Geschäfte mit Geschichte

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Sisi Museum, Historyworld, Heeresgeschichtliches Museum und Darstellung nationaler Geschichte in Prag.

Die Betreiber sprechen von einem dreißigprozentigen Besucherzuwachs: Das neue Sisi Museum in der Wiener Hofburg hat sich in kürzester Zeit zu einem Kassenmagneten entwickelt. Dies scheint jenen Recht zu geben, die die Ausgliederung der Hoftafel- und Silberkammer sowie der Kaiserappartements aus der Bundesverwaltung und ihre Übertragung an die Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. durchgesetzt haben. Die Firma hat in der Sommerresidenz bereits vorexerziert, wie man Kulturgüter in die schwarzen Zahlen führt und damit Renovierungen finanziert - in Zeiten wie diesen ein Argument, gegen das kein anderes aufzukommen scheint.

Residenz der Kaiserin

In punkto Silberkammer ist die Argumentation auch durchaus nachzuvollziehen - aus einer muffigen Aufbewahrungsanstalt ist ein Museum geworden, bei dessen Durchschreiten einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Da lässt man sich sogar den aufdringlichen Baldachin unter der Michaelerkuppel gefallen, der auf den Eingang zu Silberkammer und Kaiserappartements hinweist.

Doch jetzt ist letzteren ein Sisi Museum vorgeschaltet, das alle Euphorie zunichte macht. Schon die Broschüre, welche Silberkammer, Sisi Museum und Kaiserappartements zusammenfasst, lässt Schlimmes befürchten: Blickfang ist der Untertitel "Die Residenz der Kaiserin Elisabeth" und das großformatige Foto der Kaiserin. Kaiser Franz Josef, der bisher im Mittelpunkt stand, wird damit zum Prinzgemahl degradiert.

"Das von Rolf Langenfass inszenierte Museum begibt sich abseits der gängigen Klischees auf die Spuren der historischen Elisabeth", liest man in der Broschüre, und auch im Audioguide wird das Motto "Mythos und Wahrheit" forciert. Doch zunächst wird der Mythos kräftig aufgebaut. Unter einem riesigen Scherenschnitt der Kaiserin schreitet man auf die magisch beleuchtete Totenmaske zu, Erinnerungsgegenstände und vor allem Videos mit Filmausschnitten dokumentieren den Kult.

Inszenatorisch richtig entlässt der Bühnenbildner Langenfass den Besucher danach aus rundum blau verkleideten Räumen in die alten Schauräume - doch gleich das im ersten dominierende Polterabendkleid ist eine Replik. Auch die Schmuckstücke der Kaiserin im nächsten Raum sind Kopien von Swarovski, und das Abteil des Hofschlafwagens ist dem Original im Technischen Museum nachgebaut.

Was bei einer Ausstellung an anderem Ort legitim sein mag, ist am Originalschauplatz völlig deplatziert, und wenn sich die Gestalter damit brüsten, in den Kaiserappartements die ursprüngliche Anordnung des Mobiliars wiederhergestellt zu haben, klingt dies wie eine Alibibehauptung. Zumal auch in den Audienzwartesaal des Kaisers massiv eingegriffen wurde: Lebensgroße Holzfiguren in den Trachten der Kronländer lenken den Blick von den Monumentalgemälden Johann Peter Kraffts ab, wo immer man auch stehen mag.

Werke dieses Großmeisters der Historienmalerei sind auch im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum zu bewundern, doch wenn hier Kraffts "Erzherzog Carl mit seinem Stab in der Schlacht von Aspern" mit Fernkorns Denkmal vom Wiener Heldenplatz konfrontiert wird, steigert dies die Wirkung der Leinwand. Mit der neugestalteten Schausammlung des Zeitabschnitts von 1789 bis 1866 nähert sich die Erneuerung des Museums ihrem Abschluss, und das HGM kommt seinem Anspruch, zugleich ein Österreich-Museum zu sein, einen großen Schritt näher.

Zauber der Montur

Gewiss hat man auch hier Konzessionen an den Publikumsgeschmack gemacht, wenn etwa der "Zauber der Montur" angesprochen oder eine Vitrine dem Herzog von Reichstadt gewidmet wird, der weder ein großer Feldherr war noch die Geschichte Österreichs nennenswert beeinflusst hat. Doch es geschieht mit Anstand, Geschmack und wissenschaftlicher Präzision, und nur die Berieselung mit Radetzkymarsch und Andreas-Hofer-Lied lenkt von den Objekten ab.

Sozusagen außer Konkurrenz läuft die nach zwölfjähriger Vorbereitung endlich eröffnete "Historyworld" im Wiener Heiligenkreuzerhof. Auch dieses "Figurenmuseum" gewährt einen Einblick in die österreichische Geschichte oder, wie Initiator Peter Ötzlinger sagt, in das, "was jeder kennt". Zum Fundus gehören denn Kaiser Franz Josef und Richard Löwenherz mit dem Sänger Blondel, vor allem aber die Repräsentanten des ruhmreichen 18. Jahrhunderts: Prinz Eugen, Maria Theresia, Josef II., Wolfgang Amadeus Mozart. Etwas unorganisch folgt eine Halle zum Thema Folter und danach das hierher gerettete "Koryphäum" mit seinen nachgestellten Szenen berühmter Gemälde.

Spätestens bei Van Gogh dürften auch Banausen merken, dass Kunst in Verwandlung der Wirklichkeit besteht und daher ein Rückbau in die Realität ein Unding ist. Aber für sich genommen ist das alles legitim, aus der auf Profit ausgerichteten Zielsetzung wird kein Hehl gemacht, und zahlreiche Schulklassen, die in die eindrucksvollen Kellergewölbe pilgern, bezeugen sogar einen Bildungsgewinn.

Prager Figurenmuseen

Schulklassen bevölkern auch das Figurenmuseum in Prag, wo im Übrigen auch die Figuren für das Museum in Wien gefertigt wurden. Schon vor einiger Zeit wurde das Museum geteilt: Die allgemeine Abteilung in der Altstadt bedient stärker ein erwachsenes und internationales Publikum (an der Kassa grüßt Arnold Schwarzenegger), während die historische Abteilung auf der Kleinseite eher die Kinder und die Einheimischen anlockt. In den von einem Künstler übernommenen Grotten begegnet einem fast lückenlos das Repertoire einerseits des "magischen Prag", andererseits der nationalen Geschichte. Anders als in Wien liegt der Schwerpunkt auf dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Danach folgen nur mehr Kaiser Franz Josef und der brave Soldat Schwejk, und zu Franz Josef meint die Aufseherin: "Der wäre mir nicht abgegangen."

Geschichte privatisieren?

Das Geschichtsbild, das hier offenbar wird, deckt sich, wenn man Beigaben wie den Golem weglässt, in erstaunlichem Ausmaß mit der Schau "Denkmäler der nationalen Vergangenheit", die von den Kommunisten auf dem Hradschin 1988 installiert wurde. Was in Österreich nie gelungen ist - die Geschichte des Landes alle Lebensbereiche umfassend und durchgehend von den Anfängen bis zur Gegenwart darzustellen -, wurde hier gewagt, und das Ergebnis nötigt in seiner Stringenz auch heute noch einigen Respekt ab.

Die Vereinnahmung der nationalen Geschichte durch die Partei und insbesondere die Spitzen gegen den Adel muten freilich umso grotesker an, als das Museumsgebäude nach der Samtenen Revolution der Familie Lobkowicz zurückgegeben wurde. "Mit Dingen wie mit Menschen verfährt das Schicksal oft in unvorhergesehener Weise", orakelten die Gestalter im Museumsführer, der im Wendejahr 1989 herauskam und heute um einen Spottpreis abverkauft wird.

Gut 30 Euro kostet hingegen der Begleitband der Dauerausstellung "Geschichte der Prager Burg", die wenige Schritte vom Palais Lobkowitz entfernt seit heuer den "Denkmälern der nationalen Vergangenheit" Kontra gibt. An die Stelle der Brüderschaft mit den slawischen Völkern ist die seit dem Mittelalter "mit Unterbrechungen bis heute andauernde Orientierung des tschechischen Staates nach dem Westen" getreten, und anstelle eines beißenden Antiklerikalismus liest man jetzt, die auf dem Hradschin residierenden Oberhäupter von Staat und Kirche hätten "die gleiche Macht" und "respektierten" einander. Gleich geblieben hingegen ist der Stolz auf die eigene Geschichte und auf den eigenen Staat (dass dabei für die Deutschen kein Platz ist, steht auf einem anderen Blatt). Nennt das Sisi Museum in der Wiener Hofburg als Auftraggeber eine Betriebsgesellschaft, so steht die Exposition in der Prager Burg unter dem Ehrenschutz des Präsidenten der Republik.

Die riesige Ausstellung in den Kellerräumen unter dem Wladislawschen Saal, die inmitten einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation mit gewaltigem finanziellen Aufwand installiert wurde, entlarvt alle Argumente, nur private Betreiber könnten gut wirtschaften, als vordergründig. Die Frage lautet vielmehr, ob sich ein Staat zu sich selbst bekennt oder ob er seine Geschichte auslagert und (dafür nicht anzuklagenden) Firmen überlässt. Wehe, wenn sie losgelassen...

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