7063368-1991_45_17.jpg
Digital In Arbeit

Wahre Residenz der Musik

19451960198020002020

Die Geschichte des Palais Lobko-witz, in dem am 26. Oktober nach sechsjähriger Umbauzeit das Österreichische Theatermuseum eröffnet werden konnte, ist mehr als die Geschichte eines dreihundert Jahre alten Hauses. In der Geschichte seiner jeweiligen Besitzer spiegelt sich auch ein Stück österreichischer Geschichte.

19451960198020002020

Die Geschichte des Palais Lobko-witz, in dem am 26. Oktober nach sechsjähriger Umbauzeit das Österreichische Theatermuseum eröffnet werden konnte, ist mehr als die Geschichte eines dreihundert Jahre alten Hauses. In der Geschichte seiner jeweiligen Besitzer spiegelt sich auch ein Stück österreichischer Geschichte.

Werbung
Werbung
Werbung

Barbara Feller und Friedrich Mayr vom Architektur-Büro Karl und Eva Mang, das mit der Adaptierung des barocken Stadtpalastes zum jüngsten Wiener Bundesmuseum beauftragt worden war, haben die Geschichte der Besitzer unter Zuhilfenahme jetzt wieder zugänglicher Urkunden in der CSFR erforscht.

Der Bauherr des Palais an der Westseite des heutigen Lobkowitz-platzes, der damals noch Schweinemarkt hieß, war Philipp Sigmund Graf Dietrichstein, geheimer Rat der Römisch Kaiserlichen Majestät und Ritter des Goldenen Vlieses. Sein Baumeister war Giovanni Pietro Tencala aus dem Tessin.

Entsprechend den Unterlagen im Lobkowitz-Archiv in Zitenice bei Leitmeritz (Litomerice) dürfte Tencala von 1691 bis 1694 am Palais Dietrichstein gearbeitet haben. Nach neuesten Erkenntnissen Wilhelm Georg Rizzis, der als Vertreter des Bundesdenk-malamtes für die denk-malpflegerischen Belange der Revitalisierung zuständig war, hatte Dietrichstein in der letzten Planungsphase allerdings auch den Hofingenieur Kaiser Josephs I., Johann Bernhard Fischer von Erlach, beigezogen.

Nach dem Tod des Grafen ging das in unmittelbarer Nähe zur Habsburger Residenz gelegene Haus in den Besitz seiner Tochter Marie Ernestine und deren Gemahl Johann Wenzel Graf Gallas über, einem Enkel des legendären Matthias Gallas, Erbe des ermordeten Wallen-steins (recte Waldstein) in seiner Eigenschaft als Befehlshaber der kaiserlichen Armee und der Herrschaft Friedland.

Nach dem frühen Tod des Johann Wenzel von Gallas heiratete die Witwe Marie Ernestine den Grafen Alois Thomas von Harrach, Vizekönig von Neapel. Da sie kein Interesse an dem Palais am Schweinemarkt besaß, verkaufte sie es an Ludwig Joseph Gundacker Graf von Althan (1665-1747).

Der neue Eigentümer, Oberaufseher über alle kaiserlichen Gebäude und eifriger Förderer von Vater und Sohn Fischer von Erlach, beauftragte Jakob von Schuppen mit der Ausführung des allegorischen Deckengemäldes im Festsaal des Hauses. In späten Jahren heiratete Althan eine um vieles jüngere entfernte Verwandte: Gräfin Maria Wilhelmine von Althan, verwitwete Fürstin Lobkowitz. Das Palais vermachte er seinem Stiefsohn Ferdinand Philipp Joseph Fürst von Lobkowitz.

Dieser veranstaltete, sofern er sich nicht auf seinen Gütern in Schlesien aufhielt, im Palais private Konzerte unter Mitwirkung von Christoph Willibald Gluck und Karl Philipp Emanuel Bach. Sein Sohn Franz Joseph Maximilian ging als Förderer Beethovens in die Musik- und als Direktor der Hoftheater in die Wiener Theatergeschichte ein. Daß er eine eigene Musikkapelle unterhielt, mit der er abwechselnd in seinem Wiener Palais und auf den Lobkowitz-Schlös-sern Raudnitz und Eisenberg in Böhmen Konzerte oder musiktheatralische Aufführungen veranstaltete,-versteht sich fast von selbst.

Höhepunkt all dieser Soireen war zweifellos 1804 die Uraufführung der Dritten („Eroica") und Vierten Symphonie Ludwig van Beethovens im von Wachskerzen illuminierten Prunkraum des Palais Lobkowitz, der seither Eroica-Saal heißt und von Zeitzeugen als „wahre Residenz und Akademie der Musik" geschildert worden ist.

Nach 1811 scheinen die Soireen seltener geworden zu sein.Und auch das Verhältnis zwischen dem Musikliebhaber und dem Musikgenie kühlte merklich ab. Der Grund lag darin, daß Lobkowitz Beethoven das Honorar für bestellte und auch gelieferte Quartette nicht bezahlte. Infolge der allgemeinen Geldentwertung durch die napoleonischen Kriege und der Pleiten in den unter Franz Joseph Maximilians Direktion stehenden beiden Hoftheatem (Hofburgtheater am Michaelerplatz und Kärntnertortheater) sowie des Theaters an der Wien befand sich der Fürst am Rande des Ruins.

Schließlich wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts die finanzielle Lage der Familie so prekär, daß man zur Begleichung ihrer Schulden eine Zwangsadministration unter staatlicher Aufsicht über deren Güter einsetzte.

Nichtsdestoweniger gründete der Franz Joseph Maximilian nachfolgende Fürst Ferdinand Joseph Lobkowitz, eben zum Inhaber einer Zuckerfabrik in Böhmen geworden, in Eisenberg bei Komutau 1831 eine Musikschule mit kostenlosem Unterricht. Dessen Sohn Moritz Alois übersiedelte dann mit dem gesamten Haushalt in das Stammschloß der

Lobkowitz nach Raudnitz (Roudni-ce) bei Prag und vermietete den Wiener Stadtpalast an die französische Botschaft, nach dem Untergang der Habsburger-Monarchie an die tschechische Gesandtschaft. 1939 zog in das konfiszierte Palais das „Haus der Mode" ein.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude von mehreren Bomben getroffen. 1945 kam es unter die Verwaltung der russischen Besatzungsmacht. 1947 übernahm es das französische Kulturinstitut und führte notwendigste Reparaturen durch. 1979 kaufte der österreichische Staat den Erben der Familie Lobkowitz das Palais ab und beschloß drei Jahre, später, den seit 1922 zumeist magazinierten Theatersammlungen der Nationalbibliothek in dem leer gewordenen Barockpalais mit großer Musiktradition eine Heimstatt zu geben. Mit dem Umbau wurde 1982 begonnen. Die Kosten für die erste Neugründung eines Bundesmuseums seit 1918 betrugen 83 Millionen Schilling.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung