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Goldener Sonntag für die bildende Kunst

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Wien ist Musik- und Theaterstadt und lernt es erst langsam, Paris (und München!) in der Malerei nachzueifern. Die S e c e s s i o n (diesmal eigentlich das Kulturamt der Stadt Wien, das für die Ausstellung verantwortlich zeichnet) macht uns Leben und Urteil dadurch reichlich schwer, daß zum Zweck, jedem etwas zu bieten, einfach alles geboten wird. Ob diese schwierige Matura für den künstlerischen Geschmack zugleich eine Tat der Kunsterziehung sein soll, läßt sich weder im voraus noch im nachhinein feststellen. Ein fast okkultes Phänomen fällt uns dabei unwillkürlich auf: die Trilokation der Tüchtigen. Man findet sie nicht nur im Musentempel des Jugendstils, sondern auch bei Würthle, Weihburggasse, und in der Galerie St. Stephan, Grünangergasse l/II. Da ist Mikl mit einer zarten Farb-komposition und formenreichen, durchdachten Radier rungen. Lehmden faßt Brüchigkeit des Daseins ins graphische Blatt. Bertoni ist mit einem klarfarbigen Litho vertreten, Hoflehners unverkennbare Handschrift finden wir in Aquarallelen. Schließlich wäre zu erwähnen, daß bekannte Namen allzu Bekanntes bieten und daß trotzigen Avantgardisten ebenso trutzige Reaktionäre gegenüberstehen.

Würthle (Parterre) wählt mit sicherer Hand aus dem nicht zu umfangreichen oeuvre der jungen Generation. Würthle (1. Stock) zeigt geglückte Ankäufe in- und ausländischer Autoren. Würthle (im

Austragstüberl, links von der Stiege) bringt den Nachlaß von Welz. Zurück ins Parterre. Hier begrüßt man „alte“ Bekannte, ist aber erfreut, Absolon, Pack, Avramidis, Moldovan, Hollegha neu zu begegnen: Pack mit farbig feinabgestimmten Aquarellen, Absolon mit schreckhaften Themen. Moldovan fällt mit dämonisch geladenen X-Füßlern auf. Er meint, nicht nur seinen Duktus in der Feder, sondern frühzeitig (für Lebensdauer?) sein Thema gefunden zu haben: nämlich Käfer und Insekten.

Eine ähnlich selektive Hand waltet in der Galerie St. Stephan. Grünangergasse, die schon zweimal der jungen Generation eine Chance bot. Hier wieder Mikl, der den Beweis führt, daß er für sakrale Fenster in Betracht gezogen werden kann. Wieder Rainer, Bertoni, Pillhofer, Avramidis. Moldovan, Hollegha. Franziska Wjbmer erregt Aufmerksamkeit durch interessante Variationen über das Thema Akt. Jakob Laub zeichnet kühl und aufrichtig, Marcile Boogs Plastiken berühren angenehm durch daseinskräftige Form, Praschensky malt in vornehmen Farben ein abstraktes Bild. Carl Unger ist mit klar formulierten Landschaftsbildern vertreten.

An kirchlicher Thematik reich ist die Ausstellung der O e s t e r r e i c h i s c h e n Gesellschaft für christliche Kunst, die diese zusammen

mit der “Oesterreichischen Staatsdruckerei in deren Räumen (Wollzeile) veranstaltet. Allerdings fehlt hier oft die künstlerische Glaubhaftmachung.des, dar gestellten Inhalts. In guter handwerklicher Ausführung bietet die bisher bei Kirchenbauten vielbeschäftigte Lydia R o p p o 11 einen Gobelin, „Madonna-mit dem Kind“, in heftigen Farben. Echtes lyrisches Empfinden zeigt Godwin Eckhart in seinem kleinen Franziskus-Bild. Hildegard Joos folgt sichtlich dem Vorbild Rouaults. Der Würde des Kultes entsprechen die mit Sorgfalt und kultiviertem Geschmack gefertigten Kasein von Hedwig und Luise Krizek. Otto Beckmann gestaltet magisch das alt-testamentliche Thema der Himmelfahrt des Elias, erreicht jedoch nicht mehr als dekorative Effekte.

Alles in allem: Werden die hier in Erscheinung tretenden Kräfte imstande sein, den großen Aufgaben des Kirchenbaues von morgen gerecht zu werden?

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