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Carioca und Schwedenpunsch

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Zwei große Ausstellungen, die bis Ende Oktober noch in Wien zu sehen sind, führen uns in die klimatischen Extreme der Geographie, wenn auch nicht der Kunst, da sie durch die Pseudointemationalität des modernen Kunstjargons geeint werden. Und trotzdem lebt noch etwas vom nationalen Charakter sowohl in der Ausstellung „Brasilianische Kunst heute“ im Museum für angewandte Kunst, als auch in der Sezession, wo „Moderne Schwedische Malerei und Plastik“ zu sehen ist. An den internationalen Musterbüchern der Kunstzeitschriften haben sich die Maler beider Länder orientiert, die Brasilianer sichtlich auch noch an dem Jahrmarkt ihrer Biennalen, die ihnen offenkundig ein handliches Vokabular und auch die nötigen Techniken geliefert haben.

Uberhaupt schneidet die brasilianische Ausstellung gegen die auf geradezu gefährliche Art unterkühlte Schau des Nordens etwas besser ab, das Analytische und Destruktive tritt in ihr nicht so klar zutage, wird vielmehr von dekorativen, naiveren Kräften aufgefangen, während in der Sezession der absolute Eindruck der Bankrotterklärung einer Wohlstandsgesellschaft, der Wohlstandsverwahrlosung, eines kraftlosen Nihilismus vorherrscht. Hier scheint wirklich, nach einem Wort von T. S. Eliot, die Welt „nicht mit einem Knall, sondern einem Gewimmer“ zu enden. In der allgemeinen Öde fallen die großen, dekorativen Panneaus von Endre Nemes und Lage Lindell sowie vor allem zwei kleine „Bilder“ von Torsten Renqvist noch einigermaßen auf. Die gegenständliche Malerei und Plastik ist, wie auch in der brasilianischen Ausstellung, äußerst schwach vertreten.

Am Stubenring halten sich manche der Bilder noch durch ihre rein dekorativ-ästhetische Qualität, darunter besonders die Großformate der naturalisierten Japaner Manubu Mabe und Tomie Ohtake, die Arbeiten des aus Ungarn gebürtigen Yolanda Mohalyd und die Op-Art-Fourhierklebereien von Abraham Palatnik. In der zahlreich repräsentierten Graphik besticht vor allem die meist große technische Vollendung, mit der hier durch verschiedene Tricks Gestaltung vorgetäuscht wird. So besonders bei Farnese de Andrade, Aldemir Martins und Roberto de Lamonica. Sympathisch berühren hingegen die Arbeiten von Darel, Edith Bering und Roberto Magalhaes. Für den unbefangenen Betrachter spiegeln sich allerdings die bedeutendsten Möglichkeiten zeitgenössischer brasilianischer Kunst in den Wandteppichen von Jacques Douchez und Roberto Nicola.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat Fritz Martinez nicht sehr wesentlich weitergebracht. In seinen Zeichnungen herrscht noch immer eine penetrante pathetische Vulgari-tät, die durch eine pseudoeezan-nische Strukturierung nicht verdeckt werden kann. Am stärksten berühren an den oft peinlichen Blättern die manchmal an den Rand gezeichneten Skelettstudien, die Ansätze zu einer mehr auf das Wesentliche gerichteten Formdisziplin zeigen. Eine ältere Schlachthofzeichnung ist das beste Blatt der Ausstellung in der Zentralbuchhandlung beim Stephansplatz.

Einen recht geschlossenen Eindruck vermittelt die Kollektivausstellung Oskar Matullas in der Sezession. Bleiben die Ölbilder auch stark im Dekorativen befangen, so besitzen sie doch einen konstruktiven Bildbau und eine dichte — oft zu dichte — Farbigkeit. Die Graphiken offenbaren ein erstaunlich reichhaltiges technisches Vokabular, und unter den Aquarellen fallen zwei Arbeiten durch ihre poetische Farbigkeit und knappe Formgebung auf. Eine sympathische Ausstellung, die den dünnen und sauren Schwedenpunsch zur ebenen Erde aufwiegt.

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