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Stelldichein der Elite

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Die Arbeiten zweier Künstler in der Weihnachtsausstellung der Galerie St. Stephan (Wien I, Grünangergasse 1) sind besonders interessant: die Plastiken zur Ecclesia von Wander B e r t o n i und die Handzpichnungen von Max Ernst. Die vierzehn Skulpturen Bertonis, die anläßlich des Auftrages, eine Ecclesia-Plastik für die neue Marienkirche in Kapfenberg zu schaffen, entstanden sind, dokumentieren eine neue, reife Entwicklungsphase-dieses Künstlers, den wir zu dem Halbdutzend führender österreichischer Bildhauer zählen dürfen. Immer aufs Neue gelingt es ihm, überzeugende Variationen des Themas Madonna mit Kind zu finden. Eine kleine Broschüre, von Wander Bertöni herausgegeben, macht auch noch mit seinen gleichzeitigen Handzeichnungen bekannt. — Die 19 Handzeichnungen von Max Ernst, Mitte der zwanziger Jahre entstanden, gehören zu seinen Wirklichkeitspausen: er legte sein Papier auf den Fußboden, auf ein Blatt, auf ein Stück Holz und schraffierte die Unterlage durch; die so hervortre- tenden Strukturen ergänzte er assoziativ zu faszinierenden Gebilden.

Im weiteren gibt sich eine kleine Elite österreichischer Graphiker und Maler ein Stelldichein: Hundertwasser entzückt mit seiner grüngrünen Poesie, Anton Lehmden versteht es, altmeisterliche Malkunst mit moderner Weitsicht zu verbinden, Moldovan, Hollegha und Fritz Riedl sind da und Mikl zeigt, daß er auch ; im Graphischen konsequent weiterarbeitet. Wie es in der Galerie St. Stephan nicht anders sein kann, fehlen auch die Tachisten nicht.. Pat und Patachon des Tachismus, der vitale Pra- chensky und der schmuddelige Rainer zeigen neue Kreationen. Seit irgendein Journalist Prachensky den Stendhal des Tachismus nannte, fühlt er sich offenbar verpflichtet, seinen Farben Rot-Schwarz treu zu bleiben; was herauskommt, ist raffinierter Aestheti- zismus. Rainer, der schwächere von beiden, bietet nur aušgéronnenen Gatsch, den er aber philosophisch begründen kann. (Nur für Ganz-Intellektuelle!)

In der Staatsdruckerei (Wien I, Wollzeile Nr. 27 a) findet die Weihnachtsausstellung der „Oesterreichischen Gesellschaft für Christliche

Kunst“ statt. Neben bekannten Namen (Lois Pre- gartbauer, Hauk) sind einige sehr bemühte Arbeiten vertreten; freilich: Werke vom Rang der Ecclesia- Plastiken Bertonis sind nicht darunter.

In ihrem Ausstellungsraum, Wien I, Herrengasse 9, hat das Kulturreferat des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung ein originales. Werk südfranzösischer Volkskunst, die Krippe von Eoures, aufgestellt. Es lohnt sich, hier einzukehren.

Weitere Kunstwerke aus Frankreich sind im I n- stitut Franęais, Wien I, Palais Lobkowitz, zu sehen: Meisterwerke aus dem Musée de Tours. Darunter sind Werke von Rembrandt (Flucht nach Aegypten), Louis Tocqué, Franz Anton Maulbertsch, Edgar Degas. Neben 50 Gemälden werden wertvolle Tapisserien und andere Kostbarkeiten gezeigt. Die Ausstellung ist bis Ende Dezember geöffnet.

Ein Hinweis auf eine in der vergangenen Woche eröffnete wichtige Ausstellung bleibt nachzutragen. Wir sprachen im vorletzten Referat von der Ausstellung der „Zentralvereinigung der Architekten“ im Museum für angewandte Kunst und davon, wie wenig Baugesinnung unsere heutigen Bauwerke im Gegensatz zu den dort gezeigten Arbeiten repräsentieren.

Ein Mann, der diese Baugesinnung in beispielhafter Weise hat, ist Le Corbusier, der Picasso der Architektur des 20. Jahrhunderts. Den siebzigjährigen Le Corbusier, der übrigens zu den Ehrenmitgliedern der „Zentralvereinigung der Architekten“ gehört, feiert eine große Ausstellung in der Akademie der Bildenden Künste, Wien I, Schillerplatz 3. Sie ist der Initiative der Oesterreichischen Kulturvereinigung zu danken und noch bis 26. Jänner 1958 geöffnet. Mit ihr ist zum erstenmal nach langer Zeit eine Ausstellung europäischen Formats nach Wien gekommen. Sie ist aufschluß- und ab- wechslüngsreich aufgebaut. Wir möchten hier nur die Worte wiederholen, die wir im Frühjahr aus Anlaß einer ersten kleineren Le-Corbusier-Ausstellung schrieben: „Es wäre der schönste Erfolg dieser Ausstellung, wenn sie Oesterreich zu einem Bauwerk von Le Corbusier verhelfen würde. Oder zu mehreren.“

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