein geschichtlicher Bericht, sondern der Versuch, Leben und Wesen dieser Persönlichkeit „von innen her zu erhellen”, sein Suchen nach dem Unsichtbaren, seinen Kampf mit den geistlichen und weltlichen Gewalten, in dem sich schon die Reform an Haupt -und Gliedern ankündigt. Der Verfasser ist sicher ein begabter Schriftsteller, aber er gefällt sich in einer Übersteigerung von abrupten Gedanken, von Bildern und Paradoxa, in denen die Darstellung ebenso ertrinkt wie in dem tiefen Pessimismus, der aus der Verallgemeinerung des Häßlichen und Ungeordneten kommt.

„Das geborgte Haus” von Ann Mary Fi eiding (Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1947), ein Roman, der London im Elend des Luftkrieges zum Schauplatz wählt, setzt sich mit dem Unsichtbaren in einer anderen Form auseinander, hier ist es die Gewalt des Schicksals, das die Mensdien entwurzelt, dessen Opfer sie sind. Außenseiter der gesellschaftlichen Ordnung suchen und finden ein neues Heimgefühl in der Kameradschaft auf Gedeih und Verderb. — Ver. wandt dieser im Grund trostlosen Realistik ist das Büchlein „Eleonore” von Christine Garnier, aus dem Französischen übersetzt von Peter Mistral (Cesam-Verlag, Wien), die Geschichte einer Frau, die die Liebe sucht. Es gehört zur weitverbreiteten Literatur expressionistischer Genremalerei. Und anscheinend gibt es, um die letzten Tiefen des modernen Menschen auszuschöpfen, kein anderes Theater- nequisit mehr als Ehebruch in den verschiedensten Abwandlungen. Die menschliche Würde im Absturz! Die französische Literatur scheint reich an Büchern zu sein, die den Menschen so und nur so sehen. Oder ist es die Geschäftstüchtigkeit bestimmter Verlagsanstalten, die dem hiesigen Lesepublikum mit Vorliebe solche Bücher aus dem Französischen bringen.

„Der Schatte n”, Roman von Paul Vialar (Cesam-Verlag, Wien), schildert die Geschichte einer Häßlichen, die ihren Lebenshunger am Liebeserleben der Schwester sättigt, In der Bibliothek einer kultivierten Familie kann für solche Bücher kein Platz sein.

Daneben auch Literatur, die ethisch aufbauend und auifm-anternd wirkt. Leider fehlt solchen Büchern manchmal der starke und glaubwürdige Rhythmus der Darstellung und die Gewalt der Sprache. — „Benigna” von Catharina von Egerstorf (Montfort-Verlag, Feldkirch 1947) schildert die alles besiegende Kraft der Güte aus reinem Herzen, aber die Handlung ist konstruiert, nicht überzeugend, und die Sprache ist ebenso fehlerhaft wie die Korrektur. Wir müssen gerade an solches Schrifttum einen sehr strengen Maßstab anlegen.

Literarische Höhe haben die beiden Bücher von Adrienne Thomas: „Reisen Sie ab, Mademoiselle!” und „Ein Fenstej am Eastriver” (Alpenverlag, Salzburg). Beide Bücher spielen im Milieu der jüngsten Vergangenheit, aus dem Sturm des Nazismus über Europa, der alle Ordnung zerbricht und die Menschen wie Treiblaub vor sieh herfegt, und aus dem Widerhall dieser Geschehnisse jenseits des Ozeans. Die Verfasserin nimmt die Menschen wie sie sind, in dem buntgewürfelten Durcheinander von Idealismus und Realismus, Geistigkeit und Sinnlichkeit, Eigensucht und sozialem Vqrantwortlich- keitsgefühl. Die Darstellung ist der Wirklichkeit abgelauscht und mit der Erzählkunst etwa einer Alja Rachmanowa gegeben.

Ein wirklich schönes und feines Frauenbuch ist „Eine Frau erlebt die Polarnacht” von Christin Ritter (Lizenzausgabe für Österreich im Selbstverlag der Verfasserin). In der Einsamkeit der Polarwelt, wohin sie ihrem Gatten folgt, erfühlt eine Frau hinter den Dingen des Tages den Kreislauf des kosmischen Geschehens, das Geheimnis einer unsichtbaren Welt, die ihren sichtbaren Ausdruck in dem Gestirn findet, mit dem das Leben in der Natur kommt und geht, alles dieses vertieft durch ein starkes religiöses Empfinden. Die Darstellung ist überglänzt durch köstlichen Humor und packt durch die Schilderung aus unmittelbarem Erleben. Ein Buch, das auch für die Jugend ein Gewinn ist.

Troja. Drei Jahrtausende des Ruhms. Von Edwin Zellweker. Europa-Verlag, Wien.

Der Verfasser betont in seinem Nachwort, daß er weder Philologe noch Archäologe sei.

Das durch Fülle und übersichtliche Gliederung des Stoffes ausgezeichnete Buch über die weltberühmte Stadt Troja, die von einem Nichtzünftigen ausgegraben wurde, ist also auch von einem Nichtzünftigen geschrieben. Damit ist schon in etwa eine Charakteristik gegeben: was der Fachmann vermißt (zum Beispiel Quellennachweise, Genauigkeit, Vollständigkeit), wird durch Begeisterung, stilistische Gewandtheit, interessante Beziehungen, weite Um- und Ausblicke wettgemacht. Fachleute und interessierte Laien werden für die vortrefflichen Darlegungen über Trojas geographisch und politisch bedeutsame Lage, über den welthistorischen Kampf um die Dardanellen, über die bis auf Hellanikos zurückgehende Geschichte der Verbindung Ilion- Rom und über die durch trojanische Deszendenz begründeten imperialen Ansprüche verschiedener Staaten und Völker dankbar sein. Auch die knappe und klare Darstellung des genealogischen Mythos und die übersichtliche Charakterisierung der einzelnen „Schichten” von Hissarlik und der Grabungen von Calvert bis zu den Amerikanern sind sehr verdienstvoll — Unrichtige Schreibungen, die vielleicht nur dem Fachmann auffallen, hätten leicht vermieden werden können; saloppe Ausdrücke („Bandwurm der Großtaten!”) wirken auch etwas störend. — Sehr viel Wertvolles steckt in den zahl- und geistreichen Hinweisen (zum Beispiel auf die wichtige Rolle von Byzanz für die Bewahrung hellenischer Tradition). Es sei auch die geschmackvolle Ausstattung des Budies anerkennend erwähnt.

G. Herzog-Hauser Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzte- schule (1945—1947). Herausgegeben vom Pro- fessorenkollegium der med. Fakultät der Universität Innsbruck. 402 Seiten.

Nachdem vor kurzem Professor Breitner mit dichterischem Schwung seine Würdigung Paul Clairmonts erklingen ließ, erscheint nun ein anderes Werk aus dem medizinischen Innsbruck auf dem Büchermarkt. Es ist dies eine Sammlung. wissenschaftlicher Arbeiten, die für den ärztlichen Leser allein bestimmt sind. Die Veröffentlichung ehrt den Anatomen Professor Sieglbauer, dem sie zu seinem 70. Geburtstag gewidmet ist.

Die heimliche Offenbarung Johannis (Dürers Apokalypse 1498). Faksimiledruck. Mirabell- Verlag, Wien 1947. 18 Seiten und 16 Tafeln, Großfolio, Halbleinwandmappe. Preis 260 S.

Die „Heimliche Offenbarung Johannis” wurde von Albrecht Dürer als erste seiner drei großen Holzschnittfolgen im Jahre 1498 unter dem Titel „Apocalipsis cum figuris” in Form eines selbständigen Buches bei Anton Koberger in Nürnberg herausgegeben. Den Text der „Offenbarung” entnahm Dürer der 1483 bei Koberger erschienenen neunten deutschen Bibel die Drucktypen hatten bereits 1493 in der gleichfalls bei Koberger verlegten Schedelschen Weltchronik Verwendung gefunden. 1511 veranstaltete Dürer eiine zweite Auflage des Werkes mit lateinischem Text, wobei er den 14 Holzschnitten der ersten Auflage noch ein 15. Blatt („Johannes schreibend”) als Tttelholzschni hinzufügte.

Der vorliegende Faksimileabdruck ist nach einem in der österreichischen Nationalbibliothek verwahrten Exemplar der deutschen Ausgabe von 1498 in Originalgröße hergestellt. Während sich beim Original die Texte auf der Rückseite der Holzschnitte befinden, sind sie hier auf sieben eigenen Textblättern reproduziert und können dadurch bequem zum Studium der Bilder herangezogen werden. Da in der Inkunabel der Nationalbibliothek die Initialen fehlten, wurden sie zur Ergänzung des Schriftbildes aus der Augsburger „Biblia deutsch” von 149o übernommen. Die von der Salzburger Druckerei Etzendorfer & Co. im Verein mit der Wiener Kunstanstalt Hanke & Csöngei besorgte durchaus einwandfreie Wiedergabe des einzigartigen Werkes stellt der Leistungsfähigkeit des österreichischen Verlagsgewerbes das beste Zeugnis aus und läßt’ die Schönheit und Tiefenschärfe der monumentalen Dürer-Schnitte zu voller Geltung kommen.

Der Judas von Erl. Erinnerungen des Tiroler Passionsspielleiters. Von Anton Dörrer. Innsbruck 1948, Verlag Felizian Rauch. 48 Seitep.

Der beste Kenner, Erforscher und Erneuerer des tirolischen Volksschauspielwesens legt hier einen Ausschnitt aus seinen Erinnerungen an die Passionsspielaufführungen von Erl vor, die er 1912 und 1922 geleitet hat, und um die er sich nun wieder von neuem annimmČ. Um die köstliche Mittelgestalt des alten Rainer, des Judasdarstellers, sind die Persönlichkeiten und Eigenarten der Erler Spielgemeinde gruppiert. Man, hat aus wissenschaftlicher Feder schon lange kein so gutes Bild von Land und Leuten bei uns erhalten wie dieses, das aber freilich auch von einem wirklich Berufenen stammt.

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