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Erlebnis und Gestaltung

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In den Schauräumen der Österreichischen Staatsdruckerei in der Wollzeile finden derzeit zwei Ausstellungen statt. Die eine ist Alfred Gerstenbrand gewidmet ist Im begrenzteren Rahmen — der Graphik vor allem — führt er die Tradition Josef Engelhardt weiter: Die Darstellung von Wiener Typen, Genrebildern des Wiener Lebens. Seine Zeichnungen sind anekdotisch und journalistisch, der bunte Bilderbogen eines zeitlichen Abschnittes, der von 1900 bis heute reicht und der Persönlichkeiten vom jungen Lehar bis zu Minister Drimmel umfaßt. Ihre liebevollen Übertreibungen charakterisieren den Wiener Typus, so, wie die Geschichten von Rudolf Stürzer, dem Gerstenbrand ein kongenialer Illustrator war. Unter den Ölbildern, in denen auch die Landschaft nicht der Staffage entbehrt, fällt der „Rindermarkt in NÖ“ durch seine verhangene Atmosphäre auf.

Auch in der anderen Ausstellung, die unter dem Titel „Aus dem Tagebuch eines Vierzigjährigen“ Graphiken von Kurt Werner zeigt, dominiert die Berichterstattung. Wo Werner mit einer zu bewußt graphischen Formung einzusetzen versucht, wird die Unmittelbarkeit übertönt, weil das Interessante der Aufmachung in den Vordergrund tritt. Die vom Erlebnis des Krieges und der Nachkriegszeit direkt in der Niederschrift geformten Blätter sind am besten gelungen, da sie ohne Ansprüche auftreten, während an den anderen die Schwächen der Zeichnung sichtbar werden.

Ernste Bemühungen um die künstlerische Gestaltung sind in der Ausstellung zweier junger Maler zu finden, die in der Galerie der Jungen Generation auf dem Börseplatz ihre Werke zeigen. In den empfindsamen Zeichnungen von Jungwirth offenbart sich ein sensibles Temperament, dessen Nervosität sich manchmal zu Lasten der Form auswirkt, von seinen Ölbildern berühren die frühen dunklen Stilleben und Figurenbilder am meisten, weil hier noch keine Trennung von Farbe und Raumform entstanden ist, wie in den legten Arbeiten, die eine schon fast zu abgerundete Persönlichkeit und die sehr auf das Dekorative gerichtete Erwägungen gegenüber der Farbe verraten.

Adolf F r o h n e r wirkt offener und noch nicht so abgeschlossen. Von ihm überzeugen die Aquarelle am stärktsten. Mehr als bei seinem Kollegen stehen die plastische Form und der Raum im Mittelpunkt seiner Bemühungen und das Bestreben dafür eine neue Gestalt zu finden. Die Erkenntnis der malerischen Tradition, die sich durch Frohnens Ansatzpunkte bei der . Horta-del-Ebro-Epoche Picasso und im frühen Kubismus zeigt, ist sicher intellektuell richtig, obwohl Cezanne für den Beginn vielleicht wichtiger wäre.' Seiner Form mangelt es manchmal noch an Differenzierung, Härte und Konsequenz. Hier ist aber durch Reife und unermüdliche Arbeit noch einiges zu erwarten, dafür bürgt der Ernst der ihn wie Jung- ' wirth auszeichnet.

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