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Patriotismus — erlaubt

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Die lange und schmerzlich vermißte „österreichische Galerie“ gibt im Unteren Belvedere ein erstes kräftiges Lebenszeichen von sich: sie stellt einen Teil jener Kunstobjekte aus, die sie in den Jahren seit 1947 neu erwerben hat können. Die Auswahl ist großzügig: sie greift mit der wunderschönen Pietä des Meisters von Gioßlob-ming weit zurück bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts und läßt uns zugleich eines der besten Bilder Herbert Boeckls — den Steinbruch von St. Margareten — in sicheren Händen wissen. Das ist ein Bogen über ein halbes Jahrtausend österreichischer und europäischer Kunst, und ein schöngeschwungener und große Spannweiten aufweisendei Bogen dazu.

Unter den älteren Bildern dieser Ausstellung sind zwei kleine mythologische Gruppen des Kremser-Schmidt ausdrücklich hervorzuheben: in ihnen spiegelt sich nui die Noblesse des beginnenden Klassizismus, noch nicht seine Trockenheit — und hier ist wieder einmal deutlich zu sehen, wie sehr die intimeren und privateren Arbeiten dieses schätzenswerten Barockmalers seinen unzähligen Auftragsbildern künstlerisch überlegen sind. Natürlich, neben dem auf kleinster Leinwand kolossalen Entwurf Maulpertschs für ein Hochaltarbild — die „Vermählung Mariens“ darstellend — verblassen sie als gute Durchschnittsleistungen neben einem einsamen Höhepunkt österreichischer Malerei, übrigens zeigt diese Exposition drei überraschende Maulpertsch-Entdeckungen: Aquarelle auf Pergament nämlich; Miniaturen von der Hand eines Malers ungeheurer Fresken — das ist ein Paradoxon, wie es selbst in der an Bizarrerien gewiß nicht armen Kunst unseres Landes ziemlich einzig sein dürfte.

Der Wiener Kunstfreund wird, wenn ei die Säle betritt, in denen die jüngst erworbenen Bilder aus dem 19. Jährhundert hängen, patriotische Gefühle nicht unterdrücken müssen; der Leiter der Galerie nämlich hatte sehr recht, als er bei der Presseführung sagte, daß beispielsweise Danhausers Porträt des Musikers Schuppanzigh von den gleichzeitigen Leistungen französischer Maler kaum überboten werden kann. In dieser Galerie wird wieder einmal der Reichtum und zugleich auch die Tragödie der Wiener Malerei der letzten 150 Jahre offenbar — die Tragdöie des Uber-sehenwordenseins und Vergessenwerdens nämlich. Wieviel von all diesen Namen und Bildern ist erst jüngst „entdeckt“, kürzlich erst zögernd vor die Öffentlichkeit gestellt worden! Waldmüller — seine vielleicht wichtigste .Wienerwaldlandschaft mit Schloß

Wildegg“ befindet sich jetzt glücklicherweise im Besitz der Galerie — gehört immerhin schon zu denen, die endgültig der Vergessenheit entrissen wurden. Michael N e d e r, der „Schustermaler“, schon zu Lebzeiten ein Unbekannter, rückt langsam in der Rangordnung vor, aber wir werden dereinst sicherlich nicht als falsche Propheten gescholten werden, wenn wir jetzt sagen, daß Neders zugleich biedermeierliche und dämonische Bilder — der „Kutscherstreit“ ist ein frühes Hauptwerk — noch auf lange Sicht hinaus in der allgemeinen Schätzung steigen werden. Dasselbe gilt für Anton R o m a k o, dessen Platz in der europäischen Kunstgeschichte seit der Gedächtnisausstellung im vergangenen Jahr allerdings schon gesichert ist. Sein Phantasiebildnis der Kaiserin Elisabeth ist eine Neuwerbung, zu der wir der österreichischen Galerie und uns selbst beglückwünschen dürfen. Noch einer ist da, dessen Werk allmählich aus der Vergangenheit eingeholt werden muß: der jung zu Grunde gegangene Expressionist Richard G e r s 11; wer an der Bedeutung dieses Künstlers bisher noch zweifeln mochte, wird sich vor dem. „Schwestern“-Bild Gerstls mit Vergnügen geschlagen geben.

Die' Ausländer traten — und man bedauert das — ein wenig zurück: ein guter Sle-v o g t, zwei B a r 1 a c h-Arbeiten, zwei nicht sehr überzeugende Pechsteins, ein starker Beckmann und ein schlechthin bezaubernder „Gassenwinkel“ von Oskai Schlemmer — das ist fast alles und vergleichsweise nicht sehr viel. Betrüblich, aber in Anbetracht der im Ausland üblichen Preise für zeitgenössische Kunstgegenstände durchaus verständlich.

Unglücklicher noch muß der Kunstkritiker über den letzten, unseren lebenden Malern gewidmeten Saal sein. Der wirkt flau, man kann's nicht anders ausdrücken. Max F1 o-rian hat Dutzende von Bildern, die seinem „Feuerschlucker“ weit überlegen sind; Gerhard F r a n k 1 s „Blick auf Wien“ — nun, recht überzeugend ist es nicht, ebensowenig wie die fade „Cezanne-Paraphrase“ H a u g s, das Kalkstein-Ungetüm Swobodas und eine ganze Reihe anderer Schilder- und Bildereien Angenehm wirken eine Landschaft Leopold Birstingers und eine von Carl U n g e n ein neueres Bild von Anton Mahringer läßt hoffen, daß es endlich doch einmal zu einer Kollektivausstellung dieses Kärntner Malers in Wien kommt.

Im ganzen: eine Ausstellung, die eines Massenbesuches würdig ist.

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