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Jubiläum und Besuch

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Mit einer hübschen kleinen Ausstellung von Werken, die ihr Freundeskreis erworben hat, feiert die „Kleine Galerie“ in der Neudegger- gasse im 8. Bezirk das stolze Jubiläum ihres 20 jährigen Bestandes. Was ihr unermüdlicher Gründer und Leiter, Ing. Gerstenmeier, in dieser Zeit an direkter und indirekter Bil- dungs- und Erziehungsarbeit zur Kunst leistete, ist kaum abzuschätzen. Vielen jungen Künstlern hat er zum Debüt verholten, unschätzbare Sammlungen von Leihreproduktionen und Diapositiven für die Schulen und fürs Heim angelegt, eine eigene kleine Zeitschrift gegründet und Kunstfahrten und Vorträge veranstaltet. Seine aufopfernde Tätigkeit ist immer ein so selbstloses und leuchtendes Beispiel gewesen, daß man ihm und seiner aus dem Wiener Kulturleben nicht wegzudenkenden Galerie ein herzliches und aufrichtiges „ad multos annos“ zurufen muß.

In der Wiener Secession ist derzeit bis zum 25. Mai eine schöne und bewegende Ausstellung der Malerin Marie Louise Motesiczky zu sehen, die, eine gebürtige Wienerin, seit Mitte der zwanziger Jahre im Ausland, zuletzt in England, lebt. Als Beckmann-Schülerin ist sie unverkennbar durch die Form ihres Meisters geprägt, hat aber dessen malerisches Idiom zu einer persönlichen Aussage verwandelt. Die Bilder sind durchwegs von großer Qualität, in den Portraits von starker psychologischer Eindringlichkeit und liebevoller Unbarmherzigkeit (die Bildnisse der Mutter, der „Psychoanalytiker“ — wolgathering oder unraveling? —, Elias Canetti — die Zigarette ist ein zu harter Akzent —, Miriam). Alle diese sehr profilierten Gesichter sind mit einer insistenten Suche nach der Wahrheit des Menschen gemalt, die sich selbst nicht spart. Kompositionen und Stilleben zeigen die solide Schule Beckmannscher Kompositionstechnik, die sich schon in den sehr schönen frühen Bildern „Zwerg“, „Stilleben mit Photographie“, „Bei der Schneiderin“ zeigt. Die spätere Malerei hat an Traumhaftem, Unwirklichem gewonnen. Zärtlichkeit verbindet sich mit Poesie, Trauer und Tragik. Zwischen den beiden Selbstbildnissen, das eine aus dem Jahre 1926, das andere aus dem Jahre 1965, das eine bezaubernd, das andere ergreifend, liegt das voll gelebte Leben einer wirklichen Künstlerin, deren fragloses Können den Schimmer wirklicher Kunst, ergreifender Aussage in sich trägt Eine äußerst sehenswerte Ausstellung.

Obwohl im Laufe der Jahre fast ein Zuviel an polnischer Graphik in Wien zu sehen war, ist die Ausstellung „Polnische Graphik der Gegenwart" in der Staatsdruckerei äußerst beachtlich. Hohes technisches Können zeichnet fast alle Arbeiten aus, starkes Vorherrschen der Figuration und westliche Einflüsse ebenfalls, aber auch eine Reihe von starken Begabungen 1st feststellbar. Nur einige seien genannt. So etwa Stanislaw Dawski, mit picassesken Hochdrucken, Jerzy Panek, der sehr persönlich in seinen dekorativen Holzschnitten Klee variiert, Marian Malina und Roman Skowron, der Op- mit Pop-Art verbindet, Konrad Srzednicki und Ewa Sliwinska, die aus den Elementen und Zeichen der Großstadt dekorative Kompositionen formt.

Drei junge Malerinnen aus der Schule Prof. Pauser stellten im Studentinnenheim in der Hasen- auerstraße 29 Bilder und Graphiken aus. Alle drei, Renate Malina, Christa Prinoth und Renate Pucher, zeigten sich als beachtliche Talente, wobei sie in den Naturstudien farbige Sensibilität und in ungegenständlichen Kompositionen Geschmack bewiesen. Einer von ihnen die Palme zuzuerkennen fällt schwer, von ihrer Entwicklung ist noch vieles abhängig und viel zu erwarten.

In den Ausstellungsräumen der österreichischen Staatsdruckerei waren Arbeiten „Aus der Mappe Emst Martin Benedikts", des früheren Chefredakteurs der „Neuen Freien Presse“, und von Gisela Röhn ausgestellt. Sicher mag Benedikt ein Dilletant sein, seine Arbeiten, die zwischen den Bildern von

Schönberg, Ensor und Munch angesiedelt sind, haben aber bei aller einfachen Direktheit die Magie einer sehr persönlichen Aussage. Ihre Formlosigkeit ist persönliches Engagement, eine sehr verwundbare und verwundete Seele drückt sich in ihnen aus und ihre Kunstlosigkeit wirkt oft ergreifend. Gisela Röhn hat mit bemerkenswerter Konzentration Illustrationen zu Thomas

Manns „Joseph“-Roman geschaffen. Stilistisch bewegen sie sich zwischen Chagalls Bibelillustrationen und Kokoschka, vor allem in der Farbigkeit Eindrucksvoll ist, daß es der Malerin gelungen ist, die schwebende Mitte zwischen Gläubigkeit und ironischer Distanz (des Autors) zu halten. Eine sehr beachtliche „tour de force“, deren künstlerisches Fundament ganz anders — aber solide — im „Blechritter“ zum Ausdruck kommt.

Kurt Goebel in der Secession praktiziert in seiner Graphik, die auf Arbeiten aus Mischtechnik (sehr raffiniert) beruht, subtile Ästhetik, und dies mehr als Gestaltung. Wenn die Arbeiten nicht in Zuckerlrosa und Babybläu absinken, entstehen ,in.' ihren Amöbenformen, Zellenquerschnitten und biologischen Konfigurationen „gelenkte Zufälle“ von beträchtlichem ästhetischen Reiz.

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