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Debüt und Wiederholung

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Daß in Wien seit nicht allzu langer Zeit neue Galerien aus dem Boden schießen, wäre an und für sich ein erfreuliches Symptom, wenn die bildnerischen Impulse und Leistungen damit Schritt halten würden. Zu jedem Anfang gehört aber wahrscheinlich eine erste Unsicherheit des Beginnens, und so bleibt die Hoffnung, daß mit der Zeit das Gleichgewicht zwischen Wollen und Können erreicht wird. In den Räumen der Zeitung „Magyar Hiradö“, I, Liebenberg-gasse 7XEcke'Gartenbaugrurid und Ring), im O.Stock, “stellen' fünf“ Schüler der Hochschule' für angewandte Kunst ihre Graphiken und Aquarelle aus. Von ihnen erscheint Manfred S t e f an e r als der Ausgereifteste. Seine Graphiken, mit großem Fleiß verfertigt, schließen an die wienerische Spielart des neuen Manierismus mit seiner freien Phantastik an, dem sie eine eigene dekorative Note hinzufügen. Wirklich bildnerische Probleme tauchen in ihnen nicht auf, sie assoziieren und erzählen, wie auch die Blätter von Johannes N i c k e r 1, dessen zeichnerisches Können aber zu unreif ist, um sein Debüt zu rechtfertigen. Wesentlich begabter und vitaler ist in dieser Ausstellung das weibliche Geschlecht vertreten, allen voran Elfi M a c e k, deren „Architekturen“ das unbestimmte Suchen nach neuen Formprinzipien verraten, sicher unbewußt in die Nähe von Lionel Feininger kommen, aber leider zu undiszipliniert und ohne geistige Ordnung sind, um ganz zu überzeugen. Das beste Blatt: „Die Türme“, und eines, das sie während der Ausstellung zeichnete und auf dem Tisch liegen ließ. Ursprüngliche Temperamente sind Barbara R e s c h und Martha Jungwirth sicher, aber auch ihnen fehlt eine geistige Vorstellung von dem, was sie zu machen haben. Die „Blumen“ von Barbara Resch zeigen zwar Empfindung, aber keine Form, und die Aquarelle von Martha Jungwirth Sensibilität, aber keine Ordnung. Die wenigen Arbeiten der beiden erlauben es nicht, ein wirkliches Urteil abzugeben außer dem, daß sie in einem Gärungsprozeß befindlich sind, aus dem wenig oder mehr entstehen kann.

In den Bildern und Graphiken von Peppino W i e t e r n i k, der in den Räumen der Staatsdruckerei ausstellt, soll die geistige Ordnung durch die Entsprechung der Bilder zur Zwölftonmusik ersetzt sein. Über die legitime Beziehung zwischen Malerei und Musik kann man streiten. Für die bildnerische Gestaltung wird eher das Trennende ausschlaggebend sein. Nach den Ausführungen von Viktor Zuckerkandl in seinem Buch „Sound and Symbol, Music and the External World“ erscheint es außerdem fraglich, ob Musik eine so — im heutigen Sinne — abstrakte, das heißt ungegenständliche, Kunst ist, wie man gemeinhin annimmt. Aber das ist, wie Fontane sagt, ein weites Feld. Vom Bildnerischen her gesehen, fällt die Auflockerung in den Bildern Wieterniks auf und die geradezu monotone Wiederholung eines Formkomplexes, der wie zwei aufein-andergestülpte Gartentische aussieht. Der einzige Versuch der Befreiung von diesem Schema, „Schemen“, ist mißglückt. Am ehesten vertretbar das Bild Dynamik“, das farbig nicht uninteressant ist, aber ndicht bleibt, die beiden Mischtechnikblätter aus dem Jahre 1957 und das Aquarell „Lebhaft“.

Die Graphiken, die Lily Greenham in der

Neuen Galerie, Wien I, Börseplatz 7 (Ecke Wipplingerstraße, im Keller), ausstellt, sind sinnlichgeschmackvolle Äußerungen, die nur allzu leicht auf eine geistige Ordnung verzichten. Sie erscheinen dort am reizvollsten, wo sich die Fülle des Materials und der Techniken im Zufälligen äußern kann, und dort am schwächsten, wo wirkliche Gestaltung einzusetzen hätte. Daher überzeugen auch die Mischtechnik-Blätter und die mit Mischtechnik gekoppelten Kollagen sowie einige Monotypien aus dem letzten Jahr am ehesten, während die Radierungen vor allem dort, wo die Mittel reduziert werden, dünn bleiben. Was diese Graphiken zu geben haben, sind vor allem Reize, die an der Oberfläche liegen, eine flüchtige, aber nicht dauernde Befriedigung, wobei wieder in Erscheinung tritt, wie naturalistisch die ungegenständliche informelle Malerei wirkt, wenn sie auf die Verwandlung der Natur, die den Gestaltungsprozeß der Kunst ausmacht, verzichtet und an ihre Stelle den ungestalteten Vorgang selbst setzt.

In den „Übermalungen“ von Arnulf Rainer, der sich in der Galerie St. Stephan ausstellt, wird, wie allenthalben, bereits der Tachismus zu Grabe getragen. Mag sein, daß sie das persönliche Drama eines Ringens um das Absolute illustrieren, solange es aber nicht Form und Gestalt annimmt, ist es aus dem Bereich jeder bildenden Kunst ausgeschlossen. Metaphysische Spekulationen eignen sich schlecht für einen Bezirk, der sinnlich-anschaulicher Darstellung der geistigen Bedeutungen von plastischen Formen vorbehalten ist. Die eigentliche Erschütterung in der Ausstellung wird durch die Gegenüberstellung alter sakraler Holzbildwerke mit den „Übermalungen“ ausgelöst, wodurch das entstandene ethische Vakuum erst richtig zum Bewußtsein gebracht wird.

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