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Tendenzen

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In zwei Galerien sind derzeit Ausstellungen zu sehen, die es sich angelegen sein lassen, der österreichischen Kunst den Puls zu fühlen. Die eine in der Galerie St. Stephan nennt sich „Österreichische Kunst seit 1945 — Die wirkenden Kräfte“ und weitet den Horizont der Galerie in geradezu sensationellem Maß, die andere, in der Galerie im Griechenbeisl, nimmt ebenfalls für sich in Anspruch, „österreichische Kunst“ — aber die „Tendenzen seit 1960“ — zu vertreten. Pikanterweise ist keiner der Aussteller in beiden Galerien zugleich vertreten.

Über das, was wirkende Kräfte und „Aktuelles“ ist, läßt sich je nach Einsicht und Umsicht debattieren und streiten. Setzt man aber nicht nur phänomenologische, sondern rein künstlerische Maßstäbe, so ist es nicht überraschend, wie überragend in der Ausstellung der Galerie St. Stephan

Herbert Boeckl mit seiner großen Tafel „Erschaffung“, den Aquarellen und Graphiken in der Malerei (wie Wotruba in der Plastik) dominiert. Die kluge und gewiß nicht tendenzlose Hängung geht seinem Einfluß bis in die seltsamsten Verästelungen nach, selbst bis dorthin, wo im Mißverständnis „Stilbildung aus Unvermögen“ erfolgt. Die damit aufgezeigten Abgründe wären wohl geeignet zum Nachdenken und zur Besinnung zu veranlassen. In der Graphik ist ein anderer Anreger — Kubin — vor allem mit den „Kämpfenden Tieren“ und der „Herbststimmung“ bestens vertreten, Moldovan mit sehr schönen Zeichnungen, Hrdlicka und Schönwald mit Radierungen repräsentiert. Zwei aquarellierte Federzeichnungen aus dem Nachlaß von Kurt Absolon zeigen die ganze lyrische Begabung des Verstorbenen, von den Dobrowsky-Aquarellen überzeugt der „Gspöttgraben“ am ehesten, während das Aquarell „Kreuzigung“ von Kokoschka leere Virtuosengestik und seine „Tulpen“ nicht einmal das mehr sind. Die eigentlich hinter der „Wiener Schule“ wirkende Kraft — Gütersloh — ist nicht vertreten, während man sonst allzuoft gesehene Bekannte wieder trifft. In der Plastik fallen bei der jungen Generation der „Torso“, von Avramidis, Bertonis etwas ästhetisches „Kreuz“, Hoflehners „Plastik 1955“, der „Torso“ von Navsica Pastra, Pillhofers „Radfahrerin“ und der — schlecht placierte — „Kopf“ eindringlich auf. Die Arbeiten von Andreas Urteil lassen seinen frühen Tod besonders schmerzlich erscheinen. Eine keineswegs vollständige aber äußerst interessante und in ihrer Anordnung bemerkenswert kluge Ausstellung.

Die „Tendenzen“ der „Galerie im Griechenbeisl“ beschränken sich vor allem auf die Hausherren und deren Freunde. Dieser Horizont bestimmt auch das Maß. Hier ist es Gottlieb Fabian, der mit seinem bestrickend geschmackvollen Ölbild im großen Format dominiert, während Mario Decleva ein Bild in der Art Max Weilers beisteuert — seit langer Zeit sein bestes. Bei Fruhmann verbindet 6ich Simplizität mit nervöser Delikatesse, diese fehlt bei Rotterdam ebenso wie auch die rudimentärste Zeichnung. Die „magischen Kreise“ von Uta Prantl Payrer haben sich inzwischen zu Krapfen deformiert, während das Ölbild von Barna von Sartory mit seinen beiden Nudelwalkern einen hübschen Rebusscherz darstellt. Fritz Riedls hält sich durch seine Festigkeit und Dynamik. In der Plastik überzeugt die sensible Dekoration von Hartlauer und die archäologische Beschlagenheit — diesmal chinesisch — von Maria Biljan-Bilger in ihren Kerzenleuchtern. Auch Moswitzer njuß jun Chinesisches gesehen haben. Der Rest sind meditative Briefbeschwerer und ein 'granitener

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