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DENKMÄLER, PROJEKTE

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Nicht nur für den Kaiser, sondern auch für die Ringstraße war das Jahr 1888 bedeutungsvoll: Brachte es ihr doch mit der Fertigstellung und Ausgestaltung des Maria- Theresien-Platzes und der endlichen Eröffnung des neuen Burgtheaters ihre eigentliche Vollendung. Beendeten Sic- cardsburg und van der Nüll die Frühzeit des Ringstraßenstiles, so eröffneten der Hamburger Semper und der Wiener Hasenauer dessen Spätzeit, die schon den Keim des nahenden Verfalles in sich trug. Und wie sich vor dem Ersterben alle Kräfte noch zu einer letzten Äußerung zusammenraffen, so reißen diese beiden den Monumentalbau noch einmal hoch und übertrumpfen an Prunk und Umfang alles bisher Geschaffene. Aber der dröhnende Aufwand ihrer leicht protzenhaften Bauten spricht nicht mehr die vertraute Sprache des Wiener Dialektes und läßt uns darum auch so kalt.

Vor allem die monumentalen Riesenbauten der zwei Museen und der „neuen Burg”, die als Überbleibsel einer größeren Planung mit ihren Maßen alles andere in den Schatten stellen. Außen und innen von mehr als reicher aber kalter Pracht! Imponierend, aber nicht erwärmend! Die gewaltigen, langgestreckten Bauten der zwei Museen wirken trotz aller Gliederung kompakt und gedrungen. Lediglich die aus der Mitte ganz an den Rand der Hauptfront gerückten Kuppeln versuchen die mächtigen Körper hochzureißen. Je vier kleinere, die sie dienend umstehen, helfen ihnen dabei.

Dieses Motiv wiederholt sich aufs glücklichste im Meisterwerk von Zumbusch, dem Maria-Theresien-Denkmal, dessen Architektur ebenfalls von Hasenauer stammt. Gleich den vier Nebenkuppeln umstehen hier die ersten Diener des Staates ihre Herrin, die hoch über ihren Häuptern thront. Das Maria-Theresien-Denkmal ist die nach Fernkorns genialen Reiterstandbildern auf dem Heldennlatz weitaus bedeutendste Denkmalschöpfung der Ringstraßenzone. Die Idee zu einem zwischen der Museen postierten Standbild der großen Kaiserin reichte bis in die frühen siebziger Jahre zurück und wird der persönlichen Initiative des Kaisers zugeschrieben. Das geschichtliche Programm hierzu verfaßte der Leiter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Alfred Ritter von Arneth, der mit seinem zehnbändigen Standardwerk Maria Theresia ein geistiges Denkmal gesetzt hat, das einst mit folgenden Versen besungen wurde:

„Ein größ’res Denkmal, mächtiger als Erz, Es baut sich auf aus Worten und aus Zahlen, Und zeigt den Herrscher sinn, das Mutterherz, Der hohen Frau in ihrer Zeit Annalen. Den Forscher preist darum das Vaterland, Der solchen Herrscherruhm in goldnen Lettern, Aus reinstem Quell geschöpft, mit Meisterhand Verzeichnet in der Weltgeschichte Blättern.”

Die Enthüllung des Maria-Theresien-Denkmals erfolgte im Rahmen der Feierlichkeiten zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum des Kaisers am 13. Mai 1888, dem Geburtstag von Franz Josephs großer Ahnherrin. Die Tageszeitungen wiesen darauf hin, daß er nun schon so lange wie Maria Theresia regiere, wie diese zu Beginn seiner Herrschaft von allerhand GeTahrtm bedroht war und beide der Monarchie völlig neue Gftmftlagen geschaffen hätten. Es -wari ein Feierlichkeit., von A überwiegend militärischem Charakter, eine eindrucksvolle Demonstration im Zeichen der Dreieinigkeit von Gott, Kaiser und Vaterland.

Mit dem Maria-Theresien-Denkmal hatte der Raum zwischen den beiden Museen und den Hofstallungen einen gewichtigen Mittelpunkt erhalten und sich verselbständigt. Es war der Anfang vom Ende des „Kaiserforumgedankens”. Diese in der Werkstatt eines selbstbewußten Künstlers geborene, ihrem Wesen nach barocke Mammutplanung war selbst für den machtvollen Bauwillen der Ringstraßenzeit zu groß und ausfahrend gewesen. Der Schwung und der Atem der Stadterweiterung, der 30 Jahre lang vorgehalten hatte, wurde immer schwächer und hatte si i mit der Errichtung des Burgtheaters und der zwei Museen erschöpft. Der geradezu „gequält anmutende Verlauf des neuen Burgbaues” beweist es.

Der Heldenplatz aber trägt seit damals ein Janusgesicht: In seiner östlichen Hälfte, zu Füßen der neuen Burg, ist er eine Art von Platz, richtiger gesagt eine „Ecke”. In seiner übergewichtigen westlichen Hälfte ist er eine „Gegend”, die mit dem Volksgarten und der Ringstraße verfließt. Denn das hochgezogene Eisengitter zwischen dem Burgbereich und der Ringstraße besitzt keinen städtebaulichen, sondern lediglich einen polizeilichen Grenzcharakter. Es macht die Gegend vor der Burg zu keinem Platz, ermöglicht aber nach Schließung sämtlicher Tore die Abriegelung des entscheidenden

Regierungsviertels. Wer Gelegenheit hatte, anläßlich des Justizpalastbrandes im Jahre 1927 nach dem Aufpeitschen der ersten Schüsse die fliehenden Menschen, schreiend und von Angst geschüttelt, im Gestänge des Volksgartengitters hängen zu sehen, weiß um die sichernde Kraft dieser städtebaulich illusorischen, durchsichtigen Grenzlinie.

Vor allem aber entsprachen die Riesenausmaße des geplanten Kaiserforums in keiner Weise den Neigungen Franz Josephs, der dem Projekt nie eine wirkliche Teilnahme abgewinnen konnte und sich mit dem theresianischen Schönbrunn als seiner eigentlichen Residenz vollauf zufriedengab. Statt eines überdimensionierten, völlig unösterreichischen Riesensteinbruchs blieb uns gottlob bis heute noch das Glück der „Gegend vor der Burg” erhalten, jenes Stück baumbestandener Landschaft, in die von ferne der sanfte Schwung der Wienerwaldberge hineinspielt, gegen deren Horizont die windgepeitschten Quadrigen des Parlaments, der eiserne Rathausmann und die wie Schwurfinger zum Himmel weisenden Türme der Votivkirche stehen.

Aus der im Herold-Verlag erschienenen ..Ringstraßen-Symphonie’ von Frei Hennings.

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