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Gespräch über das Radetzky-Denkmal

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Die Nachricht, daß eine Versetzung des Radetzky-Denkmals von seinem bisherigen Standort geplant sei, hat lebhaften Widerhall gefunden, der sich in einer Reihe von Zuschriften an die Redaktion ausdrückte. Die durch die geplante Versetzung aufgeworfenen städtebaulichen Fragen hat die „Furche“ veranlaßt, an eine Reihe von namhaften Wiener Fachleuten die Bitte zu richten, ihre Ansichten in dieser Frage zu äußern. Wir veröffentlichen zusammenfassend das Ergebnis. An die Spitze stellen wir die grundsätzlichen Ausführungen, die wir Herrn Prof. Hofrat Dr. Karl Holey verdanken.

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Die Nachricht, daß eine Versetzung des Radetzky-Denkmals von seinem bisherigen Standort geplant sei, hat lebhaften Widerhall gefunden, der sich in einer Reihe von Zuschriften an die Redaktion ausdrückte. Die durch die geplante Versetzung aufgeworfenen städtebaulichen Fragen hat die „Furche“ veranlaßt, an eine Reihe von namhaften Wiener Fachleuten die Bitte zu richten, ihre Ansichten in dieser Frage zu äußern. Wir veröffentlichen zusammenfassend das Ergebnis. An die Spitze stellen wir die grundsätzlichen Ausführungen, die wir Herrn Prof. Hofrat Dr. Karl Holey verdanken.

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Denkmäler sollen für den Ort gearbeitet sein, auf dem sie zur Aufstellung gelangen. Erst durch die Aufstellung kommt ihre Schönheit zur vollen Geltung. Darin ist das Geheimnis der großen Wirkung jener alten Defikmäler zu suchen, die ihren ursprünglichen Aufstellungsort bewahrt haben, wie das Reiterdcnkmal des Gattamelata in Padua von Donatello oder des Colleoni von Verrocchio in Venedig. Vasari, der große Theoretiker der Renaissance, sagt, daß erst die freie Luit und das besondere Licht des Standortes die plastischen Qualitäten eines Standbildes beurteilen lassen

Schwierigkeiten ergeben sich, wenn Umstände eintreten, die eine Änderung des Standorte notwendig machen oder gar bei Aufstellung des Denkmals der Ort noch nicht festgelegt worden war, das Denkmal also zu wandern beginnt. Solcher wandernder Denkmäler gibt es viele, und selten ist eine glückliche Lösung zustande gekommen. Der Koloß des David von Michelangelo in Florenz ist ein monumentales Beispiel dafür, denn erst nach seiner Fertigstellung beriet die florenrinische Wollweberzunft mit den namhaftesten Künstlern der Stadt über den Ort der Aufstellung, und bis heute hat das Denkmal noch keinen befriedigenden Standort gefunden.

Auch in Wien haben wir mehrere wandernde Denkmäler, nun gehört „ das Denkmal Radetzkys auch zu ihnen. Der ursprüngliche Standort vor dem alten Kriegsministerium am Hof ist mit der Änderung der Zweckbestimmung des Gebäudes verlassen worden und das Denkmal fand einen Platz vor dem neuen Kriegsministerium, von falschen Voraussetzungen ausgehend. Man glaubte, jedes Denkmal müsse einen architektonischen Hintergrund haben und in innerer Beziehung zu seiner Umgebung stehen. Der erste Grund hatte seine Geltungsberechtigung im Mittelalter bei den mit dem Bauwerk reliefartig verbundenen Plastiken, und auch in der Frührenaissance besteht diese Gebundenheit, die noch Alberti im 15. Jahrhundert vertritt, der für das Denkmal in erster Linie die Nische verlangt. Erst im späteren Verlauf der Renaissance und vor allem in der Barockkunst löst sich das Denkmal von der engeren Bindung mit dem Gebäude und dem Hintergrund und tritt in voller Plastik frei in den Raum heraus. Die Bindung an den Hintergrund wird aufgegeben, aber auch die innere Verbundenheit des Denkmalträgers mit dem Hintergrund durch die Bestim-

mutig des Gebäudes ist in den meisten Fällen nicht maßgebend. Hier sei wieder an die beiden klassischen Reiterdenkmäler der Renaissance erinnert. Beide, Gattamelata und Colleoni, sind berühmte Condottieri, Söldnerführer, und stehen doch in unmittelbarer Nähe von kirchlichen Gebäuden. Der erste, in Padua neben der Kirche des großen Heiligen, des „Santo“, und Verrocchio stellt seinen kühnen Reiter in einen kleinen Winkel neben die Kirche San Giovanni e Paolo in Venedig, ohne daß einer der beiden irgendeine Beziehung zu den Kirchen gehabt hätte.

Es bestand in Wahrheit kein künstlerischer Grund und auch keine innere Berechtigung, das Standbild Radetzkys von seinem ursprünglichen Standort Am Hof zu entfernen und es in einer städtebaulich nicht glücklichen Aufstellung mit dem neuen Gebäude des Kriegsministeriums, das in seinen maßstäblichen Verhältnissen einen ganz anderen architektonischen Hintergrund darstellt, als der frühere Am Hof es war, in Verbindung zu bringen. Die unbefriedigende Lösung hat man sehr bald gerügt und heute will man diesen Fehler wieder gutmachen.

Bei der Suche nach einem neuen Aufstellungsort sind viele Plätze genannt worden. Sicher ist es nicht leicht, eine glückliche Lösung zu finden, die künstlerisch und städtebaulich befriedigen soll. Zunächst müßte man erwägen, ob das Denkmal im Bereich der Inneren Stadt bleiben soll oder ob dafür ein anderer, weiter vom Stadtzentrum entfernter Ort in Betracht käme. Der Vater Radetzky, wie er genannt wird, ist eine wahrhaft volkstümliche Gestalt, der mit dem Wesen des österreichertums eng verbunden ist und gewissermaßen einen Platz im Herzen des Volkes gefunden hat. Er ist nicht nur an das Herrscherhaus oder an eine bestimmte Gesellschaftsklasse gebunden, sondern er ist ein Mann des Volkes. Das spräche dafür, daß sein Denkmal dort steht, wo es von den meisten Wienern gesehen werden kann, in der Inneren Stadt. Aufstellungsorte, wie etwa das Arsenal oder Schönbrunn, sind daher weniger geeignet. In der Inneren Stadt selbst ist, mit Ausnahme des früheren Denkmalplatzes Am Hof, kaum ein geeigneter Ort zu finden. Am ehesten könnte man an den Michaelerplatz denken, der lange Zeit für ein Rudolf-von-Habe burg-Denkmal m Diskussion stand. Ein runder Platz ist für ein in der Mitte stehendes Reiterstandbild schon deswegen nicht geeignet, weil dieses in eine bestimmte Richtung zeigt, für die sich bei einem runden Platz schwer eine Achse finden läßt. Die

Engländer nennen solche Plätze Zirkus, und ein Zirkus hat immer eine freie Mitte; die Tendenz einer kreisenden Bewegung ist mit der Ruhe eines Denkmals, schon gar mit der im Radetzky-Denkmal zum Ausdruck gebrachten überlegenen Ruhe des denkenden Feldherrn, nicht in Einklang zu bringen.

Radetzkys erfolgreiches Wirken fällt mit dem Höhepunkt der städtebaulichen Entwicklung Wiens, mit der Ringsträßenzeit, zusammen; es liegt deshalb nahe, sein Standbild mit der Ringstraße in Verbindung zu bringen, wie dies ja bei dem letzten Aufstellungsort, wenn auch nicht von dieser Erwägung ausgehend, der Fall war. Ein besonders markanter Punkt im Verlauf der Ringstraße ist der mit Unrecht Platz genannte RaumvorderVotivkirche, für den schon wiederholt Denkmalprojekte bestanden, unter anderem ein sehr schönes von Ohmann, ebenfalls für ein Denkmal Rudolfs von Habsburg. Der Platz ist so groß, daß ein Denkmal an dieser Stelle eine weitgehende architektonische Umgestaltung der unmittelbaren Umgebung verlangt, was auch in den Projekten von Ohmann und von anderen vorgesehen war. Damit kann bei unserem Radetzky-Denkmal nicht gerechnet werden.

Ein anderer städtebaulicher Knotenpunkt der Ringstraße ist das Gelenk zwischen Schottenring und Franz- Josefs-Kai. Kurz nach dem ersten Weltkrieg hat die Gemeinde Wien einen Wettbewerb für die Ausgestaltung des Abschlusses vom Schottenring und Kai ausgeschrieben, von der Erwägung ausgehend, daß hier eine Betonung notwendig wäre. Ich könnte mir vorstellen, daß das Radetzky- Denkmal hier, in där Achse des Schottenrings, auf einem höheren Unterbau recht gut zur Geltung kommen und außerdem einen Blickpunkt und einen Blickfang für Schottenring und Franz-Josefs-Kai abgeben würde. Allerdings fehlt hier der von manchem gewünschte Hintergrund, den ich nicht für notwendig halte. Auch hier verweise ich wieder auf die schon angeführten klassischen Beispiele, bei denen die Bronzefigur des Reiterdenkmals sich in scharfer Silhouette gegen den freien Himmel abhebt, was für die dunkle Bronze, die ein Erkennen von

Einzelheiten ohnehin schwer ermöglicht, das Wesentliche ist. Eine auf das Denkmal rücksichtnehmende gärtnerische Gestaltung der Umgebung ist leicht möglich.

Ein anderer Aufstellungsort könnte bet der neugeplanten Ausgestaltung des Ufergeländes des Donaukanals gefunden werden. Zwischen dem Aspernplatz und dem Morzinplatz werden Freiflächen entstehen, die für die Aufstellung des Denkmals in Betracht gezogen werden könnten. Eine dritte Möglichkeit bestände allenfalls auf einem städtebaulich neuzugestaltenden Gebiet hinter'dem Gebäude des Kriegsministeriums, wo auf dem Gelände des ehemaligen Hauptzollamtes Neubauten für Regierungsgebäude gedacht sind.

Von den erwähnten drei Vorschlägen könnte der erste mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand von Kosten unmittelbar verwirklicht werden, während die beiden anderen Gedanken an städtebauliche Umgestaltungen gebunden sind, die wohl nicht so bald ihre endgültige Lösung finden werden, so daß man sich mit einer vorläufigen Belassung des Denkmals an seinem derzeitigen Standort abfinden müßte. Wenn aber Roß und Reiter wieder wandern müßten, dann wären der Platz Am Hof als der ursprüngliche Standort oder der Abschluß des Schottenrings die nächsten erreichbaren Ziele des großen Feldherrn.

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