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DIE DÄMONEN SIND BEURLAUBT

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Ein Gespräch mit dem Maler Kurt Motdovan

Kaum einer unter den jüngeren bildenden Künstlern Österreichs ist mit so vielen Arbeiten an die Öffentlichkeit getreten und hat darauf so wenig Selbstpropaganda verwandt wie Kurt Moldovan. Während andere durch stete aufdringliche Betriebsamkeit Publikum und Presse ermüden, behauptet er seinen Rang im österreichischen Kunstleben konstant seit Jahren. — Der Erfolg seiner letzten Ausstellung von Aquarellen in der Galerie Würthle hat es einmal mehr erwiesen, und — was seit Kriegsende noch nie dagewesen ist: die Ausstellung wurde ausverkauft, die Kritik war einmütig positiv. Verfolgt man den heutigen Kunstbetrieb, seine gelenkte Marktwirtschaft, das Managertum, das bis zum Kunstterror ausartet — denken wir nur an die“ Stellung, die Tachismus und informelle Malerei zur Zeit in der offiziellen Wertordnung innehaben, oder an die Pseudo-Moderni-tät, die man den Surrealisten abzukaufen geneigt ist —, könnte einen der Erfolg Moldovans nahezu mißtrauisch machen. Sind unsere Maßstäbe nicht bereits so verwirrt, daß uns eine organische, seriöse Künstlerkarriere verdächtig erscheint? Moldovan erbringt gerade durch die unprätentiöse, sachliche Haltung, mit der er sich seit 15 Jahren seinem Publikum stellt, den Gegenbeweis.

MOLDOVAN: Ich glaube, das Publikum ist müde, Ausstellungen als das modische Anhängsel einer modischen Vernissage zu betrachten. Eine Ausstellung ist kein Strip-tease mit weißen Mäusen und exotischen Musikbeigaben, wobei ein billiger Wein ausgeschenkt wird, sondern eine gnadenlose Sache zwischen Künstler und Publikum. Denn sich stellen, heißt nicht, sich ausziehen! Die Leute wollen wieder Bilder sehen, an der Wirklichkeit teilnehmen, mit der sich der Künstler auseinandergesetzt hat. Ohne Anschauen gibt es für mich kein Erleben der Welt, keine Malerei.: vk BW '“.....

FRAGE: Sie sehen Ihre künstlerische Aufgabe darin, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen?

MOLDOVAN: Ich glaube, jeder Künstler ist auf der Suche nach der Wahrheit. Auf dieser Suche kommt er um die Wirklichkeit nicht herum. Dabei ist es nicht immer leicht, echte und erwünschte Empfindungen auseinanderzuhalten.

FRAGE: Demnach scheinen Sie die Wahrheit in der gegenstandslosen Kunst zu vermissen?

MOLDOVAN: Ja. Ich halte sie für unverbindlich, weil sie letztlich vom Erzeuger wie vom Betrachter unkontrollierbar ist und in die Millionen Varianten des Geschmacklichen ausweicht. Daß ich jetzt vier Jahre keine Ausstellung meiner Arbeiten gezeigt habe, hat seinen Grund darin, daß es mir unmöglich erscheint, 365 Kunstwerke im Jahr zu produzieren. Ich bestaune gewisse „berühmte“ abstrakte Maler, die in 14 Tagen eine Aus-Stellung „zusammenmalen“.

FRAGE: Sie stehen der abstrakten Kunst mißtrauisch gegenüber?

MOLDOVAN: Nein, aber ich halte sie nicht für etwas Selbständiges, sondern sie wird beim Bildaufbau mitverwendet. Für sich selbständig machende Gesten aus Pinselhieben, Malmaterien, Collagen, Durchlöcherung oder Übermalung und automatistische Bedeckung der Malfläche habe ich nichts übrig. So regt mich auch eher Velasquez an wie die automatistischen Kritzeleien auf dem Telephonblock, die zu Ruhm gekommen sind. Auch der Basteltrieb der Wiener surrealistischen Schule läßt mich kalt. Ich unterscheide zwischen Schockieren und echtem Schrecken. Mit wirklichen Dämonen läßt sich nicht basteln.

Kurt Moldovan spricht von Dämonen nicht von ungefähr. Sie bevölkern hunderte seiner Blätter. Sein aggressives zeichnerisches Temperament, das sich so gern der Rohrfeder bedient, die seiner spontanen Niederschrift entgegenkommt, hat sich nicht umsonst an Goya, Beckmann und Kubin, wie er bekennt, entzündet.

Der Kampf — fünf Jahre Krieg sind an ihm nicht spurlos vorübergegangen — ist eines seiner zentralen Themen. Der Krieg zwischen den Menschen. Der Kampf zwischen den Geschlechtern. Das Mitleid mit den Ungeheuern. Das friedliche Zusammenleben mit dem Schrecken. Manchmal deutet Moldovan auch Situationen des humour noir an. Mit scharfem Blick durchforscht dieser intelligente Künstler das theatrum mundi, wo er seine Modelle findet. Karnevalsszenen, Maskenfeste, Zirkusmanegen, Schlachtfelder, Architekturen, Cafes. Gärten und Boulevards schneidet er mit seinem gefräßigen Strich an wie der Esser den Braten und manchmal wie der Chirurg den Tumor. Meist zeigen seine Graphiken den Menschen in Grenzsituationen, zwischen Spiel und Bedrohung. Steigerungen ergeben sich in die Ironie, die Satire und den Aberwitz.

FRAGE: Pflegen Sie nicht auch Umgang mit Drachen?

MOLDOVAN: Ach so, Sie spielen auf den Titel meines kleinen Büchleins an, das 1957 in der Schweiz erschienen ist.

FRAGE: Wie ist das eigentlich entstanden?

MOLDOVAN: Wenn ich ehrlich bin — zufällig. Ich habe in den Jahren nach dem Krieg fast jeden Monat eine Kurzgeschichte geschrieben, um den Zins bezahlen zu können. Zwölf, die vom „Umgang mit Drachen“ erzählen, sind in dem Buch enthalten, das mein Freund Paul Flora illustriert hat. Damals habe ich in den kalten Monaten in einem kleinen Pferdewett-Cafe im dritten Bezirk gezeichnet und geschrieben. Die Leute redeten dort in einer verschlüsselten. Gehermsprache aus Ziffern 'und Pferde--namen. Trotz bescheidenster Zeche hielt man rhir immer einen Tisch reserviert. Darauf entstanden auf Schreibmaschinenpapier meine ersten graphischen Zyklen: „Capriccios“, „Antike Szenen“, „Fin de siecle“, „La guerre des hommes“, „Monatsbilder“.

FRAGE: Haben Sie zu der Zeit auch schon verkauft?

MOLDOVAN: Manchmal an Privatleute, und die Albertina kaufte damals die ersten Blätter an, darunter den gesamten Zyklus „Monatsbilder“. Erst seit Beginn der fünfziger Jahre habe ich einen privaten Sammlerkreis.

Moldovan, der nie ein Manifest, wohl aber eine Menge lustiger Geschichten geschrieben hat, ist durch das Ballettszenarium zu Theodor Bergers „Jahreszeiten“ sogar an die Wiener Staatsoper gekommen. Als Kunstkritiker des „Bildtelegraf“ hat er von 1954 bis 1956 eine ebenso spitze wie noble Feder geführt, denn ...

MOLDOVAN:... es ist nicht so weit von der Selbstkritik zur Kritik am Werke anderer. Ich halte mich für einen strengen Selbstkritiker, und bin ein Liebhaber des Autodafes. Ich verbrenne viel und trage oft tagelang nur meinen vollen Papierkorb zum Coloniakübel als Ergebnis meiner Bemühungen. Wenig halte ich von Theoretisieren, Diskussionen über Kunst, aber viel von dieser praktischen Kritik, die im Wegwerfen besteht. Dazu zwingt einem auch die Technik des Aquarells, was heißt: auf eine schnelle Art langsam zu malen. Ein Seiltanz, der oft mit einem Fall in den Papierkorb endet.

FRAGE:, Wo haben Sie Ihr Kunststuiun betrieben?™'™0 MOLDOVAN: Vor allem in “meinen vier Wänden; aber vor dem Krieg einige Semester an der Kunstgewerbeschule in Wien, darnach an der Akademie der Bildenden Künste bei Professor Pauser und ein Jahr an der Academie des Beaux Arts in Paris durch ein Stipendium der Republique Francaise.

FRAGE: Sie haben sich in letzter Zeit von der Graphik stärker zur Maierei hingewandt. Was sind Ihre bevorzugten Themen?

MOLDOVAN: Gegenwärtig male ich vor allem Landschaften. Besonders reizt mich die Peripherie der Großstadt mit ihren verwischten Übergängen ins Niemandsland. Malreisen unternehme ich mit meinem Moped ins Burgenland, ins Waldviertel und sogar bis nach Holland.

FRAGE: Was haben Sie aus Paris mitgebracht?

MOLDOVAN: Die Litographie. Angeregt von den Litogra-phien Picassos, die ich dort im Original in die Hände bekam, beschäftigte ich mich vorwiegend mit dieser Technik. Ich darf in aller Bescheidenheit sagen, daß ich durch meine dann in Wien gezeigte Litographieausstellung in der Galerie Würthle das Interesse bei meinen österreichischen Kollegen dafür geweckt habe.

Der überaus reiselustige Künstler hat sich — rechnet man die Kriegsjahre in Polen und Rußland dazu — in ganz Europa herumgetrieben, hat es als Autostopper nach dem Krieg abgetrampt und als Stipendiast in Rom, Paris und Stockholm gelebt. Während seiner Reisen fand er, mit Ausnahme von Spanien und Marokko, nie so recht Zeit, zu malen. Er hält es mit Wotrubas Wort: „Ein Tourist ist kein Artist.“ Außerdem war das Geld sehr knapp, und die Energie verzehrte sich im Schauen. In Rom wiederum war die Geschichte stärker.

MOLDOVAN: Ich mußte die Steine zum Reden bringen. So entstanden wenige Aquarelle, aber als Fremdenführer am Forum Romanum könnte ich mir ohne weiteres mein Geld verdienen.

Er könnte sich das auch als Bühnenbildner; die sensationell aufgenommenen Schwarzweiß- und Farbbildprojektionen für das Volkstheater zu Stücken von Dylan Thomas und Ionesco bewiesen es. Oder als Illustrator: Moldovan hat sehr viel illustriert; in Zeitungen, in allen österreichischen Kulturzeitschriften, die seit 1945 entstanden und zugrundegegangen sind, ganze Bücher, von Federmann, Riemerschmid u. a., Theaterprogramme. Er hält das nicht für seine eigentliche Arbeit, aber es gehört zum Handwerk — und bringt Brot; und alles, was damit zusammenhängt. Denn er liebt gutes Essen, wie er sagt, konservative Anzüge, auf Glanz polierte Schuhe. In seinem Atelier aber, dem ordentlichsten, aufgeräumtesten und saubersten Atelier, in dem ich je einen Maler habe arbeiten sehen, will er malen, Bilder malen.

MOLDOVAN: Eine Frau, in einem schwarzen Kleid, mit einem schwarzen Hut, auf einem schwarzen Sessel; oder ein Mädchen, in einem Garten, auf einem Liegestuhl; das einmal malen können, das ist mein Wunschtraum.

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