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Von Klimt bis Picasso

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Die Übersichtsausstellungen der G a 1 e-r i e W ü r t h 1 e sind in ihrem Beharren auf hoher und höchster Qualität sichtbar von dem Bestreben geleitet, einen ruhenden Pol in der allgemeinen Verwirrung zu bilden und Maße und Maßstäbe zu geben. Auch in der Festwochenausstellung der Galerie, die Original-gTaphik von Österreichern und vorwiegend französische Druckgraphik zeigt, bewährt sich diese Einstellung. Herbert Boeckl ist mit sehr schönen, spirituellen Aquarellen aus frühester und später Zeit bestens vertreten, ebenso Wotruba mit frühen und späten Zeichnungen und Bronzen. Um sie gruppieren sich eine ganze Reihe von Klimt-Zeichnungen, Arbeiten von Schiele, Kubin und Kokoschka. Unter der Druckgraphik stechen die Farblithos von Vuillard, die Radierungen von Villon, ein Miro, ein seltener Archipenko besonders hervor. Die Lithographien von Picasso gehören nicht zu seinen besten. Eine elegante Bronze von Archipenko gibt dem unteren Raum seinen Akzent.

Auch in der Ausstellung „Graphik aus dem Kreis der Wiener Sezession“ finden wir Boeckl und Wotruba wieder — Boeckl mit zwei von innen her leuchtenden, stark gebauten Aquarellen, Wotruba mit Handzeichnungen. Ansonsten zeigt diese Schau zum größten Teil ein bestürzend tiefes Niveau, über dem sich nur wenig behauptet, da die Verwirrung dem antikünstlerischen Manifest denselben Platz einräumt wie den Resten traditioneller Formdarstellung. Hier müssen ein „chinesischer“ Holzschnitt von Andersen, Aquarelle von Dobrovsky, die grüne Hausstudie von Karger und im „freien“ Bereich Kreuzberger, Yppen, Eckert und Krasnitzky genannt werden. Pillhofer arbeitet in seinen Zeichnungen an einer neuen Form.

Eine ähnliche Verwirrung zeigt sich auch in der großen Ausstellung im Künstlerhaus, deren zweigleisiger Titel „S u r-realismue — Phantastische Malerei der Gegenwart“ schon darauf hindeutet. Es erscheint notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Programmatik des Surrealismus nicht allein durch seine Absage an die Ratio — die in unserer Zeit bestürzende politische Parallelen hat — gegen die Kunst gerichtet war und zu diesem Zweck einerseits den Automatismus propagierte, anderseits aber das abgestorbene Formengut der kleinbürgerlichen Malerei des vorigen Jahrhunderts dazu verwendete, seine Schockwirkungen zu erzielen. Auf'einem Umweg kömmt hier Wieder die Literatur in das ^Bitd, als Feind jeder wirklich plastischen künstlerischen Darstellung, die hier immer wieder mit Illusionismus verwechselt wird, und bewirkt Arbeiten, die formal auf derselben Ebene wie „Der Abschied des Wildschützen“ oder des „Hauses der deutschen Kunst“ stehen. Es sind lediglich die Sujets, die gewechselt haben, ein Beitrag zur Malerei des.20. Jahrhunderts wurde und wird nicht geliefert. Die Wiener Schule vollends, die die Programmatik und geistige Spannung des Surrealismus nie begriffen hat, ergeht sich in persönlichen, antiidyllischen, mit entlehntem manieristischen Formengut arbeitenden Allegorien oder aus beziehungsloser Assoziation hergestellten Klitterungen. Keineswegs ist sie, wie hier versucht wird, der internationalen, historischen und bereits abgeschlossenen Bewegung des Surrealismus, die als Phänomen und nicht als Kunst gewertet werden muß — was sie auch nicht wollte —, zuzuordnen. Nachdem dies festgehalten wurde, ist zu sagen, daß allein: Dalis „Weiche Uhren“ paranoische Magie, Delvaux' schlecht gemalte Bilder die Überzeugungskraft eines Weltbildes ausstrahlen, Magrittes absurder Eissalon, Clericis Pira-nesi-Variationen und zwei das Buch von Prinzhorn in Erinnerung rufende Graphiker wenigstens das besitzen, was dem Kalkül entzogen bleibt und nicht koketter Einfall, formales Unvermögen oder dekorative Belanglosigkeit ist.

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