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Bilder der Vergänglichkeit

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Die Galerie Würthle zeigt Lithos von Toulouse-Lautrec. Der Film „Moulin Rouge" hat seine Schuldigkeit getan und das Interesse an Toulouse-Lautrec neu geweckt. Leider bezieht sich dies Interesse weniger auf seine Malerei als auf seine verkrüppelten Beine. Die Welt unseres Jahrhunderts ist eben doch eher eine filmische als eine feuilletonistische; Sensation bedeutet ihr mehr als Plauderei. Die Ausstellung in der Weihburggasse ist keine Sensation; eher schon eine Plauderei aus „Swanns Welt", die einführt in das Paris des „fin de siede". Auf den Spuren der verlorenen Zeit entdecken wir hier die glitzernden Dinge der Vergänglichkeit, die schön sind, weil sie vergänglich sind, schön, wöil man von Sekunde zu Sekunde spürt, wie die Musik vergeht, die parfümierten Damen vorüberrauschen, der Absinth verrinnt, die Zeit verfällt, schön, weil man fühlt, wie zerbrechlich das alles ist . .

Die Galerie Würthle hat die „Elles-Mappe" und die Mappe „Yvette Guilbert" neu erworben und zeigt sie neben anderen Lithographien, unter denen die Reproduktionen „Au Moulin Rouge", „Au Cirque" und „Chocolat dansant dans le Bar d’Achille" hervorstechen, während von den Originallithos neben den beiden Mappen noch das Blatt „La Modiste" zu nennen ist. Farblich interessant auch das bekannte Bildnis Oscar Wildes, das dem verheimlichten Antlitz Dorian Grays das verborgene Bild seines Schöpfers gleichsetzt, jenes Bild, in das die harten Züge des Lebens eingegraben sind und das keiner sieht.

Berauschender Vergänglichkeit begegnen wir auch in der Ausstellung Hans Robert P i p p a 1 s in der Wiener Secession, die von, Rektor A. P. Gütersloh eingeleitet wurde. Man könnte jeder Ausstellung eine solche Einleitung wünschen; freilich wird nicht immer Anlaß genug da sein, so vieles klar auszusagen. Pippal ist ein Künstler, dessen Bilder gefallen und die dabei in gleicher Weise Geschmack und Instinkt zeigen, die anspruchsvoll und dabei unproblematisch und gar nicht intellektuell sind. In seinem Ausgangspunkt ein handwerklich vollendeter „Unterhaltungsmaler", erreicht Pippal in seinen „Fischen und Muscheln" in Oel und in Pastell, im „Ausblick auf den Hafen" Oel jene berauschende Freude an den Dingen, vor allem an denen, die ein südliches Hafen- und Markttreiben anbietet, die diese in eine große Harmonie der Außenwelt, die in ihrer Erscheinungsform belassen wird, einordnet. Aber auch kunstgewerblich leistet Pippal Außergewöhnliches: Ein Nußholzschrank mit venezianischem Motiv in Oel, ein schwarzer Birnholzschrank mit Wiener Motiv in Oel gehören zu den vornehmsten Arbeiten, die es beinahe schade erscheinen lassen, diese Kästchen zu benützen; so weit konnten sie durch diese Deckgemälde einfacher Nützlichkeit entrückt werden.

Die Akademie der bildenden Künste lud zu einer Vorbesichtigung einer Ausstellung der Werke Prof. Herbert B o e c k 1 s ein. Diese Ausstellung wird zunächst aus Anlaß des 60. Geburtstages des Meisters nicht in Wien, sondern von der Generaldirektion der Bayrischen Staatsmuseen in München gezeigt werden. Boeckl ist ja Wiener; da hat es Zeit, ihn zu einer Kollektivausstellung aufzufordern, bis seine Werke aus dem Ausland zurückkommen. Wie man hört, sollen sie dann in der Galerie Würthle allgemein zugänglich gemacht werden.. Schade, daß dies nicht schon zur Vorfeier des Geburtstages möglich war.

Der 70. Geburtstag Prof. Alexander R. P a w 1 o- w i t z’ bietet Anlaß zu einer Kollektivausstellung in den Schauräunien der. Oesterreichischen Staatsdruckerei. Pawlowitz zeigt Bilder, denen oft ein Zug ins Monumentale innewohnt und die in weit größerem Maße das Ergebnis von Freizeitgestaltung zu sein scheinen als die Arbeiten Karl A. Wolfs, eines Geschäftsmannes, der vor zwei Jahren plötzlich zu malen begann und nun bereits mit seinen großformatigen Oelbildetn den Ausstellungsraum des Oesterreichischen M useums für angewandte Kunst füllt. Rouault, Chagall. Schiele, Kokoschka, Boeckl begegnen sich hier; ihr Malstil wurde mit einer Virtuosität durcheinandergemengt, die verrät, daß wir es hier nicht nur mit einem menschlichen, sondern auch mit einem malerischen Phänomen zu tun haben. Jedes der Bilder hat einen transzendenten Gehalt, der in beigegebenen Abhandlungen ausführlich erklärt wird. Sie zeigen, daß Wolf vorläufig noch das. Wissen von jenen Dingen fehlt, die er ahnt und zu denen es ihn drängt. Es ist möglich, daß er jenen Punkt persönlicher Aussage erreicht, an dem er selbst fühlt, daß es nun nicht mehr nötig ist, Gemälde zu erklären, weil das, was es zu sagen galt, bereits in den Bildern enthalten ist.

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