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Der neue Hagenbund

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Die erste Ausstellung des wiedergegründeten Hagenbundes in der Zedlitzgasse zeigt, daß er seiner Tradition treu geblieben ist und krasse Radikalismen ebenso ablehnt, wie er überholte Stilformen zu vermeiden sudrt. Er wird von den Auseinandersetzungen der extremistischen Wiener Maler-

gruppen gleichsam nur am Rande gestreift. Eine solche Mittelstellung bietet dem Künstler, der seiner sicher ist, alle Vorteile: er entgeht überflüssigen und störenden Auseinandersetzungen und kann unbeeinflußt von der Meinung des Tages arbeiten; weder eine allzu fortschrittliche, noch eine allzu rückschrittliche Kollegenschaft wird ihm dazwischenreden. Für den freilich, der unsicher und schwankend ist, bedeutet diese Mittelposition seiner Vereinigung eine Gefahr; von allen Seiten locken ihn Kompromisse, und um von den Heißen nicht kalt und von den Kalten nicht heiß gescholten zu werden, mag er sich bisweilen begnügen, lau zu sein.

In der Ausstellung findet sich beides: Bilder, in denen Kompromisse geschlossen wurden, weitere, die mehr erwarten lassen, und schließlich einige starke und bedeutende Werke. Unter den letzteren ragen wieder die drei Gemälde von Elisabeth Stemberger hervor. Frau Stemberger hat sich in kurzer Zeit und von Ausstellung zu Ausstellung fortschreitend unter den Wiener Malern einen hohen Rang erobert. Daß sie überdies zu jenen zu zählen ist, von denen eine Erneuerung religiöser Kunst zu hoffen ist, erweist sich am Beispiel ihrer „Kreuzigung“, einer Komposition von hieratischer Einfachheit und Eindrücklichkeit. Die Künstlerin verfügt über eine umfangreiche Ausdrucksskala: der „Sonnenaufgang“, ein fast expressionistisches und ihr farbig schönstes Gemälde, spricht von der Vertrautheit mit elementaren Naturvorgängen, und die „Trunkenheit“ mutet wie ein kleines Wunder an. Selten nämlich wird der Beobachter moderner Malerei ein Bild sehen, das auf einem an sich „literarischen“ Gedanken basierend, diesen so vollkommen in Malerei auflöst, daß es seiner zum Verständnis des Bildes nicht mehr bedarf.

Elisabeth Stemberger geht von der Farbe aus, und nur aus ihr bauen sich ihre Bilder auf. Karl Bednarik versucht dasselbe, und soweit die Farbe Materie ist, gelingt es ihm auch; so bleibt noch zu wünschen, daß er sie — denn die Farbe will etwas b e- deuten — auch vergeistige, und daß er sich im Inhaltlichen nicht mit einem Einfall, etwa dem „Clown", begnüge, sondern aus ihm einen Gedanken forme. Doch läßt das kräftige Temperament des jungen Künstlers, der schnelle Fortschritte gemacht hat, erwarten, daß er die Forderungen, die man nach seinen derzeitigen Werken an ihn stellen kann, erfüllen wird. Das Umgekehrte ist angesichts der Arbeiten Franz Klaseks zu bemerken; vor seinem Blumenstilleben und vor manchem seiner Aquarelle spürt man, daß der Maler viel erwägt, denkt und überlegt. Er kommt zu sehr reizvollen formalen Lösungen, doch sind Beherrschung und das Verständnis der Farbe noch nicht vollständig.

Verhältnismäßig schwach sind Aquarelle und Graphiken vertreten; unter den ersteren sticht eine Mondseelandschaft von Hermine Aichenegg, unter den letzteren zwei Porträtzeichnungen von Carry Hauser hervor. Die Wiener Abart des Surrealismus hat auch im Hagenbund ihre Vertreter gefunden. Ihre Malereien sind ungenießbar, ihnen mangelt selbst jene technische Perfektion, die ihre Kollegen im Artklub immerhin besitzen. Auszunehmen sind die derben, mancherlei Einflüsse verratenden, aber nicht unerfreulichen Bilder Franz Lubys und drei „Jahreszeiten"- Zeichnungen von Johanna Schidlo.

Im ganzen ist die Ausstellung des „Neuen Hagenbundes“ bemerkenswert frisch und lebhaft. Das Durchschnittliche, das nun einmal in jeder Ausstellung vorhanden ist, zeigt ein ziemlich hohes Niveau. So möchte man das erste Auftreten dieser Künstlergemeinschaft als eine Generalprobe betrachten, die vollendetere Dinge erwarten läßt.

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