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Mit Stift und Gift

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Zwei ausgezeichnete österreichische Graphiker stellen derzeit gleichzeitig in Wien aus, und man sollte beide Ausstellungen nicht versäumen. Der eine ist Johannes Wanke, der in der Galerie Würthle vier Holzschnittzyklen zeigt, der andere Gotthard Muhr, der in der Künstlerhausgalerie Radierungen der letzten drei Jahre präsentiert. — Wanke gelingt es in seinen Blättern, mit der ihm eigenen großzügig verdichtenden expressionistischen Zedchenhaftigkeit das Gesicht einer Landschaft emblemhaft zu gestalten und dabei sogar, wie in den Veduten von Schönbrunn, Atmosphäre zu suggerieren. Muhr setzt in seinen manchmal sparsam farbigen Aquatintablättern wenige Objekte und Formen zu mehrdeutigen Metaphern um, die in ihrer unheimlichen und düstern Kargheit oft sehr suggestiv wirken und hie und da an Goya erinnern. 1

Graphik zeigen auch Jascha und Heinz Günter Leitner in der Galerie in der Dommayergasse in Hietzing. Der Aktionist Jascha debütiert damit als durchaus ernstzunehmender Zeichner, dessen mit Rasanz hingeschriebene große Graphitblätter im Umkreis des expressiven und des gegenstandslosen Surrealismus, des mittleren Miro und der „Cobra-Gruppe“ stehen. Heinz Günter Leitner vertritt eine „Projekt-Art“ oder „Konzept-Art, die sich mit mehr oder weniger abstrusen Spekulationen über das Sehen befaßt und weder zeichnerisch noch gedanklich überzeugen kann.

Mit dem Nationalpreis der DDR wurde im vergangenen Jahr der 1904 geborene Maler Curt Querner ausgezeichnet, der zwischen 1926 und 1930 bei Richard Müller und kurz bei Otto Dix in Dresden studierte. Seine realistischen und schwerblütigen Ölbilder wirken daher anfangs auch als von Dix und der „Neuen Sachlichkeit“ geprägt. Eine scharfe, von den altdeutschen Meistern beeinflußte Zeichnung verbindet sich mit einer tonigen Farbigkeit, die erst in den letzten Jahren im Vortrag größere malerische Freiheit gewinnt. Stärker als diese der Vergangenheit zugewandte Malerei berühren die großzügigen, farbig und fließend gemalten Aquarelle, die, ganz anders, den Geist des deutschen Expressionismus verkörpern und zurückhaltend im Motiv eine karge und arme Landschaft atmosphärisch darstellen.

Aus Straßburg stammt der 1931 geborene, heute weltbekannte Graphiker Tomi Ungerer, der seit 1956 vor allem in den USA größte Erfolge erzielte und allein dort mehr als 50 Auszeichnungen und Preise erhielt. Er bedankt sich dafür mit Karikaturen, die wohl die seit George Grosz und Otto Dix bösartigste Gesellschaftskritik darstellen, und die. mit anderen Cartoons, Plakaten und Kinderbüchern von seiner Hand, nun im Museum des 20. Jahrhunderts zu sehen sind. So berechtigt Ungerer manchmal die Grenzen des guten Geschmacks allerdings bedenklich überschreitende bittere Zeichnungen auch sein mögen, so fragwürdig werden sie durch seine graphischen Arbeiten aus jüngster Zeit, die, in ihrer perversen Erotik der Grausamkeit, Ungerer gerade als ein Produkt dieser Gesellschaft und dieser Zeit ausweisen, die er zu geißeln vorgibt. Zu diesem zweifelhaften Ethos gesellen sich dabei dort, wo Ungerer nicht auf vorgeformte Stilelemente und graphische Floskeln zurückgreifen kann, durchaus die Schwächen und Leerstellen einer eklektischen Zeichnung. Überzeugend wirken jedoch die bunten, oft an Leupin erinnernden Plakate mit ihren recht originellen Gags und surrealen Bildwitzen sowie die Kinderbücher, in denen dieser geschickte Kunstgewerbler seine verspielte Seite zeigt.

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