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CEIT mehT als zwei Monaten befindet sich der J WienerAkademie-Kammerchorauf einer Tournee in Nordamerika, wo er bereits in zwölf Staaten der USA und Kanadas vor etwa 50.000 begeisterten Zuhörern gesungen hat. Die im allgemeinen recht kritische amerikanische Musikkritik ist begeistert. Man bestätigt dem Wiener Ensemble zum Beispiel, daß „ein Vergleich mit den besten amerikanischen Chören zweifellos zugunsten des Wiener Kammerchores ausfallen würde“. Eine andere Zeitung schreibt: „Wir haben noch nie etwas gehört, das dieser prachtvollen Demonstration der alten Welt gleichkommt.“ Diese und dutzende anderer Urteile amerikanischer Zeitungen sind um so erfreulicher und bemerkenswerter, da der aus Absolventen der Wiener Akademie bestehende Chor seine stürmischen Publikumserfolge nicht etwa mit leichter Ware, sondern mit einem anspruchsvollen Programm erzielt, das von Bach. Lotti und Gallus bis zu alten österreichischen Weihnachtsliedern reicht. So ist dieses Ensemble nicht nur ein Sendbote der Musik, sondern auch seiner Heimatstadt Wien, wie die Zeitungen immer wieder unterstreichen.

7 WEI Kunstausstellungen seien in der Vorweih- nachtszeit besonders empfohlen: „Das gute

Bild für jeden“ in der Wiener Sezession und die „Weihnnchtsschau“ der Galerie Würthle. Beide Ausstellungen sind Verkaufsausstellungen. In der Sezession kostet ein Bild durchschnittlich 200 S, der Höchstpreis ist für eine Graphik 300 S. für ein Aquarell 400 S. Die Bilder in der Galerie Würthle sind teurer. Von Lovis Corinth bis zu Gerhard Swoboda sind hier eine Reihe wertvoller Arbeiten ösfr"-i-b,rcher, deutscher und französischer Künstler ®er Gegenwart zu sehen, und man könnte die kleine Ausstellung auch „Das gute Bild für den Kenner" nennen. Man gehe also hin und sehe sich die Sachen an, ganz nebenbei gewinnt man dabei noch eine gute Uebersicht über die Vielfalt der Kunst unseres Jahrhunderts. Und es wird dann wirklich schwerfallen, das eine oder andere Bild nicht zu kaufen.

A US Anlaß der „Oesterreichischen Buchwoche“ richteten die Wiener Städtischen Büchereien eine besondere „Kinderbuchschau“ ein. Daraus ist eine kleine bunte Ausstellung geworden, die ebenso bunt und lebendig gestaltet ist wie die einladenden Umschläge der Bücher, die dort . zu sehen sind: Erich Kästner und Dr. Dollittle,

Winnetou und die Schatzinsel. Gerade vor Weihnachten ist eine solche Ausstellung, die zugleich ein Bericht über die Tätigkeit der Städtischen Büchereien ist, aktuell. In allen ihren 44 Zweigstellen gibt es heute eigene Kinderbüchereien, die über 45.000 Bände verfügen. Im letzten Jahr wurden diese 360.000mal entlehnt und wohl noch öfter gelesen. Die unaufdringliche Förderung des ansprechenden Jugendbuches scheint uns eine der wichtigsten Etappen im Kampf gegen Schmutz und Schund zu sein.

T’vA.S Wiener Künstlerhaus hat in seiner jetzigen Ausstellung Harold Reitterer einen eigenen Saal gewidmet. Hier hängen Bilder, die auf den ersten Blick modern scheinen, es aber nicht sind. Jedes von ihnen ist gleich von mehreren Meistern der Gegenwart — zuvielen also für einen einzelnen — inspiriert; keines von ihnen kann überzeugen. Aber gleich daneben hängen, sauber und nett durchgeführt, zwei Entwürfe für eine Sonnenuhr in Kufstein. Der Fell scheint uns typisch. Der „freien“ Arbeit fehlt noch die Aussage; die im Auftrag geleistete dagegen beweist die Begabung des Malers. Sq. sind die Entwürfe für eine Sonnenuhr das einzige, das der Zeit wird standhalten können.

ü S ist eine löbliche Idee des Burgtheaters, Klassikeraufführungen zu halben Preisen durch- -uführen. Weniger löblich ist es, daß die Aufführungen oft nur mit halber Kraft auf die Bühne gestellt werden. Denn der Gast, der in Wien weilt, möchte auch an einem solchen Abend das ganze Burgtheater sehen. Noch schlimmer aber ist es, wenn es — angeblich im Dienste derselben Klassiker — ein Wiener Kellertheater unternimmt, „Antigone“ in sehr freier Bearbeitung und schwacher Besetzung herauszubringen. Eine solche Klassikeraufführung zu vollen Preisen muß dann nicht nur Polyneikes, sondern auch Antigone und Kreon unter sich begraben. Was man nur mit halber Kraft und schlecht machen kann, sollte man lieber ruhen lassen.

AUCH heuer wurden also Buch woche und Buchausstellung veranstaltet. Man muß Reklame machen für das Buch. Manchmal müßte man es leider auch gegen seine Propagandisten schützen. Wenn zum Beispiel die Verfilmung rines Buches in den Kinos erscheint, legen viele Buchhändler das verfilmte Buch und ein Schild in die Auslage, auf dem sie „Das Buch zum Film" empfehlen. Manche werben auch für „Das Buch des Films". Damit wollen sie wohl sagen, daß sie erstens nicht Deutsch können und daß zweitens gerade sie davon überzeugt sind, daß zuerst der Film kommt und dann, als Draufgabe, das Buch. Besonders originell ist die Ankündigung eines Kunstbändchens über das Werk eines berühmten Franzosen. Henri Toulouse-Lautrec wird als „Der Maler des Films" angepriesen. Wenn man das liest, denkt man an einen bekannten Witz: Was ist ein Intellektueller? Ein Intellektueller ist ein Mann, der von Toulouse- Lautrec schon gehört hatte, bevor er den Film „Moulin Rouge" sah.

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