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Hauskapelle im Luxushotel

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Nach jahrelangen Diskussionen, denen keine Taten folgten, wird nun das desolate Palais Harrach auf der Wiener Freyung doch noch vor dem Verfall gerettet. Ob das zwischen 1713 und 1716 von Johann Lukas von Hildebrandt errichtete Haus zu einem Luxushotel umgestaltet wird oder nicht, ist zwar noch offen, aber wahrscheinlich. Saniert und revitali-siert wird das einstige Barockjuwel, das sich Reichsgraf Wirich Philipp Laurenz von und zu Daun erbauen ließ, das 1746 an den

Reichsgrafen Johann Joseph Khevenhüller und 1764 an den Reichshof Präsidenten Ferdinand Bonaventura Graf Harrach kam, auf jeden Fall, ebenso wie die in seiner unmittelbaren Umgebung befindlichen Stadtpaläste Daun-Kinsky (Freyung 4) und Porcia (Herrengasse 23).

Die der rechten Reichshälfte zuzuzählende Stadterneuerungsgesellschaft (SEG), die im Zusammenhang mit den im heurigen Herbst beginnenden Vorarbeiten zur Etablierung einer Tiefgarage unter der Freyung ein Konzept für die Oberflächengestaltung des Platzes einschließlich seiner Gebäude entwirft, glaubt sogar, bereits 1987 mit dem Umbau des 1945 durch einen Bombentreffer schwer beschädigten Palais Harrach anfangen zu können.

Zwar hatte die Grundbesitzerfamilie nach dem Krieg das Palais unter schweren Opfern saniert, für die Erhaltung reichte ihr Geld allerdings nicht. Deshalb verkaufte die Familie das Gebäude 1975 an die Gemeinde-Wien-Tochter Gesiba, und diese 1981 wieder an die Gemeinde Wien. Kurzfristig sah es dann so aus, als würde das Gebäude generalsaniert werden: Helmut Zilk, während dieser Zeit eben Wiener Kulturstadtrat, wollte mit seiner Geschäftsgruppe auf die Freyung ziehen. Rathausinterne Querelen gegen ein „Kulturamt im Schloß“ machten den Plan zunichte.

Auch repariert wurde so gut wie nichts. Das Ergebnis: feuchte Mauern, faulende Parkettfußböden und Wandtäfelungen, abbröckelnde Deckenfresken, ein kaputter Lift, ein gepölztes Stiegenhaus. Sollte die SEG, hinter der die Immorent GesmbH und eine Tochtergesellschaft der Länderbank als Finanzierungsgruppe stehen, mit der Gemeinde Wien handelseins werden, dann werden mehr als nur die Schäden behoben. Dann wird das einst zu den schönsten Palästen der Wiener Innenstadt zählende Gebäude mit seiner figurengeschmückten Attika und seinem prächtigen Stiegenhaus im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt in seinen barocken Urzustand zurückgeführt.

Im oberen Stockwerk möchte Winfried Kallinger von der SEG ein Hotel der Luxusklasse mit 160 Betten einrichten. Die Hauskapelle könnte nach Absprache mit den Schotten vor allem als Trauungskapelle von der Öffentlichkeit genützt werden. Und im Parterre sollten Restaurants und Geschäfte untergebracht werden, zumal Gregor Passecker, Besitzer des gleichnamigen Cafes, die Absicht hat, das Lokal nicht weiterzuführen.

Überdies sieht das Kallinger-Projekt vor, den Innenhof des „Harrach“ mit der Passage des 1982 wiedereröffneten Gründerzeit-Palais Ferstel zu verbinden: ein Unterfangen, das sowohl für die bislang relativ tote Ferstel-Passage als auch für das „Harrach“ und somit für das ganze Viertel vorteilhaft wäre. Kommen diese Pläne zur Ausführung, würde das die Finanzierungsgruppe schätzungsweise eine halbe Milliarde Schilling kosten.

Außer für die dringend notwendig gewordene Sanierung und Revitalisierung des Palais Harrach

setzt sich die SEG auch für eine Aufwertung und bessere Nutzung des sich im Privatbesitz befindlichen Palais Daun-Kinsky und des bundeseigenen Palais Porcia ein— gehören ja diese ehemaligen Adelssitze zu den letzten rund dreißig erhalten gebliebenen profanen Barockgebäuden der Wiener Innenstadt.

Das Palais Daun-Kinsky stammt aus den Jahren 1713 bis 1716 und ist wie das Palais Harrach ein Werk Lukas von Hildebrandts. Das Palais Porcia wurde, im 16. Jahrhundert für Graf von Salamanca-Ortenburg erbaut und könnte nach bisherigen Vorstellungen der Bibliothek des Bundeskanzleramtes eine neue Heimstatt bieten. Zudem bestünde im „Porcia“ und im „Harrach“ die Möglichkeit, die einst für eine adelige Gesellschaft konzipierten Prunkräume für diverse Ausstellungen zu verwenden. Denn wenn auch die Tage, an denen etwa eine Rosa Gräfin Harrach, verehelichte Gräfin Kjnsky, einen Salon unterhielt, in dem sich die vornehme Welt des damaligen Wien — Staatsmänner, Gelehrte und Künstler — ein Rendezvous gab, längst der Vergangenheit angehören: An vorzeigbaren Kulturgütern fehlt es Wien nach wie vor nicht; nur an geeigneten Räumen, sie würdig zu repräsentieren.

Vielleicht gelingt es Winfried Kallinger mit seinem Konzept, auf der Freyung mehr als eine Tiefgarage und eine Fußgängerzone zu schaffen.

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