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Ein Juwel in neuem Glanz

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Rohrau, dieses kleine Dorf östlich von Wien zwischen Bruck a. d. Leitha und Petronell gelegen, wäre der Welt wohl für immer unbekannt geblieben, hätte es nicht der Welt einen Josef Haydn geschenkt. Neuerlich wird Rohrau berühmt werden, denn es präsentiert wieder ein Geschenk: Die prächtige Neuaufstellung der bisher in Wien befindlichen Harrachschen Privatgalerie im Schloß Rohrau.

1524 schon erwarb das ursprünglich oberösterreichische Geschlecht der Harrachs die Herrschaft Rohrau und führt seit der Erhebung in den Reichsfreiherrenstand diesen Namen von nun an in seinem Titel. 1627 wurden die Harrachs schon in den Reichsgrafenstand erhoben. Zu den ober- und niederösterreichischen Besitzungen kamen viele Besitzungen in Böhmen, und viele Mitglieder des Geschlechtes spielten von nun an eine große Rolle in der österreichischen Geschichte. Die Gattin Wallen-steins war eine Harrach, ihr Vater Minister Ferdinands II. 1622 wurde Ernst Graf Harrach Erzbischof von Prag und blieb es bis 1667. Er mußte die ganze schwere Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Böhmen erleben und führte nach dessen Beendigung den Wiederaufstieg der katholischen Kirche in Böhmen durch. Auf seine Initiative wurden die Bistümer Leit-meritz und Königgrätz gegründet. Ferdinand Bonaventura Harrach war Gesandter Leopolds I. in Madrid und hatte die schwierige Aufgabe, die Erbrechte der österreichischen Habsburger, die sich durch den Tod Karls- II., des letzten spanischen Habsburgers, ergeben sollten, zu vertreten. Einer seiner Söhne kämpfte bei Peterwardein und Belgrad, wurde Feldmarschall und nach dem Tod des Prinzen Eugen Präsident des österreichischen Hofkriegsrates. Ein Harrach war der letzte böhmische Kanzler vor Vereinigung der böhmischen mit der österreichischen Hofkanzlei. Und der Thronfolger Franz Ferdinand fuhr in Sarajevo die tödliche Fahrt in einem Auto, das ihm ein Graf Harrach zur Verfügung gestellt hatte. Der Eigentümer des Hauses saß neben dem Erzherzog, als ihn die Schüsse trafen.

Als Belgien noch österreichisch war (1714—1803), war Prinz Eugen dessen erster österreichischer Statthalter und Erzherzog Karl d^r letzte, so daß der Heldenplatz in Wien eigentlich auch Platz der belgischen Statthalter heißen könnte. Als Neapel und Sizilien österreichisch waren (1714—1738), wurde dieser Teil der Erbmonarchie ebenso wie Belgien und Mailand von der spanischen Kanzlei in Wien in der Wallnerstraße 10 verwaltet. Als österreichischer Statthalter in Neapel mit dem Titel Vizekönig amtierte zweimal Alois Thomas Graf Harrach. Sein Vater, der kaiserliche Gesandte in Madrid, legte mit seinen Ankäufen von Werken spanischer Maler den Grundstock der späteren Galerie. Sein Sohn, der Vizekönig, ergänzte diesen Bestand durch großzügige Ankäufe von Werken neapolitanischer und römischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts. Wie sein Bruder, Franz Anton, Erzbischof von Salzburg, war er auch einer der großzügigsten Bauherren in diesem baufreudigen Jahrhundert. Lukas von Hildebrandt baute für die Familie den großen Stadtpalast auf der Freyung in Wien und das Schloß Harrach an der Leitha. Noch zwei Mitglieder der Familie ergänzten die bereits große Sammlung durch weitere Ankäufe, Graf Ernst Guido (1732—1783) ließ in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts durch seinen Agenten in Rom eine beträchtliche Anzahl von Bildern römischer Meister erwerben. Und Graf Johann Nepomuk Ernst Harrach hat seit 1783 die Galerie durch Ankäufe vieler niederländischer Meister bereichert. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich diese große Sammlung im Palais auf der Freyung in Wien.

Neben der fürstlich Liechtenstein-schen Galerie und der Czerninschen Gemäldegalerie war die Harrachsche Galerie in Wien eine der bedeutendsten Sammlungen dieser Stadt. Die Liechtensteinsche Galerie wurde während des zweiten Weltkrieges aus Sicherheitsgründen nach Vaduz verlagert und kehrte nicht mehr zurück. Die Czerninsche Galerie wanderte nach Salzburg aus. Nur die Harrachsche Galerie verblieb in Wien in dem schönen Palais auf der Freyung, wo sie nach dem Krieg neu gesichtet und aufgestellt wurde. Aber leider starb der Besitzer der Galerie bald und sein einziger Sohn wurde das Opfer eines Autounfalles. Das Palais auf der Freyung erbte ein Harrach, der in Amerika lebte und die Galerie verblieb der Witwe des Eigentümers Stefanie Gräfin Harrach geborene Gräfin Eitz, ebenso wie das Harrachsche Schloß in Rohrau, das leider in einem nicht guten baulichen Zustand war.

Es war wirklich eine Tat von bemerkenswerter Initiative, die so selten im heutigen Österreich ist, mit der Gräfin Stephanie Harrach das verfallene Schloß aus einem Dornröschenschlaf erweckte, es in seiner ursprünglichen Schönheit wieder herstellen ließ und die Gemäldegalerie, die bisher in Wien sich befand, in Rohrau unterbrachte. Die Räume im Palais in Wien — das zeigt sich jetzt — waren viel zu klein, um alle Schönheiten dieser Bilder wirksam zur Geltung bringen zu können. Im Schloß Rohrau dagegen ist viel Platz, und so kommen diese prachtvollen Gemälde der Brueghel, Ribera, Solimena, Vacallino, Pannini, van Dyk, Ruisdael usw. erst richtig zur Geltung. Diese Neuaufstellung der Galerie in Rohrau ist wirklich ein Meisterwerk und die Schönheit des Schlosses in Verbindung mit den Schönheiten der Kunstwerke haben ein neues Juwel in der österreichischen Landschaft geschaffen. Niemand sollte versäumen, dieses Juwel zu bewundern.

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