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Hinweis auf die Wirklichkeit

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In der Galerie W ü r t h 1 e, Wien I, Weihburggasse 9, sind derzeit die Arbeiten zweier Vertreter jener Generation zu sehen, die in der Kunst immer noch die „junge“ genannt wird: Graphiken von Kurt Absolon (geb. 1925 in Wien) und Photographien von Wolfgang Pfaundler (geb. 1924 in Wien). Das Werk beider berührt durch die künstlerische Haltung und das hohe handwerkliche Können, das in ihm zum Ausdruck kommt, ungemein sympathisch.

Dabei wäre es verfehlt, Wolfgang Pfaundler als einen Photokünstler zu bezeichnen; außer man verwendet das Wort „Künstler" in jenem säkularisierten Sinne, der jedem Meister seines Faches den Namen Künstler zuerkennt (und einen Artisten zum Beispiel als Trapezkünstler bezeichnet). Das ist Pfaundler nicht, und das will er nicht sein. Sein Anspruch geht nicht soweit, die Photographie als eine neue Kunstgattung darzustellen. Er führt sie vielmehr wieder zu ihrer ursprünglichen Bedeutung, ein direktes, unverfälschtes Bild der Welt zu geben. Diesen Weg geht er mit beispielhafter Redlichkeit und Konsequenz.

In Pfaundlers Photographien dominiert der Gegenstand über die Photographie. Eine Ausstellung alles dessen, was man mit einer Kamera' leisten kann — wir besprachen sie vor drei Jahren —, wurde „Subjektive Photographie“ genannt. Pfaundlers Ausstellung müßte heißen: „Objektive Photographie.“ Bewußt schaltet er sein persönliches Temperament aus. Sein Objektiv ist Wahrhaft objektiv. Er will ein unverfälschtes Abbild geben und verzichtet auf alle Tricks, alle Spielereien, alle Mätzchen. Er gibt Schnappschüsse — der Augenblick der Aufnahme ist ihm wichtiger als die Arbeit im Labor,

Pfaundlers Photographien sind ein Hinweis auf die Wirklichkeit. Seine Bilder sagen: dies habe ich gesehen — in Florenz, in Paris, im Wiener Prater; am Meer, bei einer Prozession, in der Picasso-Ausstellung und unter Tag. Diese Bilder fordern auf, selbst näher hinzusehen auf unsere Welt; auf das Kleine und auf das Große. Sie dienen einer Schärfung unseres Wahrnehmungsvermögens. Sie lehren sehen. Pfaundler hat manche Entdeckungen gemacht: auf einem Bergfriedhof im Schnee und bei geknickten

Gräsern. Er ist ein bedeutender Photograph unserer Zeit.

Kurt Absolon will mehr als einen Hinweis auf die Wirklichkeit geben. Er versucht sie zu gestalten. Er versucht sie zu verwandeln und neu erstehen zu lassen in den sparsamen Strichen auf einem weißen Blatt. Und dies gelingt ihm am besten, wo er am sparsamsten ist mit den Mitteln. In seinen Zeięh- nungen besser als in seinen sehr ästhetischen Aquarellen, und von den Zeichnungen wieder am besten in den reinen Schwarzweißzeichnungen, die auf alle dekorativ gesetzten Grautöne verzichten.

Neben Kurt Moldovan, Anton Lehmden, Wolfgang Hutter, Paul Flora, Rudolf Kolbitsch, Karl Kreutzberger, Gerhard Swoboda — um nur die wichtigsten Namen der gegenwärtigen Elite jüngerer Graphiker zu nennen — hat Kurt Absolon längst seinen festen Platz, denn seine Arbeiten haben ihr eigenes Profil.

In Kurt Absolons Werk scheinen im Augenblick zwei Kräfte miteinander im Kampf zu liegen. Der einen geht es nur um Präzision — hart und genau zu sagen, was das innere Auge gesehen hat, auch wenn es dem Betrachter kalt und unbarmherzig erscheinen mag. Die andere Kraft versucht auszugleichen, das Geschaute verbindlicher zu machen, dem Auge des Publikums entgegenzukommen (wenn auch nie um seine Gunst zu buhlen). Wir ziehen die erstgenannte Kraft vor. Ihr entstammen so vortreffliche Blätter, wte .DtP’Stitt , üMWtör“, „Hartekifl-und’ftatth „Die schwärzen’ S'tlefe der Camargue“ sowie die beiden Blätter „Pariser Nachtcafe". Neben diesen „pieces noires" können die „pieces rouges“ nur schwer bestehen.

Wo Absolon am besten ist, wirken Menschen und Gegenstände seiner Graphiken wie aus dem Mutterleib gerissen — in einem sehr frühen Zustand ihrer Entwicklung also gesehen, in dem sich aber schon visionär ihre spätere Bestimmung und ihr Schicksal abzeichnet. Wenn der Künstler diese Linie weiterverfolgt, wird man noch sehr viel von ihm erwarten dürfen.

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