6585597-1951_44_10.jpg
Digital In Arbeit

IM STREIFLICHT

Werbung
Werbung
Werbung

DIE „Furche“ darf sich rühmen, seinerzeit zum Fall jenes verunglückten Projekts, das an Stelle des alten Haas-Hauses gegenüber dem Stephansdom ein Hochhaus errichten wollte, entscheidend beigetragen zu haben. Sie kann nun mit Befriedigung feststellen, daß der letzte und endgültige Entwurf nichts mehr von einer Uberbrückung der Goldschmiedgasse, einer Vorverlegung der Straßenfront und einer Überhöhung des Gebäudes wissen will; der Charakter des Platzes wird also wenigstens an dieser Stelle einigermaßen gewahrt bleiben, mag auch die Fassade an ein langweiliges Rastersystem erinnern und nichts von jener Eleganz merken lassen, welche etwa der heutigen Schweizer oder holländischen Architektur zu eigen ist. Aber wie das hierzulande bei Neubauten schon ist: man muß froh sein, wenn das Ärgste verhütet werden konnte ...

T“\AS kleine Erlebnis eines namhaften Wie-nei Malere anläßlich eines in letzter Zeit abgehaltenen Wettbewerbes zur . künstlerischen Ausgestaltung eines Neubaues: „Ich stand knapp vor meiner Urlaub6rei6e; da man mich aber drängte, doch an diesem Wettbewerb teilzunehmen, ging ich in das zuständige Büro und holte mir den Plan des Neubaues — ich mußte für ihn zwanzig Schilling erlegen, die ich zurückbekommen sollte, wenn ich meine Entwürfe vorlegte. — Nun aber hatte ich meinen Urlaub wirklich notwendig, ich konnte mich nicht recht konzentrieren, und so ging ich wieder in jenes Büro, übergab die Pläne und wollte meine zwanzig Schilling wieder haben. Nein, sagte der zuständige Herr, erst müssen Sie die Entwürfe bringen. Einwände halfen nichts. Nun zeichnete ich mit Kohlestift schnell etwas Figurales auf Packpapier, gab es ab, erhielt meine zwanzig Schilling und war froh, daß ich erlöst war.“ Man hat's bereits erraten: es handelte sich wirklich um den Westbahnhofwettbewerb. Und diese kleine Geschichte illustriert noch einmal aufs vorzüglichste, welche Blüten eine bürokratische Kunstpflege zu treiben vermag ...

■pvASS man die zwei Prozent der Baukosten-summen öffentlicher Neubauten — die bekanntlich für eine künstlerische Ausschmückung bestimmt sind — besser anwen-( den kann, als es bisher zumeist geschehen ist, beweist das Beispiel einer neuen Volksschule in Kitzbühel, wo man sich nicht gescheut hat, die interessantesten Künstler Tirols zu beschäftigen: ein Deckenfresko in dieser Schule stammt von dem vorjährigen Staatspreisträger, ein Torgitter aus der Hand eines unserer tüchtigsten Silberschmiede — und selbst die Kreuze in den einzelnen Klassen ließ man nicht von einem beliebigen Marterlmaler, sondern von einer guten Bildhauerin schnitzen; Zimmer und Gänge aber wurden mit Arbeiten jener jungen Maler und Zeichner geschmückt, deren Ausstellung in der Wiener Galerie Würthle uns noch in bester Erinnerung ist. Ähnliches ist in der Bundeshauptstadt, wo man in solchen Fällen so gerne den Weg des unbefriedigenden Kompromisses geht, noch nicht vorgekommen. In der Tat: in Fragen der bildenden Kunst gibt es das Wort „Provinz“ nicht mehr.

■pv ER anerkennenswerten Initiative des Ju-^ gendamtes der Stadt Wien ist es zu danken, daß dieser Tage das reichlich lüsterne Plakat einer bekannten Strumpffirma von den Wänden und Säulen der Stadt verschwand — was dem Jugendamt eine schlechte Zensur von Seiten der „Arbeiter-Zeitung“ eintrug. Der wenig sachliche Verweis des Blattes wird das sachliche und fachliche Verständnis des erwähnten Amtes für die korrekte Durchführung des Schmutz- und Schundgesetzes (die wir in gleicher Nachdrücklichkeit bisher leider nur noch in Salzburg und Innsbruck beobachten können) kaum stören können. Denn die Sache der Sauberkeit und des Jugeridschulzes hat aber auch schon gar nichts mit Parteiideologie und Parteidisziplin zu tun. Es geht hier zwar ums Rotwerden, aber in anderem Sinne als dem des sozialistischen Zentralörgans

TN Hamburg lud man dieser Tage 350 Blinde zu einer Filmvorführung ein. Man wählte die umstrittene „Sünderin“, weil in diesem Film die Hauptdarstellerin fa6t die ganze Handlung erzählt (die stummen Szenen erläuterte ein Sprecher). So konnten die Blinden tatsächlich der Handlung folgen. „Man sieht“, äußerten sie sich nachher darüber, „alles vor sich, und wo etwas nicht verstanden wird, muß man eben kombinieren.“ Dem technischen Erfolg stand freilich ein schwerer psychologischer Mißgriff gegenüber. Der Film verknüpft bekanntlich das Schicksal eines leichten Mädchens mit dem eines erblindenden Malers, der schließlich aus Furcht vor der ewigen Nacht zusammen mit dem Mädchen Selbstmord begeht. Der „Held“ des Films verzagt also, die blinden Zuhörer dagegen, die eigentlichen Helden, müssen täglich den Kampf mit dem Schicksal bestehen. Es ist gelinde gesagt, gedankenlos, diesen ihren Kampf noch durch so entmutigende Erlebnisse zu erschweren.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung