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Der Schönheit und Bildung gewidmet
Vor hundert Jahren eröffnete Kaiser Franz Joseph jene Abteilung des Stei-ermärkischen Landesmuseums Joanneum, die heute als „Abteilung für Kunstgewerbe” bezeichnet wird. Gründer und erster Direktor war Karl Lacher, der mit diesem Museum zwei Ziele verfolgte: Sammlung und Präsentation besonderer kunstgewerblicher Erzeugnisse, um den Geschmack der Menschen zu bilden, und Dokumentation der Kulturentwicklung
Die Abteilung für Kunstgewerbe feiert diese Jubiläum heuer mit einer von Eva Marko gestalteten Ausstellung, die unter dem Titel „Die Schönheit” eine Auswahl der schönsten Sammlungsobjekte in neuartiger Präsentation zeigt. Der Besucher soll Schönheit erleben, ohne durch Beschriftungen oder Texte gegängelt zu werden. Er soll den ästhetischen Wert der Objekte selbst entdecken, soll seine eigenen Neigungen und Interessen ins Spiel bringen und dadurch zum Mitgestalter der Ausstellung werden.
Spannteppiche in allen Räumen dämpfen die Schritte. Vorgestellte Tafeln verdecken die Fenster, sodaß die Objekte unabhängig vom wechselnden Tageslicht wirken können. Die Plexiglastafeln beim Eingang enthalten die einzigen Textmaterialien zur Ausstellung. Jede der 32 Kostbarkeiten wird blendungsfrei beleuchtet in einer Einzelvitrine präsentiert.
Die Anordnung folgt nicht der Chronologie ihrer Entstehung, denn bewußt gesetzte Kontraste sollen deren individuelle Eigenart betonen. Am Ende des Weges durch die Ausstellung lädt eine Sitzgruppe den Besucher ein, im aufliegenden Katalog zu schmökern. Auf Führungen wird verzichtet, doch steht ausgebildetes Personal für jede gewünschte Information zur Verfügung. Ein herausragendes Objekt ist ein Deckelpokal aus vergoldetem Silber, eine Augsburger Arbeit aus dem 16. Jahrhundert. Er kam 1571 als Hochzeitsgeschenk des Bayrischen Hofes für Maria von Bayern und Erzherzog Karl von Innerösterreich nach Graz. Aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammen drei sizilianische Krippenfiguren. Es sind Hirten, die Körper aus Wachs geformt und mit kaschierten, bemalten Kleidern bedeckt.
Edles Kunstgewerbe diente schon immer der Schönheit der Damen. Ein graziöser Biedermeiertisch läßt an zarte Liebesbriefe denken, und vom ausgelassenen Charleston sprechen zierliche Tanzschuhe aus silbernem Leder mit bemalten geschwungenen Metallabsätzen. Auf einem Batisttaschentuch aus dem Jahr 1865 ist das Bild einer Villa eingestickt, die heute noch in Wien steht. Dadurch vereinigt dieses Objekt ästhetische Qualität mit historischer Dokumentation.
Zwei historische Räume sind in die Ausstellung integriert. Das sogenannte „Maria-Theresienzimmer” wurde von Karl Lacher als historisches Ambiente konzipiert. In die Originalvertäfelung aus dem 18. Jahrhundert sind Porträts von Maria Theresia, Franz Stephan und Mitgliedern der Familie Lothringen eingelassen. An diesen Raum schließt der „Weizersaal”. Er stammt aus dem 1563 erbauten Schloß Ratmannsdorf in der Obersteiermark, wurde von Karl Lacher für das Museum erworben und in das Museum übertragen. Wände und Decken sind mit Holz vertäfelt, Holzbänke sind rund um den Raum in die Wände integriert. Dieser Saal, selbst ein Ausstellungsobjekt, enthält drei besondere Kostbarkeiten aus dem 16. und 17. Jahrhundert, also aus der Zeit, in der Schloß Ratmannsdorf erbaut wurde. Ein Schachspiel aus dem 17. Jahrhundert besteht aus einer lederbezogenen Holzkassette und Figuren aus Elfenbein und Ebenholz, die Schachfelder sind dem Kassettendeckel in Gold eingeprägt.
Einmalig auf der Welt ist ein Blasinstrument aus Elfenbein, ein sogenannter „Zink” aus dem 16. Jahrhundert. (Musik aus der Entstehungszeit dieses Instruments ist auf einer CD eingespielt, die der Besucher anhören kann.) Das dritte Objekt i in diesem Saal ist j eine Wiener Elfenbeinschnitzerei. Ein Atlas auf einem gedrechselten Fuß trägt eine Kugel. In deren Inneren sieht man ein winziges Medaillon. Zieht man an zwei Schnüren, so öffnet sich dieses Medaillon und gibt den Blick auf eine gedrechselte Blume frei.
Noch vieles erfreut das Auge und Herz des Besuchers: Venezianisches Glas, italienisches Schmiedeeisen und Objekte namhafter Künstler aus unserer Zeit - eine Eintrittskarte gilt für fünf Besuche. (Bis 30. Dezember)
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